Die Schützin
Stephanie Mulser Stolzlechner ist die neue Bundesmarketenderin. Wie sich die Rolle der Frauen im Südtiroler Schützenbund im Laufe der Jahre gewandelt hat.
TAGESZEITUNG: Frau Mulser, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer kürzlichen Wahl als Bundesmarketenderin. Was hat Sie dazu bewegt, Marketenderin zu werden?
Vielen Dank! Was mich dazu bewegt hat, Marketenderin zu werden, waren vor allem meine Wurzeln und der Stolz auf das, was unsere Vorfahren alles geleistet haben. Ich bin eigentlich erst recht spät dazugekommen. Angefangen habe ich bei der Schützenkompanie Sterzing, wo ich drei Jahre dabei war, bis sich die Kompanie aufgelöst hat. Seit 2023 gehöre ich nun zur Kompanie Prettau. Es ist natürlich ein Vorteil, wenn man schon in jungen Jahren einsteigt – wir haben auch viele engagierte Jungmarketenderinnen. Das macht den Einstieg oft leichter, in die Rolle hineinzuwachsen, aber grundsätzlich gibt es eigentlich keine Altersgrenze.
Was sind die Aufgaben einer Marketenderin?
Das Wichtigste für uns Marketenderinnen ist die Pflege unserer Kultur. Gemeinsam mit den Schützen kümmern wir uns um den Erhalt von Kapellen, Bildstöcken oder Wegkreuzen. Uns ist es ein großes Anliegen, den Brauchtum und die Tradition an die Jüngeren und an die Kinder weiterzugeben. Aber auch soziale Projekte gehören dazu – etwa spontane Hilfsaktionen wie Spendensammlungen. Erst kürzlich haben die Marketenderinnen im Burggrafenamt zum Beispiel durch ein Projekt 6.500 Euro für eine Familie in Not gesammelt.
Haben sich die Aufgabenbereiche im Laufe der Zeit verändert?
Ja, die Marketenderin ist heute nicht mehr nur ein schöner Blickfang neben dem Hauptmann. Früher haben sie sich um die Männer der Kompanie gekümmert, aber heute ist alles viel moderner geworden. Viele Frauen übernehmen inzwischen verantwortungsvolle Aufgaben – wie die der Schriftführerin, Kassiererin oder sogar Schießreferentin. Wir versuchen, das Traditionelle mit dem Modernen zu verbinden.
Welche Rolle spielt Tradition heute noch für junge Menschen?
Die Heimatliebe hat nach wie vor einen großen Stellenwert. Wir können stolz darauf sein, was uns unsere Vorfahren hinterlassen haben: die Sprache, die Bräuche, die ganze Tradition. Es wäre schade, wenn das alles verloren gehen würde.
Schwingen in diesem Zusammenhang auch oft politische Haltungen mit? Immerhin werden Schützen oft als sehr konservativ wahrgenommen.
Ich kann nur sagen, dass wir überhaupt nicht politisch unterwegs sind. Uns geht es allein um den Erhalt unserer Heimat, das Weitertragen von Traditionen und den Vaterglauben. Ich persönlich distanziere mich deshalb ganz klar von rechtsextremen Haltungen – so etwas hat bei uns im Schützenwesen nichts zu suchen.
Kritische Stimmen behaupten, das Bild der Marketenderin sei veraltet oder folkloristisch. Teilen Sie diese Einschätzung?
Nein, das finde ich gar nicht. Wir unternehmen auch oft gemeinsam Ausflüge, wie Rafting oder Paintball. Wir sind wie eine große Familie, auch mit den Schützen.
Wird im Schützenbund durch die Marketenderinnen Ihrer Meinung nach ausreichend Raum für eine starke weibliche Stimme geschaffen – oder bleibt vieles noch symbolisch?
Ja, dadurch, dass Frauen inzwischen auch wichtige Aufgaben innerhalb der Schützenkompanien übernehmen, gehören sie genauso dazu. Das ist heutzutage nicht mehr unüblich – und man ist auch froh darüber. Natürlich gibt es noch gewisse Traditionen, die erhalten bleiben, wie zum Beispiel, dass Frauen eine Tracht tragen müssen und keine Lederhose. Auch das Schießen bleibt den Männern bei Ausrückungen vorbehalten – wir Frauen schießen nur im Verein. Aber innerhalb der Kompanie sind Frauen genauso angesehen wie Männer.
Viele Vereine haben damit zu kämpfen, dass immer weniger junge Menschen nachkommen. Lässt sich dieser Trend auch bei den Marketenderinnen erkennen?
Bei uns im Pustertal haben wir keine großen Schwierigkeiten. Auch in ganz Südtirol sind wir gut aufgestellt, insgesamt zählen wir 773 Marketenderinnen. Man versucht eben, mit verschiedenen Veranstaltungen und Aktionen die jungen Leute zu erreichen.
Welche konkreten Ziele haben Sie sich für Ihre Amtszeit als Bundesmarketenderin gesetzt?
Ich möchte mich für die Anliegen der weiblichen Mitglieder einsetzen und versuchen, diese auch umzusetzen. Außerdem möchte ich das Ansehen der Marketenderinnen weiter steigern, denn jede von ihnen kann etwas für unsere Heimat beitragen. Es ist mir auch wichtig, Freundschaften zwischen den verschiedenen Kompanien in Südtirol aufzubauen und den Kontakt zu stärken.
Was erhoffen Sie sich persönlich für die Zukunft des Schützenwesens und der Rolle der Marketenderinnen darin?
Ich wünsche mir, dass die Geschichte wieder ein bisschen mehr in das Bewusstsein der Menschen rückt und dass sich mehr Menschen damit auskennen, sodass der Stolz dafür wieder spürbar wird. Leider ist das mit der Zeit etwas verloren gegangen. Auch die Schulen spielen hier eine wichtige Rolle.
Interview: Sylvie Debelyak
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