„Reine Abzocke“
Weil sie versehentlich ihre Südtirol Pässe vertauscht hatten: Ein Oberschüler musste 120 Euro Strafe zahlen, der Pass der Freundin wurde zudem für einen Monat entzogen. Wie ist diese Strafe zu rechtfertigen? Und: Warum es in diesem Fall besser gewesen wäre, überhaupt keinen Fahrschein vorzuzeigen.
von Erna Egger
„Das ist reine Abzocke“, wettert eine Mutter. K. P. fügt hinzu: „Es handelte sich nur um ein Versehen, eine Verwechslung. Die Maßnahme ist weit überzogen.“
Was ist geschehen? Ihr Sohn, ein 18-jähriger Oberschüler, hat versehentlich, nachdem er bei seiner Freundin übernachtet hatte, die Südtirol Pässe vertauscht: Er hatte jenen seiner gleichaltrigen Partnerin eingesteckt, sie – ebenfalls Schülerin – seinen mitgenommen.
Am Bahnhof in Klausen trennten sich am Morgen ihre Wege: Er startete mit seiner Klasse eine Lehrfahrt nach Trient. Bereits auf der Hinfahrt im Zug verlangte ein Kontrolleur den Fahrschein der Schüler. Bis dahin war dem jungen Mann gar nicht aufgefallen, dass er das falsche Dokument bei sich trug.
Der Kontrolleur hingegen bemerkte den Fehler sofort. Trotz seiner Erklärungsversuche und der Intervention einer Lehrkraft zeigte der Kontrolleur keinerlei Kulanz: Dem 18-Jährigen wurde eine Strafe von 120 Euro aufgebrummt – insgesamt 127,30 Euro samt Fahrschein. Zusätzlich wurde ihm der Südtirol Pass der Freundin abgenommen – dieser ist nun für einen Monat gesperrt.
„Das kann es doch nicht sein: Hier ist doch offensichtlich, dass kein Betrug vorliegt“, unterstreicht die Mutter.
Jeder Kontrolleur könne überprüfen, wer rechtmäßig einen Südtirol Pass abo+ besitzt. „Weil beide Schüler sind, haben in diesem Fall beide ein Südtirol Pass abo+“, sagt die Mutter.
Der Südtirol Pass abo+ ist ein persönlicher Jahresfahrschein für Schüler:innen, der für eine fixe Jahresgebühr von 20 Euro unbegrenzt und flexibel im gesamten südtirolmobil-Verbundgebiet einschließlich der Regionalzüge bis Trient genutzt werden kann.
Die einzelnen Fahrten müssen zwar gestempelt werden, werden aber nicht verrechnet.
„Wo liegt dann der Betrugsversuch?“, fragt die Mutter empört.
Noch verwunderlicher sei die Aussage des Kontrolleurs: „Dieser erklärte meinem Sohn doch tatsächlich, dass es für ihn besser gewesen wäre, wenn er behauptet hätte, er habe keinen Fahrschein. In diesem Fall hätte er eine geringere Strafe bezahlt, und der Pass seiner Partnerin wäre nicht entzogen worden. Damit wurde ihm effektiv das Betrügen nahegelegt.“
Effektiv sieht das Reglement zu den Verwaltungssanktionen Folgendes vor:
Ist der Fahrschein nicht vorhanden, ungültig oder nicht entwertet, wird eine Verwaltungsstrafe zwischen 90 und 180 Euro fällig, zuzüglich des Fahrpreises für einen Einzelfahrschein.
Bei missbräuchlicher Verwendung – etwa der Nutzung eines persönlichen Fahrscheins durch eine andere Person oder bei gefälschtem Ticket – wird hingegen eine Verwaltungsstrafe von 120 bis 800 Euro verhängt. Zudem wird der Fahrschein sofort entzogen.
In beiden Fällen gilt: Bei sofortiger Bezahlung oder Zahlung innerhalb von fünf Tagen ab Zustellung des Bescheids kommt die Mindeststrafe zur Anwendung.
Die Mutter betont: „Meinem Sohn wurde diese Strafe aber ungerechtfertigt ausgestellt.“
Denn: Für Schulpässe gelten Sonderregelungen. Wird der Fahrschein nicht mitgeführt, ist lediglich eine Verwaltungsspese von 15 Euro zu entrichten – sofern der Besitz des Fahrscheins innerhalb von fünf Tagen beim Verkehrsunternehmen nachgewiesen wird. Andernfalls wird eine Verwaltungsstrafe von 60 Euro fällig.
„Wenn überhaupt, hätte nur diese Regelung zur Anwendung kommen dürfen“, ist die Mutter überzeugt.
Sie hat sich inzwischen an sämtliche Beschwerdestellen und zuständigen Ämter gewandt. „Neben der viel zu hohen Strafe – auch in Anbetracht, dass es sich um einen Schüler handelt – ergibt sich das nächste Problem: Durch den Entzug des Südtirol Passes muss seine Freundin nun täglich für jede Fahrt zur Schule ein Ticket bezahlen, was erhebliche Mehrkosten bedeutet.“
Die Reaktion der Beamten: „Sie waren wenig hilfreich und oft unhöflich. Effektiv wurde uns bestätigt, dass es besser gewesen wäre, mein Sohn hätte – wie vom Kontrolleur nahegelegt – gelogen. Das ist doch wirklich die Höhe“, so die Mutter.
Die TAGESZEITUNG hat sich beim Chefkontrolleur der SAD nach der Korrektheit der Strafe erkundigt.
Dieser erklärt: „Es gibt sehr viele Betrugsversuche mit dem Südtirol Pass, besonders mit dem Schüler Pass. Der Kontrolleur musste so handeln – so sieht es das Gesetz vor. Hätte er es nicht getan, hätte er sich der Amtsunterlassung schuldig gemacht“, so Mair.
Er räumt jedoch ein, dass „in diesem Fall die Regelung etwas widersprüchlich ist.“
Mittlerweile hat sich die Mutter auch an das Ressort für Mobilität gewandt – dort hat man ihr Anliegen aufgenommen.
Martin Vallazza, Direktor im Ressort für Infrastrukturen und Mobilität, erklärt: „Im Fall des Strafmandats für verwechselte ABO+ Karten hat der Kontrolleur der Eisenbahngesellschaft regelkonform gehandelt, da die Höhe der Strafe laut Beschluss so vorgesehen ist.“
Die normative Grundlage ist klar, verfügt allerdings auch über einen Passus, wonach die Verwechslung bei Familienangehörigen wesentlich niedere Strafen nach sich zieht. „Dies mit dem Grundsatzgedanken dahinter, dass eine Verwechslung passieren kann, wenn die Personen im selben Haushalt leben. Dies könnte man im konkreten Fall noch als ähnlich gelagert interpretieren, weshalb der Fall neu geprüft wird“, so Vallazza.
Das zuständige Ressort bemüht sich im Gespräch mit Trenitalia um eine Reduzierung der Strafe als auch um die vorzeitige Rückgabe des Schülerpasses.
Künftig soll es eine Möglichkeit geben, derartige Fälle zu vermeiden. Vallazza: „Das Land arbeitet derzeit über die Inhouse Gesellschaft STA – Südtiroler Transportstrukturen AG am neuen Portal, das schon in wenigen Wochen online gehen wird. Dann kann man gegebenenfalls auch über das Handy sehr einfach den Nachweis erbringen, dass man im Besitz eines gültigen ABOs ist.“
Das Fazit der Mutter: „Eine Regelung soll nicht dazu dienen, unsere jungen Leute wegen eines Versehens zu bestrafen, sondern jene zu sanktionieren, die wirklich betrügen.“
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