Der Tod des Metzgermeisters
Der Naturnser Fleischexperte Paul Christanell ist tot. Mit ihm verliert die Fachwelt nicht nur einen stetigen Mahner für mehr Qualität in der Speckproduktion, sondern auch einen Menschen, der sein großes Wissen an Benachteiligte im Vietnam weitergegeben hat.
von Karin Gamper
Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer im Vinschgau und darüber hinaus. Der bekannte Speck-Experte Paul Christanell ist im 80. Lebensjahr verstorben.
Zeit seines Lebens sprach sich der Naturnser Metzgermeister für eine tiergerechte Haltung und schonende Schlachtmethoden aus. Auch hat er immer wieder schärfere Qualitätskontrollen in der Speckproduktion angemahnt, was ihm in der Südtiroler Specklobby nicht nur Freunde bescherte.
Paul Christanell wurde 1945 in Naturns in eine bekannte Familie hineingeboren.
Vater Franz war Bürgermeister, Kreuzwirt und Metzger. Früh stand deshalb fest, dass der Sohn im elterlichen Betrieb mitarbeiten sollte. Er absolvierte die entsprechende Ausbildung zum Metzgermeister und leitete später den Speckbetrieb Christanell in Naturns. Gleichzeitig unterrichtete er an verschiedenen Berufsschulen des Landes und gab dort sein Fachwissen an den Nachwuchs weiter. Auch war er im In- und Ausland als Berater unterwegs. 2002 wurde er mit dem Titel „Maestro del Lavoro“ ausgezeichnet.
Bekannt wurde auch Christanells Trockenspeck mit den bekannten Bergsteigern Reinhold Messner und Hans Kammerlander als Werbeträgern.
Der Naturnser hatte jedoch auch eine soziale Ader.
Von 2008 bis 2018 hielt sich Paul Christanell immer wieder für mehrere Wochen bzw. Monate in Vietnam auf und gab dort sein Fachwissen im Fleisch – und Wurstsektor weiter. In das Land der Lotusblüte war er über die deutsche Hilfsorganisation SES (Senior Experten Services) gelangt. Die rund 13.000 Mitglieder dieser Organisation bringen ihr Expertenwissen in verschiedenen Bereichen in ärmeren Ländern ein.
Paul Christanell lernte bei seinen Aufenthalten im Vietnam die Menschen, das Land und die Kultur kennen. Dabei stieß er auch auf die vielen Menschen mit Beeinträchtigung – eine Folge des Einsatzes von „Agent Orange“. Das Pflanzenlaub-Vernichtungsmittel war im Vietnamkrieg von den USA auf die Wälder gesprüht worden.
Paul Christanell war erschüttert über die Armut der Menschen. Er schloss sich der Hilfsorganisation „Stars of Vietnam“ an und sammelte Spendengelder für ein Kinderheim, welches auch dank Südtiroler Unterstützung saniert werden konnte.
Bis zuletzt war der Naturnser voller Ideen und arbeitete an einem Buch über die handwerkliche Wurstproduktion.
Seinen vielen Freunden in Vietnam und Südtirol wird der engagierte Naturnser in guter Erinnerung bleiben.
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