Eine Nacht mit Brigitte
Wie sicher ist Bozens Nachtleben? Die Grüne Brigitte Foppa zieht los, um selbst zu erleben, wovor sich viele fürchten – und entdeckt eine Stadt zwischen Licht und Schatten. Ihr Erfahrungsbericht.
Von Matthias Kofler
„Geh doch mal nachts durch Bozen – dann siehst du, wie es wirklich ist!“ Die Facebook-Nachricht war keine Einladung, sondern eine Provokation. Eine, die die Grüne Landtagsabgeordnete Brigitte Foppa ernst nahm. Also zog sie am Samstagabend um kurz vor Mitternacht los – alleine, zu Fuß, mit Kamera. Ihr Ziel: den Ängsten der Menschen auf den Grund gehen. Und herausfinden, ob Bozen bei Nacht wirklich so gefährlich ist, wie viele behaupten – und auch so fühlen.
Startpunkt: die Rittnerstraße. Ein Ort, der in den letzten Monaten immer wieder in Schlagzeilen auftauchte – wegen Gewalt, Drogen, Randale. Foppa filmt, beobachtet, spricht mit Menschen, auch mit Sicherheitskräften. Dann geht es weiter zum Bahnhofspark – dem stadtbekannten Drogenumschlagplatz –, über den Waltherplatz bis zum Obstmarkt. Dorthin, wo gefeiert, getrunken, geflirtet wird. Auffällig: Während an der einen Straßenecke eine starke Präsenz von Carabinieri, Polizei, Finanzwache und Heer fast an eine Sicherheitsparade erinnert, liegt die Parallelstraße im Dunkeln, menschenleer, bedrückend still.
„Diese Nacht hat mir gezeigt: Es gibt kein Schwarz-Weiß“, sagt Foppa. „Die Präsenz der Sicherheitskräfte kann abschrecken – aber sie gibt auch Sicherheit. Vor allem vielen jungen Frauen, die hier unterwegs sind.“
Tatsächlich wirkt der Obstmarkt mit seinen Gruppen von Mädchen und den lärmenden Stimmen fast wie eine eigene Welt. Ein paar Meter weiter: eine andere Realität. Dunkelheit. Leere. Kein Licht auf den Talferwiesen. „Das kann nicht sein“, meint Foppa. „Jeder Mensch muss sich im öffentlichen Raum sicher fühlen.“
Ihre nächtliche Tour ist kein PR-Stunt, sondern der Auftakt zu einer geplanten Serie. Foppa will mit Menschen sprechen, Buslinien abfahren, wissen, wo sich die Leute unsicher fühlen. Und warum. Sie will nicht bagatellisieren, aber auch nicht dramatisieren. „Was wir brauchen, ist ein differenzierter Blick. Nur so können wir zwischen echter Unsicherheit und gefühlter Angst unterscheiden.“
Die Zahlen sprechen eine nüchterne Sprache: Laut Bozner Quästur ist die Kriminalität in Südtirol in den letzten Jahren nicht gestiegen. Und doch zeigt eine aktuelle Umfrage, dass sich 40 Prozent der Südtiroler:innen abends nicht mehr auf die Straße trauen. „Zahlen helfen nicht gegen Angst“, sagt Foppa. „Wir müssen hinschauen, zuhören, die Sorgen ernst nehmen.“ In der Tat gibt es eine Diskrepanz zwischen der objektiven Sicherheit und dem subjektiven Unsicherheitsgefühl der Menschen. Orte, an denen Menschen Angst empfinden, sind oft schlecht beleuchtete Gegenden, Plätze mit sichtbarem Drogenkonsum oder sozialer Belastung, sogenannte „Migrantenviertel“ – aber nicht unbedingt die Orte, an denen statistisch die meisten Straftaten passieren. Diese liegen oft dort, wo viele Menschen feiern und trinken.
Für die Politikerin ist das ein „schwieriges Terrain“. Denn wer über Sicherheit redet, läuft Gefahr, in eine politische Falle zu tappen: Auf der einen Seite jene, die Probleme kleinreden. Auf der anderen jene, die aus Angst Kapital schlagen. Dazwischen: eine verunsicherte Gesellschaft, die nach Orientierung sucht.
Was es braucht? „Mehr Präsenz – aber nicht nur mit Blaulicht“, sagt Foppa. „Nicht fünf Polizeiautos nebeneinander, sondern Menschen zu Fuß. Und eine Stadt, die nicht nur durch Gesetze, sondern durch Aufmerksamkeit sicherer wird.“
Die Nacht war kalt, lang – und aufschlussreich. Foppa hat ihr Versprechen eingelöst. Und will jetzt dranbleiben. Denn über Sicherheit zu reden, heißt auch, sich selbst der Unsicherheit auszusetzen.
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