Der Aussetzer des Priesters
Der offizielle Seniorenseelsorger der Diözese, Josef Torggler, macht bei einer Predigt in Girlan skandalöse Aussagen zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der Südtiroler Kirche.
von Christoph Franceschini
Matthias Weinhold versteckt sich nicht. „Es ist unglaublich“, sagt der Eppaner Familienvater, „dass ein Diener Gottes in der Öffentlichkeit solche Worte findet. Das ist einfach erschreckend“. Weinhold und mehrere Familienmitglieder sind Ohren- und Augenzeugen eines Vorfalls geworden, der nicht nur für sie, ernsthafte Fragen über die Südtiroler Amtskirche aufwirft.
Schauplatz ist die Pfarrkirche St. Martin in Girlan am Samstag, den 29. März 2025. Der Eppaner Pfarrer Christian Pallhuber ist gerade auf einer Pilgerreise, deshalb wird er an diesem Abend im Gottesdienst von einem Aushilfspfarrer vertreten. Dieser Pfarrer spricht in der Predigt dann auch die jüngste Aufarbeitung der Missbrauchsfälle durch die Südtiroler Amtskirche an. Dabei erklärt der Pfarrer in der Predigt wörtlich, er finde es „nicht richtig, dass Priester, die vor langer Zeit Kinder missbraucht haben, jetzt bestraft werden, obwohl da der Bischof dahinter ist“.
„Ich habe meinen Ohren nicht getraut“, sagt Matthias Weinhold heute. Nachdem mehrere Kirchgänger diese Aussagen bestätigen, stellt Weinhold nach der Messe den Aushilfspfarrer zur Rede. Dieser bestätigt nochmals das Gesagte. Weinhold ist empört, er erklärt, dass er sich beschweren werde und fragt deshalb den Pfarrer nochmals nach seinen Namen. Dieser antwortet mit Joseph Torggler.
Einige Tage später schicken Matthias Weinhold und Ulrike Lantschner einen Leserbrief an die TAGESZEITUNG, die Dolomiten und die Wochenzeitung ff. Darin heißt es unmissverständlich:
„Eine solche Aussage ist inakzeptabel und verlangt eine klare Distanzierung. Wir fordern den Bischof auf, diese Äußerung öffentlich zu widerrufen. Zudem erwarten wir, dass Herr J.T. keine weiteren Gottesdienste mehr leitet, um zu verhindern, dass solche empörenden Aussagen während einer Heiligen Messe verbreitet werden.
Unser 9-jähriger Sohn ist seit Kurzem Ministrant in Girlan, doch unter diesen Umständen können wir es nicht verantworten, ihn in die Kirche zu schicken. Wie sollen wir ihm erklären, dass ein Priester während der Predigt versucht, Kindesmissbrauch zu relativieren oder gar als nicht strafwürdig darzustellen? Ein solches Signal ist fatal – nicht nur für uns Eltern, sondern vor allem für die Opfer, denen mit solchen Aussagen jeglicher Respekt genommen wird.
Die Kirche muss ein Ort der moralischen Klarheit sein, nicht der Verharmlosung von Verbrechen. Wir hoffen auf eine deutliche Reaktion seitens der Kirche – zum Schutz unserer Kinder und zur Wahrung der Glaubwürdigkeit dieser Institution.“
Das Schreiben ging zur Kenntnis auch an den Eppaner Pfarrer Christian Pallhuber und direkt an Bischof Ivo Muser. „Wir haben bisher keine Antwort erhalten“, meint Matthias Weinhold am Montag zur TAGESZEITUNG.
Dabei dürfte der Vorfall und noch mehr das Schreiben der Eppaner Eltern in der Diözese Bozen-Brixen für einige Aufregung sorgen. Denn bei Josef Torggler handelt es sich nicht um einen etwas durchknallten älteren Dorfpfarrer, sondern um einen hohen Amtsträger der Südtiroler Kirche.
Der Akademiker und Diözesanpriester Josef Torggler ist nicht nur pensionierter Religionslehrer am Gymnasium, sondern er ist auch ein eingetragener Psychotherapeut und langjähriger Mitarbeiter am kirchlichen Ehegericht. Zudem kann Torggler auf eine langjährige Mitarbeit in der Familienberatung Südtirol, sowie Arbeit in der Jugendpastoral und Studentenseelsorge und eine rege Referententätigkeit zurückblicken. Heute fungiert er als Seelsorgeaushilfe in verschiedenen Pfarreien. Gleichzeitig ist Josef Torggler aber auch der offizielle Seniorenseelsorger und Referent für Seniorenpastoral der Diözese.
Dass ausgerechnet von diesem Amtsträger in einer Predigt solche skandalösen Aussage gemacht werden, ist ein Skandal im Skandal. Bischof Ivo Muser wird jetzt reagieren müssen.
Ansonsten werden er und die Südtiroler Kirche nicht nur bei Matthias Weinhold ihre Glaubwürdigkeit endgültig verlieren.
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