Der Asyl-Thriller
Ullis Ja, Haralds Nein: Warum der Knoll-Antrag zur Abschiebung krimineller AusländerInnen die Regierungskoalition ins Wanken gebracht hat.
Von Matthias Kofler
Es war ein Begehrensantrag mit Sprengkraft: Unter dem Titel „Konsequente Abschiebung krimineller Ausländer“ verlangte die Süd-Tiroler Freiheit die radikale Wende in der Asylpolitik – von Rücknahmeabkommen über Grenzschutz bis hin zur Verwirkung des Asylrechts bei illegaler Einreise, gestützt auf wissenschaftliche Daten. Was inhaltlich wie ein AfD-Wahlprogramm klang, entwickelte sich im Landtag zum politischen Stresstest für die Landesregierung.
Der Antrag wurde zwar überdeutlich abgelehnt – mit 23 Nein- und 9 Ja-Stimmen. Doch die Rechts-Koalition überlebte den Showdown nur dank der Opposition: Grüne und Team K retteten die Mehrheit, während die Freiheitlichen und Fratelli d’Italia – beide Teil der Regierung – für den Antrag stimmten. „Wenn die Regierung von der Opposition gestützt werden muss, wird’s eng“, meinte Grünen-Chefin Brigitte Foppa, die dem Antrag eine „diskriminierende Grundhaltung“ attestierte. „Man spielt mit Ängsten und bedient billige Ressentiments. Das ist nicht unser Verständnis von Verantwortungspolitik.“
Besonders brisant: Auch das Team K hat laut Parteiinsidern „inhaltlich Sympathien“ für Teile des Antrags gehegt – sich am Ende aber bewusst gegen ein politisches Spiel mit populistischen Nebelschwaden entschieden. Paul Köllensperger nahm sich kein Blatt vor den Mund: „Ich hab dem Landeshauptmann vorgeschlagen, ein eigenes Assessorat zur Ausweisung krimineller Ausländer zu schaffen und Sven Knoll zu geben. Der würde in zwei Monaten zusammengehen wie ein Luftballon mit Loch – weil da nichts dahinter ist außer heißer Luft.“
STF-Leader Knoll sprach von einer „Verhöhnung der Opfer“, wenn abgelehnte Asylwerber weiterhin im Land bleiben dürften. „Die Hälfte der Straftaten geht auf das Konto von Ausländern – das ist ein Fakt. Wenn die Politik weiter zuschaut, wird es irgendwann Selbstjustiz geben.“
Landeshauptmann Arno Kompatscher hielt dagegen: „Wenn man eine sachliche Diskussion will, muss auch der Antrag sachlich sein. Ein Teil der Forderungen ist bereits geltendes Recht, anderes widerspricht dem Völkerrecht.“ Man sei für klare Regeln, aber auch für Humanität. „Wir lassen uns nicht als naiv abstempeln.“
SVP-Fraktionschef Harald Stauder legte nach: „Ein solches Schwarz-Weiß-Bild hilft niemandem weiter.“ Er erinnerte mit spitzer Ironie an den Fall des Südtiroler Freiheitskämpfers Georg Klotz, der selbst in den 60er-Jahren an der Grenze abgewiesen worden sei – wegen fehlender Asylgründe.
Freieitlichen-Landesrätin Ulli Mair verteidigte ihre Ja-Stimme: „Die Anliegen sind berechtigt. Es geht nicht darum, irgendwen pauschal zu verurteilen, aber der Staat muss auch handlungsfähig bleiben.“
Zeno Oberkofler (Grüne) kritisierte das oft genannte Albanien-Modell scharf: „Es wurde nicht wegen linker Justiz gestoppt, sondern weil es völkerrechtswidrig ist.“ Waltraud Deeg (SVP) warnte vor den Folgen aufgeheizter Debatten: „Wer durch soziale Netzwerke scrollt, landet fast automatisch bei der AfD. Wir müssen aufpassen, wohin uns diese Rhetorik führt.“
Anna Scarafoni (Fratelli d’Italia) wiederum lobte Knoll überschwänglich. „Ein epochaler Wandel ist im Gange – Europa erkennt endlich die Wahrheit“, so auch Vize-Landeshauptmann Marco Galateo. „Die STF steht heute dort, wo wir morgen alle stehen werden.“
Maria Elisabeth Rieder (Team K) erinnerte daran, dass man „gestern über Armut in Südtirol geredet hat – und die STF war auffallend still. Heute hingegen: großer Auftritt.“ Knoll konterte prompt: Er habe sehr wohl zum Armutsthema gesprochen – was Landtagspräsident Arnold Schuler bestätigte.
Renate Holzeisen (Vita) nutzte die Gelegenheit für eine Generalabrechnung mit der „politisierten Justiz“ und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der – so ihre These – von „Soros-Agenten infiltriert“ sei.
Sandro Repetto (PD) fand deutliche Worte: „Die STF wurde mit einem rassistischen Wahlplakat in den Landtag gespült. Es geht nicht um Lösungen, sondern um Spaltung. Das Ende kennt man – siehe Lega.“
Christian Bianchi (FI) sprach von einem „Antrag fürs Schaufenster“. Integration und Rückführung müssten zusammengedacht werden – aber ohne Populismus. Andreas Leiter Reber (Freie Fraktion) warf Knoll „politische Augenwischerei“ vor: „Das Land ist gar nicht zuständig – hier wird nur auf Stimmung gemacht.“
Der Antrag ist gescheitert – doch das wahre Problem sitzt in der Mitte der Macht.
Kommentare (10)
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