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Heiliger Nordio


Die SVP hat in Rom geschlossen gegen den Misstrauensantrag gegen Justizminister Carlo Nordio gestimmt – weil sein „Lebenswerk“ ihr direkt in die Hände spielt.

von Matthias Kofler

Der Misstrauensantrag gegen Carlo Nordio, den die Abgeordnetenkammer in Rom vergangene Woche behandelte, war mehr als ein bloßes Manöver der Mitte-Links-Opposition. „Es geht um nicht weniger als Italiens Glaubwürdigkeit in der Welt“, argumentierten PD, Movimento 5 Stelle und Co.
Der Stein des Anstoßes: Die Regierung Meloni weigerte sich, den libyschen General Osama Almasri an den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) auszuliefern – trotz internationalen Haftbefehls wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Justizminister Nordio verteidigte die umstrittene Entscheidung mit einer Inbrunst, als ginge es um ein theologisches Dogma. Für die Opposition war der Fall jedoch ein klarer Rechtsbruch – und Anlass genug, Nordio per Misstrauensantrag aus dem Amt zu drängen.

Die SVP jedoch – sonst in Rom für ihren „blockfreien“ Kurs bekannt – stellte sich demonstrativ hinter den Minister. Die drei Kammerabgeordneten Renate Gebhard, Dieter Steger und Manfred Schullian stimmten geschlossen gegen den Antrag – und damit für Nordios Verbleib im Amt. Fraktionschefin Gebhard erklärt gegenüber der Tageszeitung: „Auch wenn wir die Vorgangsweise im Fall Almasri nicht teilen, sind wir der Meinung, dass Minister Nordio grundsätzlich gute Arbeit leistet. Dieser Misstrauensantrag war ein Versuch der Opposition zu verhindern, dass der Minister die Justizreform weiterbringt, die wir aber als zielführend und notwendig erachten.“

Dass die SVP den Justizminister bedingungslos stützt, ist eine politische Zäsur. In der vergangenen Dekade enthielt sie sich bei Misstrauensanträgen oft der Stimme oder stimmte – wie im Fall Salvini – teils sogar dafür. Doch diesmal verteidigten Gebhard & Co. den Minister. Warum? Die Antwort liegt in Nordios Prestigeprojekt, der Justizreform, die auch der SVP nutzt. Besonders die Abschaffung des Amtsmissbrauchs und die Einschränkung von Telefonüberwachungen stoßen in den Reihen der Edelweißpartei auf Wohlwollen.

Doch nicht alle in der Partei tragen diesen Kurs mit. Julia Unterberger, Vorsitzende der Autonomiegruppe im Senat, hätte sich enthalten oder gar für den Antrag gestimmt, wäre auch im Palazzo Madama darüber abgestimmt worden. Sie kritisiert Nordios widersprüchliche Aussagen in der Almasri-Affäre scharf: „Mich interessiert nicht, ob Almasri seine Verbrechen 2011 oder 2015 begangen hat. Mich interessiert, dass ein Peiniger, der ein Kind vergewaltigt hat, dank Italien straffrei bleibt.“
Nordios Reformen entfalten längst Wirkung – auch in Südtirol. Am 9. August 2024 unterzeichnete Präsident Sergio Mattarella das Gesetz, das den Amtsmissbrauch de facto entkriminalisiert. Die Folge: Die Ermittlungen gegen den Bozner Ex-Vizebürgermeister und nunmehrigen Agrarlandesrat Luis Walcher sowie gegen den Leiferer Bürgermeister Giovanni Seppi im Hager-Benko-Skandal wurden eingestellt – weil das Delikt, wegen dem sie im Visier der Justiz standen, nicht mehr existiert.

Noch weitreichender ist das neue Abhörverbot. Der „Freunde-im-Edelweiß“-Skandal hatte vor drei Jahren ein politisches Erdbeben in der SVP ausgelöst. Der Rücktritt von Landesrat Thomas Widmann war die Folge – basierend auf abgehörten Gesprächen, in denen hochrangige SVP-Politiker abfällig über Landeshauptmann Arno Kompatscher sprachen. Künftig wären solche Enthüllungen kaum noch möglich: Die Bozner Anwaltskanzlei Fava hat der Tageszeitung kürzlich eine Abmahnung geschickt und die Veröffentlichung geheimer Abhörprotokolle aus den „Romeo“-Ermittlungen untersagt.

Die Absender? Keine Geringeren als SVP-Landesrat Philipp Achammer, SVP-Landesrätin Magdalena Amhof und Ex-SVP-Landessekretär Stefan Premstaller. Ihre Begründung: Es gehe um den Schutz ihrer Privatsphäre. Eine Veröffentlichung der Gespräche sei nach Nordios Reformen strafbar. Doch warum dann die Nervosität? Was sollen die Südtiroler nicht erfahren? Welche brisanten Details stecken in den geheimen Akten?

„Nachdem wir teilweise über Jahre zur Gänze abgehört wurden, wollen wir unsere Privatsphäre schützen“, argumentierte Philipp Achammer. Und Magdalena Amhof ergänzte: „Ich wollte mich nur frühzeitig schützen.“

Nordios Justizreform zeigt Wirkung. Ermittlungen werden eingestellt, Skandale versanden, Abhörungen sind tabu. Die Opposition versuchte, den Minister mit einem Misstrauensantrag zu stoppen – doch die SVP hält demonstrativ an ihm fest. Kein Wunder: Ein Heiliger, der so viele Sünden tilgt, ist für die Partei einfach zu wertvoll.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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