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Der Fall Daniela

An der FOS Auer wurde eine beeinträchtigte Schülerin von einer Klassenfahrt ausgeschlossen. Wie inklusiv sind Südtirols Oberschulen tatsächlich?

von Sandra Fresenius

Südtirol wird weit über die Landesgrenzen hinweg immer wieder als Vorzeigemodell für ein inklusives Schulsystem genannt. Zahlreiche Delegationen aus dem Ausland haben daher bereits den Schulen des Landes einen Besuch abgestattet, um sich vor Ort ein Bild zu machen und sich Anregungen für ein gelungenes Miteinander von Schülern mit und ohne Beeinträchtigung im Schulalltag zu holen. Doch nun wirft ein Fall an der Fachoberschule für Landwirtschaft in Auer einige Fragen ob des viel gepriesenen Vorzeigemodells Südtiroler Schule auf.

Unsere Tochter wurde von der Teilnahme an einer Klassenfahrt ausgeschlossen. In der Oberschule ist Inklusion nur ein schönes Wort auf dem Papier“, sagt Sonja Bacher, Präsidentin des Vereins „Il Sorriso – Das Lächeln“, deren Tochter Daniela die vierte Klasse der Fachoberschule in Auer besucht. Ende Oktober vergangenen Jahres sei ihr über das digitale Register der Schule das Programm der Klassenfahrt Mitte November nach Wien mitgeteilt worden. Gleichzeitig aber wäre aus der Nachricht hervorgegangen, dass sämtliche Eltern von Danielas Mitschülern bereits den aufgeführten fälligen Betrag eingezahlt hatten. Bacher selbst wusste zu diesem Zeitpunkt nicht einmal, dass eine Klassenfahrt stattfindet und hätte auf die Nachricht im Register die zuständige Mitarbeiterin für Integration kontaktiert. Diese hätte zunächst mit Ausflüchten reagiert – die Reise nach Wien sei zu anstrengend für das Mädchen mit Trisomie 21 schlussendlich aber eingestanden, dass sie als Lehrkraft für die Klassenfahrt nicht zur Verfügung stünde, da sie sich um ihre pflegebedürftige Mutter kümmern müsste. Bacher hätte sich daher gegenüber den die Klasse begleitenden Lehrkräften und dem Direktor der FOS Auer, Christian Gallmetzer, selbst als Begleitperson angeboten, damit Daniela dennoch an der Fahrt nach Wien teilnehmen kann. Für Organisation und Reisekosten sei wäre sie selbst aufgekommen, berichtet die Mutter: Die Schule hat diesen Vorschlag vehement abgelehnt. Es hat geheißen, dass dies aufgrund der Versicherung nicht so einfach sei. Daran konnte auch die Kontaktaufnahme mit Bildungslandesrat Philipp Achammer sowie Schulinspektorund Leiter des Referats Inklusion Hansjörg Unterfraunernichts mehr ändern. Dabei sei sie selbst bereits einmal auf einen dreitägigen Skiausflug als Begleitung für ihre Tochtermitgefahren und wüsste auch von anderen Schulen, die Eltern als Begleitpersonen zugelassen hätten, reagiert Bacher mit Unverständnis.

Aber damit noch nicht genug. Danielas Klassenlehrererwähnte im Zusammenhang mit dem Ausschluss von der Klassenfahrt, dass ihm das Mädchen zwar vom Schulflur bekannt sei, sie aber noch nie in seiner Klasse gewesen wäre. Diese Aussage machte Sonja Bacher hellhörig. Tatsächlich sei es so gewesen, dass ihre Tochter bereits im vorigen Schuljahr nie bei einem Ausflug teilnehmen durfte. „Das ist an dieser Schule gang und gäbe“, so Bacher. Ähnliches würden auchandere Eltern der Schule berichten. Während die Mitschüler sich gemeinsam beim Schulausflug vergnügten, seien Kinder mit Beeinträchtigung in die Ausweichräume geschickt worden. „Man kann fast von Sonderschule sprechen, wie es sie vor über 40 Jahren gegeben hat. Diese Kinder sind abgeschieden von der Klasse“, zeigt sich Danielas Mutter entrüstet. Da die Eltern in der Oberschule längst nicht mehr so stark untereinander vernetzt sind wie noch in der Grund- oder auch Mittelschule, sei man vor allem auf Informationen der Mitarbeiter für Integration und eine gute Zusammenarbeit angewiesen.

Daniela würde noch heute jeden Tag fragen, warum sie nicht nach Wien mitfahren durfte. „Natürlich bekommt Daniela das mit. Sie hat zwar eine Beeinträchtigung, aber das heißt ja nicht, dass sie blöd ist. Sie ist total unkompliziert und es ist daher auch gar kein Problem, sie bei Ausflügen und Klassenfahrten mitzunehmen“, betont Bacher. Darüber hinaus hätte die Teilnahme des Mädchens auch positive Auswirkungen auf die

Sozialkompetenz ihrer Mitschüler. Der Auftrag der Inklusion bliebe unerfüllt, wenn Kinder mit Beeinträchtigung nicht genauso zur Klassengemeinschaft dazu gehören wie alle anderen Kinder, äußert sich Bacher tief enttäuscht. „Es gibt Gesetze und diese Kinder haben das Recht an Schulausflügen teilzunehmen und die ganze Schulzeit an der Schule zu verbringen, das heißt für sie gilt genauso die Schulpflicht wiefür alle anderen“, betont Danielas Mutter. Denn nicht nur von Ausflügen und Klassenfahrten werden Schüler mit Beeinträchtigung ausgeschlossen, sondern aufgrund des Mangels an Stunden für Integrationsmitarbeiter, käme es daneben ebenso zu Stundenplankürzungen und Inklusionskinder würden früher nach Hause geschickt. Der Personalmangel sei ihr zwar bekannt, die Antwort desSchuldirektors hätte sie dennoch entsetzt: „Herr Gallmetzerhat vorgeschlagen, dass Daniela länger bleiben kann – allerdings unbeaufsichtigt in einer Ecke des Klassenraums.Ansonsten könnten wir gerne eine andere Schule für unsere Tochter suchen.“ Direktor Gallmetzer war auf Nachfrage der Tageszeitung zu keiner Stellungnahme bereit.

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