Die unsichtbare Gefahr

Felix von Wohlgemuth
Der Schadstoff PCB gilt seit den 80er-Jahren in Italien als verboten, trotzdem er ist noch in vielen älteren Gebäuden enthalten. Während es in Deutschland zu umfassenden Sanierungen kommt, herrscht in Italien Windstille. Nun ergreift die Gemeinde Eppan die Initiative.
von Christian Frank
Das dreckige Dutzend nannte das Stockholmer Übereinkommen von 2001 zwölf organische Giftstoffe, welche weltweit verboten wurden. Bei einem Großteil davon handelt es sich um Insektizide, doch darunter tummelt sich auch ein ominöses Akronym namens PCB (Polychlorierte Biphenyle) – eine stabile, hitzebeständige und nicht brennbare Chemikalie, die aufgrund dieser Eigenschaften als ideales Material für eine Vielzahl von Anwendungen galt.
Besonders im Bauwesen wurde PCB als Weichmacher in Dichtungsmassen, Farben, Lacken, Fugendichtungen, Isoliermaterialien und sogar in Leuchtstofflampen eingesetzt. Auch in elektrischen Geräten wie Transformatoren und Kondensatoren, welche in Gebäuden eingebaut wurden, kamen sie zur Verwendung. Während der umtriebigen Bautätigkeit der 60er- bis 80er-Jahre in Europa wurde dabei oft und gerne zu PCB gegriffen, auch in Südtirol. Wohnhäuser, Schulen, Verwaltungsgebäude – die Liste der Bauunterfangen mit PCB ist lang.
Allmählich kristallisierte sich jedoch heraus, dass den technischen Vorzügen des haltbaren Materials auch ein immenses Gesundheitsrisiko gegenübersteht. PCB ist nachweislich krebserregend und soll Immunsystem, Nervensystem und Fertilität schädigen. Je länger man dem Stoff ausgesetzt ist, desto schlimmer. In Italien ist PCB deshalb seit 1983 verboten, doch bis dahin waren bereits zahlreiche Gebäude mit dem verpönten Stoff angereichert.
Während in Deutschland in den letzten Jahrzehnten eine massive Aufarbeitung im Gange ist und es wiederholt zu Schließungen von Schulen aufgrund erhöhter PCB-Konzentrationen kam, herrscht in Italien Windstille.
„Die Analyse von PCB ist nicht in den Vorgaben zur Luftanalyse vorgesehen“, schildert der Direktor des Landesamtes für Luftanalysen, Luca Verdi. Auch Giulio Angelucci, Direktor des Landesamtes für Abfallwirtschaft, bestätigt, dass ihm bis dato keine Untersuchungen auf PCB in Südtirol bekannt seien, fügt aber hinzu: „Es ist aber ein sehr aktuelles Problem.“
Verdi relativiert die Notwendigkeit und spricht von einem mangelnden Anlass: „Es handelt sich nicht um einen Schadstoff, der in den EU-Normen vorgesehen ist zu monitorieren. Eine solche Analyse gehört zurzeit nicht zur Standardaktivität des Landes, somit führen wir sie auch nicht durch. Sollten spezielle Fälle auftreten, werden wir sicherlich bei Bedarf aktiv werden, doch eine solche Messmethode kann auch nicht von heute auf morgen aus dem Boden gestampft werden.“
Verdi habe bereits in Rom nachgefragt und dabei habe sich ergeben, dass italienweit kaum Bemühungen zur PCB-Analyse unternommen werden, da schlichtweg kein ausreichender Grund zur Sorge herrsche.
Der Gemeinderat aus Eppan, Felix von Wohlgemuth, äugte jedoch auf die zahlreichen Schulschließungen und umfangreichen Sanierungen im deutschen Raum und wollte sich nicht mit dieser Rechtfertigung zufriedengeben. Zusammen mit seiner Liste Pro Eppan preschte er letzthin mit einem in Südtirol noch nie dagewesenen Beschlussantrag im Gemeinderat voran und reüssierte.
Der Eppaner Gemeinderat beschloss demnach, öffentliche Gebäude, insbesondere Schulen, auf gefährliche PCB-Belastungen zu untersuchen. Dabei wurde das zuständige Amt der Autonomen Provinz Bozen offiziell aufgefordert, die Problematik stärker zu beachten und aktive Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung umzusetzen. Des Weiteren wurde bereits eine PCB-Luftmessung an den Grundschulen Girlan und St. Pauls sowie an der Mittelschule St. Michael in Aussicht gestellt – eine Messung, für die man jenseits der Landesgrenzen blicken musste.
„Man findet niemanden, der hierzulande solche Messungen durchführt. Deshalb mussten wir Kostenvoranschläge von spezialisierten Labors aus Deutschland einholen“, rekapituliert von Wohlgemuth. Die Kosten dafür sollen sich auf rund 15.000 Euro belaufen.
Nun gilt es laut dem Eppaner Gemeinderat, die erforderlichen finanziellen Mittel bereitzustellen und die Untersuchungen so schnell wie möglich durchzuführen.
„Mit diesem Schritt würde Eppan eine Vorreiterrolle in Südtirol einnehmen und ein deutliches Zeichen für proaktiven Gesundheitsschutz und verantwortungsvolle Gemeindepolitik setzen“, so von Wohlgemuth.
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