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Der Maulkorb

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Aufregung um die Par Condicio: Durch ein neues Gutachten wird den Gemeindeblättern de facto die Berichterstattung zu den Gemeinderatswahlen verboten.

von Markus Rufin

Die Par Condicio ist ein Pressegesetz, das allen Parteien in der Vorwahlzeit einen gleichberechtigten Zugang zu Medien gewähren soll. Das Gesetz steht allerdings schon seit längerem in der Kritik, weil es mit zweierlei Maß angewandt wird. Während private Medienblätter, Rundfunkhäuser und Werbeanstalten sowie vor allem auf Social Media trotz des Gesetzes fast alles erlaubt ist, müssen sich öffentliche Institutionen wie staatliche Rundfunkhäuser oder Presseämter peinlichst genau daranhalten. So schreibt das Gesetz unter anderem vor, dass in der Vorwahlzeit die Namen der Kandidaten nicht genannt werden dürfen.

Rund um die Par Condicio gibt es nun aber enorme Aufregung. Denn einem neuen Gutachten der staatlichen Aufsichtsbehörde AGCOM zufolge fallen auch die Gemeindeblätter unter die sogenannten „Formen institutioneller Kommunikation“.

Bisher berichteten Gemeindeblätter vielfach völlig normal über Wahlen. Diverse Blätter boten den Parteien Platz für Pressemitteilungen oder Kandidatenvorstellungen, achteten dabei aber stets darauf, dass alle Parteien gleich viel Platz erhielten.

Gemäß dem neuen Gutachten ist aber jede Form der Wahlwerbung untersagt. Der Gemeindenverband verschickte vor rund einem Monat ein Rundschreiben, in dem auf das Gutachten hingewiesen wurde: „Darin wird zusammenfassend mitgeteilt, dass die genannten Mitteilungsblätter und/oder Zeitschriften während des Wahlzeitraums oder sogar in der ,Zeit davor‘ keine ,Wahlbotschaften, aus welchen Gründen auch immer (unentgeltlich und /oder gegen Entgelt)‘, oder ,andere Formen der Werbung‘ oder ,Wahlpropaganda‘ veröffentlichen dürfen.“

Andreas Schatzer, Präsident des Gemeindenverbandes, hält die strenge Auslegung für wenig sinnvoll: „Die Bestimmung sagt, dass die Gemeinde nur mehr das kommunizieren darf, was für die Erfüllung des Amtes notwendig ist. Über die Einweihung eines Kindergartens oder eine Bürgerversammlung darf also nicht berichtet werden.“ Auch auf eine Rückschau auf die Tätigkeit der vergangenen Monate muss ein Gemeindeblatt dementsprechend verzichten.

Während Gemeinderatskandidaten in privaten Medien oder in den sozialen Medien bis kurz vor den Wahlen Werbung für sich machen dürfen und regulär genannt werden, müssen Gemeindeblätter auf jegliche Nennung und Abbildung von Gemeinderatskandidaten verzichten – egal ob es sich um Werbeanzeigen, Pressemitteilungen der Parteien oder Aktivitäten der Kandidaten bei Vereinen handelt.

Für einige Gemeindeblätter hat das auch finanzielle Einbußen zufolge. Sie verdienten durch Werbeanzeigen teilweise gutes Geld. Nun ist es aber untersagt.

Vor allem wegen den sozialen Medien hält es Schatzer für notwendig, die Bestimmungen zu überdenken: „Als Privatperson kann ich tun und kommunizieren, was ich will. Es stellt sich die Frage, welche Sinnhaftigkeit in Anbetracht der sozialen Medien eine solche Gesetzgebung hat. Seit 2000, seitdem dieses Gesetz gilt, hat sich die Gesellschaft und die Welt nämlich wesentlich verändert.“

Völlig ad absurdum geführt wird die Par Condicio durch eine weitere Änderung, die die Region zu verantworten hat. Diese hat nämlich im vergangenen Jahr den Kodex der öffentlichen Körperschaften abgeändert und dadurch die Frist für die Par Condicio vorverlegt.

Während das Gesetz zuvor erst 45 Tage vor der Wahl griff – für heuer wäre der Stichtag der 20. März gewesen – gilt es heuer 59 Tage vor der Wahl, sprich seit dem 6. März. Dabei ist die Frist für die Hinterlegung der Kandidatenlisten der 18. März.

Durch die peinlichst genaue Auslegung des Gesetzes führt das zu völlig absurden Situationen. So dürfen Gemeindeblätter noch nicht einmal die Kandidatenlisten aller Parteien veröffentlichen. Dies zählt nach Ansicht der Aufsichtsbehörde nämlich nicht zu den Aufgaben einer „institutionellen Kommunikation“.

Für die Gemeindeblätter ist die neue Auslegung der Par Condicio de facto ein Verbot der Berichterstattung über die Gemeinderatswahlen – egal in welcher Form.

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