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„Ich könnte mich watschn“

Foto: 123rf

Vom Crash der Firma Global Group Consulting sind auch mehrere hundert Südtiroler betroffen. In der TAGESZEITUNG erzählt eine Frau, wie sie 150.000 Euro in den Sand gesetzt hat.

von Artur Oberhofer

Wenn sie könnte … „Ja, wenn ich könnte, würde ich meinen Bekannten, die mich zu dieser Investition überredet haben, die Gurgel umdrehen.“ Und sie selbst? „Ich könnte mich watschn“.

Lisa Mayr (Name geändert, Anm. d. R.) sitzt in einem Brixner Café und erzählt die Geschichte einer Frau, 63 Jahre, alt, die die stolze Summe von 150.000 Euro in den Sand gesetzt hat.

Alles beginnt im Sommer 2022.

Lisa Mayr verkauft im Jahr 2021 eine Immobilie. Ein kleines Büro. Die knapp 200.000 Euro, die sie aus dem Büro-verkauf lukriert hat, lässt die Frau zunächst in ihrer Bank liegen – und bekommt dafür rund 1000 Euro Zinsen im Jahr. „Ich habe praktisch nichts bekommen“, resümiert die Frau aus dem Eisacktal.

Just in der Zeit, als sich Lisa Mayr überlegt, ihr Geld besser bzw. gewinnbringender anzulegen, erfährt sie von guten Bekannten, dass diese ein wundersames Instrument der Geldvermehrung entdeckt hätten.

Lisa Mayr erzählt:

„Diese Bekannten, ein Pärchen, erzählten mir, dass sie 200.000 Euro angelegt hätten und 4 Prozent Zinsen bekommen würden, im Monat, wohlgemerkt. Ich habe zu meinen Bekannten gesagt, sie sollten jemand anderen auf den Arm nehmen, 4 Prozent Zinsen in Monat … das könne nur ein Betrug sein. Doch sie schwörten, sie seien seit fast zwei Jahren dabei und kassierten die Zinsen jeden Monat, immer ganz pünktlich am 16. eines jeden Monats. Sie sagten, sie hätten schon fast das ganze Kapital wieder herausgeholt. Auf meine Frage, wie das denn möglich sei, sagten sie: Die Finanzberater der Global Group Consulting seien Vollprofis, sie investierten das Geld in Aktien von Pharma-Unternehmen und in Gold. Meine Bekannten behaupteten, das System sein bombensicher. Sie schlugen mir vor, ich solle mich mal mit einem Vertreter dieser Firma treffen, der würde mir das Ganze erklären.“ 

Tatsächlich kommt es dann im Juli 2022 im Hotel Sheraton in Bozen zu einem Treffen zwischen Lisa Mayr, ihren Bekannten und dem Global Group Consulting-Vertreter Walter P. aus Desenzano am Gardasee.

Der Vertreter Walter P. habe, erzählt Lisa Mayr, sehr seriös und kompetent gewirkt. Tatsache ist, dass sich die Frau aus dem Eisacktal anwerben lässt. Sie überweist der Global Group Consulting 135.000 Euro auf ein Bankkonto. In ihrer eigenen Bank habe niemand Fragen gestellt. Weitere 15.000 Euro übergibt die Frau dem Vertreter Walter P. in bar.

Es kommt dann tatsächlich so, wie ihre Bekannten prophezeit hatten.

Lisa Mayr bekommt Monat für Monat die Zinsen überwiesen: 6.000 Euro im Monat.

Sie freut sich: In wenigen Jahren würde sie in Pension gehen, mit den monatlichen Zinserträgen könne sie sich (fast) alles leisten, träumt sie.

In den darauffolgenden Monaten tut Lisa Mayr dann etwas, was sie jetzt im Nachhinein fürchterlich bereut: In ihrem Geldrausch überredet Lisa Mayr ihren Ex-Mann, einen Sohn und Freunde, Geld in die Global Group Consulting zu investieren. Der Sohn steckt „nur“ 10.000 Euro rein, mit der Aussicht, Monat für Monate 400 Euro an Zinsen zu kassieren. Ein Freund von Lisa Mayr, der 40.000 Euro in einem Bankschließfach als eiserne Reserve liegen hat, investiert diesen Betrag.

Lisa Mayr wähnt sich endlich auf der Sonnenseite des Lebens, sie urlaubt. Weil sie bei der Global Group Consulting nun auch die Premium-Mitgliedschaft gemacht hat – dazu müssen die Mitglieder mindestens 100.000 Euro investiert haben und einen außerordentlichen jährlichen Mitgliedsbeitrag von 5.000 Euro zahlen –, kassiert sie auch noch sogenannte Brites im Gegenwert von 2.000 Euro pro Monat.

Das Punktesystem mit den Brites funktioniert ähnlich wie Kryptowährungen.

Mit diesen Brites kann man urlauben, Mieten bezahlen usw. Die Reisen zahlt man selbst, der Gegenwert, die Brites, werden auf dem Kapitalkonto gutgeschrieben.

Lisa Mayrs vermeintliche Glückssträhne endet abrupt im April vergangenen Jahres, als die Zinsausschüttungen plötzlich ausbleiben. Zuerst erkundigt sich die Frau aus dem Eisacktal bei ihrem Vertreter-Freund Walter P. Der sagt, es sei alles in Ordnung, sie solle etwas Geduld haben.

Doch die Zahlungen bleiben aus.

Irgendwann geht auch der Vertreter nicht mehr ans Telefon. E-Mails an die Global Group Consulting bleiben unbeantwortet, die Fixtelefone stumm. Das Büro der Global Group in Pergine ist geschlossen und verwaist.

Im Herbst 2024 bekommt Lisa Mayr schließlich zur Antwort, die Global Group ändere das System und ziehe in die Schweiz um.

Im Februar dieses Jahres, nachdem die Anleger immer nur vertröstet wurden, heißt es dann plötzlich, die Global Group Consulting werde die Zahlungen wieder aufnehmen, nur: Der Zinssatz betrage dann nicht mehr 4 Prozent im Monat, sondern „nur“ mehr 2,2 Prozent.

Lisa Mayr denkt sich: „Passt, Hauptsache, die Zinsen fließen wieder.“ Und sie unterschreibt eine entsprechende Einverständniserklärung auf der Homepage der Global Group Consulting.

Was Lisa Mayr zu dem Zeitpunkt nicht ahnt: Ein Mailänder Urlauberpaar, das auf den Skipisten in Gröden von einem Vertreter der Global Group Consulting angesprochen und zu einem Gala-Event der Gruppe eingeladen wird, wittert den Betrug – und erstattet Anzeige bei der Finanzwache.

Inzwischen sitzen vier Global-„Berater“ im Gefängnis oder im Hausarrest, und der Chef dieses Pyramidensystems, der Mailänder Samuel Gatto, ist mit seiner Familie abgehauen.

Höchstwahrscheinlich nach Dubai.

Die Südtiroler Betroffenen haben sich inzwischen in einer WhatsApp-Gruppe organisiert, anfangs waren 150 Geschädigte mit dabei, jetzt sind es noch 100.

Krass: Unter den Mitgliedern der WhatsApp-Gruppe befinden sich auch leitende Bankangestellte, Hoteliers und Kaufleute, nicht wenige von ihnen haben, weiß Lisa Mayr, Schwarzgeld auf die Konten der Global Group Consulting gespült.

Auch an der Info-Versammlung am vergangenen Montag im Kolping-Haus in Bozen, haben sich viele Geschädigte nicht blicken lassen. Aus Scham.

So wie viele andere Betrugsopfer erstattet nun auch Lisa Mayr Anzeige über einen der drei Anwälte, die in dieser Causa aktiv geworden sind: Federico Fava, Christian Untermarzoner und Miki Eritale.

Weil es im Strafrecht keine Sammelklage gibt, muss jede/r Betroffene selbst Anzeige erstatten, das kostet Lisa Mayr & Co. einen runden Tausender und ein Erfolgshonorar, das in den meisten Fällen 10 Prozent betragen dürfte.

Bei Lisa Mayr ist die Ernüchterung groß: „Ich habe unterm Strich 100.000 Euro verloren, das tut weh.“ Jetzt hofft die Frau, zumindest einen Teil des so schlecht investierten Geldes zurückzubekommen. 80 Millionen Euro soll die Global Group Consulting von rund 5.000 Anlegern in Italien eingesammelt haben, 23 Millionen Euro und Gold im Gegenwert von 800.000 Euro hat die Finanzpolizei beschlagnahmen können. Die Anwälte machen den Betroffenen Hoffnung, dass sie einen Teil des Geldes zurückbekommen. Von den 5.000 Geschädigten dürften 2.000 ihr Kapital bereits wieder zurückbekommen haben, andere Anleger dürften, weil sie keinen Ärger mit der Finanzpolizei wegen des investierten Schwarzgeldes und der nicht ordnungsgemäß abgeführten Steuern haben wollen, auf einen Gang zu Gericht verzichten. „Auch wenn es am Ende nur ein paar Tausender sind, die ich zurückbekomme“, sagt Lisa Mayr, „alles ist besser als gar nichts.“

Der Verlust des Geldes sei schlimm. „Noch schwerer wiegt allerdings das schlechte Gewissen“, sagt die Frau, „dass ich liebe Menschen in diese Sache mit hineingezogen habe.“

 

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