Du befindest dich hier: Home » News » Der AfD-Sven

Der AfD-Sven


Rechte Parolen, Trumpsche Fake News und ein magischer Algorithmus: Wie es der Provinzpolitiker Sven Knoll geschafft hat, mit einem YouTube-Video in Deutschland viral zu gehen.

von Matthias Kofler

Was normalerweise ein Nischenthema für ein überschaubares Südtiroler Polit-Publikum wäre, hat plötzlich eine gigantische Reichweite: 160.000 Aufrufe für eine Landtagsrede in zwei Tagen – eine Zahl, die sonst nur Popstars oder Skandale erreichen. Doch es geht nicht um Musik oder Klatsch, sondern um eine Forderung, die für Aufsehen sorgt: die Abschaffung des Menschenrechts auf Asyl.
Sven Knoll, Landtagsabgeordneter der Süd-Tiroler Freiheit, forderte vergangene Woche im Landtag einen europaweiten „Asylstopp“ – ein Begehrensantrag, der zwar keine Mehrheit fand, aber dennoch für eine hitzige Debatte sorgte. Während die Diskussion in Südtirol bald wieder abebbte, nahm das Video seiner Rede auf Social Media eine überraschende Wendung: Hunderttausende Klicks, unzählige Kommentare – und eine Zuschauerschaft, die kaum aus Südtirol, sondern fast ausschließlich aus Deutschland stammt. Besonders AfD-Anhänger likten und teilten den Redebeitrag eifrig.

Ein kleiner Auszug aus den Kommentaren: „So klare Worte würde ich mir von deutschen Politikern wünschen“, „Dieser Mann ist super, solche bräuchten wir an der Regierung – zusammen mit der AfD“, „Tapfer und aufrecht bleiben!!!“ (mit drei AfD-blauen Herzchen). Der Titel des Videos – „Kriminelle Ausländer wichtiger als Einheimische?! – Sven Knoll im Landtag“ – verstärkt die provokative Wirkung.

Dass ein Provinzpolitiker aus Südtirol in Deutschland viral geht, ist kein Zufall. Rechte Netzwerke pushen gezielt Inhalte, die ihrer Agenda entsprechen – indem sie Videos massenhaft liken, teilen und kommentieren. Der Algorithmus erkennt die steigende Interaktion und verbreitet das Video weiter. So wurde Knolls Rede zum gefragten Stoff für die rechte Blase – weit über Südtirol hinaus.

Die Mechanik hinter dem viralen Erfolg?

Knolls Rede traf in Deutschland auf den perfekten politischen Nährboden. Die AfD und andere rechte Gruppen suchen gezielt nach Videos, die ihre Narrative stützen – Knolls provokante Aussagen lieferten dafür die ideale Vorlage. Sobald die ersten deutschen Nutzer das Video likten, schlug der Algorithmus es weiteren Deutschen vor. Knolls andere Videos erreichen oft nur ein paar Tausend Klicks – dieser Erfolg zeigt, wie politisierte Netzwerke und Algorithmen eine regionale Debatte in ein deutsches Polit-Phänomen verwandeln können.

Der Mechanismus dahinter folgt einer klaren Logik: Plattformen wie YouTube, Facebook und X arbeiten mit einem Engagement-basierten Algorithmus – Interaktion zählt mehr als bloße Klicks. Wird ein Video besonders oft geliked, kommentiert und geteilt, erkennt der Algorithmus: „Das Video ist relevant und sorgt für Diskussionen.“ Rechte Netzwerke pushen gezielt Inhalte, die ihre politische Agenda stützen – ein einziger (bekannter) Influencer kann damit Millionen erreichen. YouTube belohnt außerdem eine lange Watchtime: Wenn Knolls Rede provokant genug ist, bleiben die Zuschauer dran – YouTube stuft das Video als relevant ein und schlägt es weiteren Nutzern vor.

Dass Knoll in Deutschland auf offene Ohren stößt, liegt nicht nur an der Algorithmen-Logik – sondern auch an der politischen Großwetterlage. Die AfD hat Rückenwind, die Migrationsthematik emotionalisiert die Wählerschaft – Knoll bedient genau diese Stimmung. Dabei geht es ihm weniger um Lösungen als um die Wirkung.

Knoll behauptet, es gebe einen Unterschied zwischen Flucht und Asyl – eine Nebelkerze. Flüchtlinge fliehen vor Krieg, Gewalt oder Verfolgung und können nicht zurückkehren. AsylbewerberInnen suchen Schutz, deren Antrag aber noch nicht entschieden ist. Doch Knoll geht es nicht um die korrekte Terminologie – es geht um Stimmungsmache. Fake News haben Donald Trump den Wiedereinzug ins Weiße Haus gesichert. Der STF-Kopf hätte auf die Probleme bei der Asylabwicklung eingehen können – etwa darauf, dass in Deutschland nur ein Zehntel der Ausreisepflichtigen tatsächlich abgeschoben wird, weil die Verfahren zu komplex sind und Herkunftsländer oft nicht kooperieren. Doch an Lösungen scheint Knoll nicht interessiert – der populistische Effekt reicht ihm. Und den hat er erreicht, unabhängig davon, dass der Landtag ein Menschenrecht nicht abschaffen kann.

Dass die Video-Botschaft auf fruchtbaren Boden fällt, zeigt ein Kommentar auf dem Facebook-Profil der Grünen Brigitte Foppa. Ein User schreibt dort: „Gehen Sie mal nachts alleine durch Bozen, ich suche mir die Straße aus und schaue es mir aus der Ferne an.“ Dass es in Bozen hochgefährlich sei, hätten ihm Bekannte berichtet, die in Bozen leben. Foppa kontert trocken: „Gerne, bitte sagen, wo ich gehen soll!“

Knoll hat den Nerv der rechten Szene getroffen – und die reagiert. Ein Provinzpolitiker aus Südtirol als Held der deutschen Rechten: Ein Algorithmus hat gereicht, um die Botschaft in die Welt zu tragen.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (48)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

Du musst dich EINLOGGEN um die Kommentare zu lesen.

2025 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen