Lobeshymnen & Giftpfeile
Die SVP hält in Meran ihre 67. Landesversammlung ab. Harald Stauder eröffnet die Veranstaltung mit einer Kampfansage.
Aus Meran berichtet Matthias Kofler
+++ 16:10 Uhr +++
Mit einigen Minuten Verspätung ziehen die Landeshauptleute Arno Kompatscher, Anton Mattle und Maurizio Fugatti, begleitet von der SVP-Blasmusikkapelle, in den Meraner Kursaal ein.
Bis auf Hubert Messner stimmen alle Spitzenpolitiker lautstark in die Südtirol-Hymne ein.
Am lautesten – wenig überraschend – singt Landesrat Luis Walcher.
SVP-Sekretär Harald Stauder eröffnet die Versammlung mit einer Kampfansage: Man könne sich warm anziehen, „weil wir noch einigen den Marsch blasen werden.“
Hier geht es zu einem VIDEO.
+++ 16:35 Uhr +++
Die beiden Formalien auf der Tagesordnung werden zügig abgehandelt:
Die Namensänderung der ArbeitnehmerInnen in Soziale Mitte wird mit nur einer Enthaltung bestätigt.
Die vorübergehende Aussetzung der Mandatsbeschränkung für Bürgermeister und Referenten passiert mit sieben Enthaltungen.
+++ 16:50 Uhr +++
Die Versammlung wird von EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann geleitet. Sein Ziel für die Gemeindewahlen: die Zahl der Bürgermeister im Land – gut 100 – zu halten und vielleicht noch den einen oder anderen dazuzugewinnen.
„Gemeinsam schaffen wir die besten Lösungen“, heißt es im Werbevideo, das im Kursaal abgespielt wird – die Anwesenden klatschen höflich.
+++ 16:55 Uhr +++
Obmann Dieter Steger zeichnet in seiner Rede ein dramatisches Bild der aktuellen Weltlage: Die Welt verändere sich in atemberaubendem Tempo, es gebe tektonische Verschiebungen, die uns oft machtlos erscheinen ließen – „doch wir sind nicht machtlos“, stellt Steger klar.
Der Krieg in der Ukraine bedrohe das friedliche Zusammenleben in Europa. „Wir dürfen nicht schweigen“, mahnt der Obmann.
Südtirol stehe solidarisch an der Seite der Ukraine, die mit großem Mut gegen den Aggressor Russland kämpfe – ein Kampf für Werte, die uns allen heilig seien: Freiheit, Demokratie und Menschenwürde.
Besorgt blickt Steger auch über den Atlantik: „Eine der ältesten Demokratien im Westen steht am Scheideweg.“
Mit deutlichen Worten kritisiert er, dass ein Mann auf der politischen Bühne stehe, der das Fundament der transatlantischen Partnerschaft aufs Spiel setze. „Wir stehen ein für ein Europa, das geeint auftritt – und für ein Südtirol, das sich aktiv zu diesen Werten bekennt“, betont der Obmann.
+++ 17:02 Uhr +++
Steger positioniert die SVP als „Bollwerk gegen Extreme“ und als „Stimme der Mitte“. Das bedeute jedoch nicht, Konflikten aus dem Weg zu gehen – im Gegenteil: „Wir müssen Klartext reden“, fordert der Obmann. Die Aufgabe der Partei sei es, Lösungen zu finden und wieder den Ton anzugeben – auch wenn es intern mal hitzig werde. „Wir alle müssen gemeinsame Positionen zu den Themen erarbeiten, die die Südtiroler bewegen“, mahnt Steger. Die Partei müsse an Kontur gewinnen – vor allem bei den Themen Sicherheit und Migration.
„Klare Regeln statt Chaos“ sei die Devise, erklärt Steger.
Die SVP stehe klar zum Asylrecht, gleichzeitig brauche es aber eine gesteuerte und qualifizierte Arbeitsmigration. „Wir dürfen nicht zulassen, dass illegale Migration unseren Wohlstand und unsere Sicherheit gefährdet.“ Steger wird deutlich: „Wer sich in Sankt Lorenzen um 1 Uhr nachts bewegt, muss sich sicher fühlen. Sicherheit ist nicht verhandelbar.“ Die Anwesenden quittieren diese Aussage mit Applaus.
Und hier gibt es noch ein VIDEO.
+++ 17:06 Uhr +++
Das zweite große Thema ist das Wohnen. „Wohnen muss leistbar bleiben“, betont Steger. Die SVP werde gezielt Maßnahmen setzen, um die Wohnkosten unter Kontrolle zu halten. „Wir setzen Blöcke“, sagt der Obmann – ein klares Signal, dass die Partei konkrete Schritte plant, um die Wohnsituation in Südtirol zu verbessern.
Auch beim Thema Wohlstand gibt Steger eine klare Linie vor: „Wohlstand gibt es nur für Leistung.“
Er warnt davor, die Situation schlechter zu reden, als sie tatsächlich sei: „Viele sehen die Zukunft pessimistischer, als sie ist.“ Solidarität müsse gezielt dort ansetzen, wo sie wirklich gebraucht werde – bei den tatsächlich Bedürftigen.
Steger kritisiert die Bürokratie als Wachstumsbremse und fordert mehr Handlungsspielraum: „Es ist Zeit zu handeln, statt nur zu reden. Wir können nicht alles regulieren – es braucht Mut zur Lücke.“
+++ 17:12 Uhr +++
Als viertes Thema nennt Steger die Bildung. „Unsere Kinder haben das Recht, in ihrer Muttersprache bestmöglich ausgebildet zu werden“, unterstreicht er.
Bereits in der kommenden Woche werde eine Arbeitsgruppe konkrete Vorschläge dazu vorlegen. „Bildung sichert unsere Zukunft“, betont Steger und verweist darauf, dass die SVP immer dann am stärksten war, wenn sie nicht nur verwaltet, sondern aktiv gestaltet habe.
Die SVP arbeite, während andere nur kritisierten, stellt Steger klar. „Wir übernehmen Verantwortung, während andere nur Sprüche klopfen.“
Die Partei baue keine Luftschlösser, sondern arbeite für „insre Hoamat“.
Für politische Experimente sei keine Zeit.
+++ 17:20 Uhr +++
Landeshauptmann Arno Kompatscher beschreibt die aktuelle weltpolitische Lage als turbulent. „In der Welt geht es drunter und drüber“, stellt er fest.
Während Steger seine Rede größtenteils von einem Blatt Papier abgelesen hat, spricht der Regierungschef frei.
Er verweist auf Elon Musks Unterstützung für die AfD, das Damoklesschwert der Erderwärmung und eine neue digitale Welt, in der Fake und Realität kaum noch zu unterscheiden seien. Zudem gebe es einen großen Vertrauensverlust in alle Institutionen.
Dennoch sieht Kompatscher für Südtirol Grund zur Zuversicht. Die Umfragen seien besser als in vielen anderen Regionen, die Menschen hier seien zuversichtlicher.
„Südtirol hat eine gute Basis: Wir haben fleißige Menschen und eine Verwaltung, die funktioniert“, betont er. Kompatscher verweist darauf, dass er in diesem Jahr bereits die Marke von 500 Bürgerversammlungen in den Gemeinden überschritten habe.
+++ 17:30 Uhr +++
„Bei uns kommt der Bus – und das wissen die Menschen zu schätzen“, sagt Kompatscher mit Blick auf die funktionierende Infrastruktur in Südtirol.
In anderen Regionen würden Brücken einstürzen – „wir bauen sie auf.“
Die große Wanderungsbewegung, die Europa erreicht hat, sorgt auch in Südtirol für Besorgnis. Kompatscher betont, dass die SVP eine klare Linie verfolge: „Wir stehen für Asyl, aber gegen ungesetzliche Zuwanderung.“ Gleichzeitig warnt er davor, daraus politisches Kleingeld zu schlagen. „Wir wollen nicht wie andere Parteien die Ängste der Menschen instrumentalisieren.“
Kritik übt er an früher als patriotisch geltenden Parteien – gemeint ist die Süd-Tiroler Freiheit von Sven Knoll –, die auf TikTok Videos verbreiteten, um Hass und Hetze zu schüren.
+++ 17:34 Uhr +++
Kompatscher spricht auch die Autonomie an und erinnert daran, dass Ministerpräsidentin Meloni zugesichert hat, die Wiederherstellung der autonomen Kompetenzen auf das Niveau der Streitbeilegungserklärung von 1992 zu verhandeln. „Der Text umfasst die Wiederherstellung, aber auch weitere Elemente, die sicherstellen, dass wir künftig keinen Reparaturbedarf mehr haben“, erklärt er.
Auf die Frage, ob es heute bereits einen Text gebe, antwortet er: „Nein, in dieser Phase wäre das kontraproduktiv. Die Gespräche mit Rom waren durchaus positiv, aber es gibt Bereiche, in denen wir nachverhandeln müssen.“
„Die Aufgabe der SVP ist es, die Autonomie zu schützen und weiterzuentwickeln“, fährt Kompatscher fort. „Das unterscheidet uns von anderen Parteien. Wir hängen die Latte so hoch wie möglich, aber am Ende braucht es den Kompromiss. Dieser darf jedoch nicht auf Kosten des Minderheitenschutzes gehen. Das werde ich an dieser Stelle zusichern.“
+++ 17:44 Uhr +++
Kompatscher schließt mit einem klaren Appell: „Südtirol ist durch vernünftige Politik weitergekommen, nicht durch Schreier und Hetzer – egal, ob diese bärtig sind oder nicht.“ Damit stellt er sich entschieden gegen politische Kräfte, die seiner Ansicht nach mit extremen Positionen und Hetze nur Spaltung und Unsicherheit verbreiten.
+++ 17:54 Uhr +++
Frauenreferentin Renate Gebhard gibt wertvolle Tipps für Wahlkämpfer der Gemeindewahlen: „Seid authentisch, nehmt nicht alles persönlich und geht nach einem harten Tag trotzdem ein Glasl trinken. Auftreten als Team ist entscheidend, und ganz wichtig: Geht nicht auf den Fußballplatz, nur weil es jetzt Wahlkampf ist – wenn ihr dort sonst nie seid, wird es schnell auffallen!“
Lorenz Ebner, Bürgermeisterkandidat in Eppan, betont: „Es ist wichtig, ,ba die Leit‘ zu sein – nah bei den Menschen.“
Harald Stauder fügt humorvoll hinzu: „Wenn eine junge Frau vor der Tür steht, tun die Leute vielleicht eher auf, als wenn ich klingle.“
+++ 18:04 Uhr +++
Eine kleine Anekdote am Rande:
Julia Unterberger und Dieter Steger pflegen nicht gerade die beste Beziehung. Der Obmann sorgte dafür, dass die „linke Rebellin“ ganz außen links in der Sitzordnung Platz nahm – ein subtiler Hinweis auf die Differenzen zwischen den beiden und Unterbergers Standing in den Augen des Edelweiß-Chefs.
Es brauche „keine ideologische Wertepolitik in Rom“, sagt Steger – und meint damit Senatorin Julia Unterberger.
+++ 18:15 Uhr +++
In seiner Rede betont Landessekretär Harald Stauder: „Wir sind nicht die Besserwisser, wir sind die Bessermacher. Die Menschen glauben uns. Seit Dieter Steger Obmann ist, ist wieder Ruhe eingekehrt. Wir werden die Wahlen gewinnen, gegen jede andere politische Partei, und wir werden im Landtag auch wieder mehr als 13 Abgeordnete stellen.“
Die Stimmung sei schon lange nicht mehr so gut gewesen, wie seitdem Steger die Zügel in der Hand hat, sagt Stauder – ein Seitenhieb gegen Vorgänger Philipp Achammer, der an der Veranstaltung in Meran nicht teilnimmt (er ist seit Mittwoch krank).
+++ 18:45 Uhr +++
Die Ehrengäste halten ebenfalls kurze Reden:
Anton Mattle aus Tirol erzählt Anekdoten aus seiner politischen Karriere. Maurizio Fugatti aus dem Trentino hält eine Rede auf Deutsch und sagt: „Ich bin stolz, heute hier zu sein.“ Markus Söder aus Bayern schaltet sich via Videozuschaltung dazu und wünscht der Versammlung alles Gute.
+++ 19:05 Uhr +++
Bei einer TED-Umfrage im Saal gab ein großer Teil der Anwesenden an, die Politik in ihrer eigenen Gemeinde als ausgezeichnet oder sehr gut zu bewerten. Nur 6 Prozent zeigten sich unzufrieden. Herbert Dorfmann scherzte daraufhin: „Dort wird die Opposition an der Macht sein.“
Am Ende der Landesversammlung singen alle die Landes- und Europahymne.
Kommentare (17)
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