„Verfügbarkeit verführt“

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Martin Fronthaler, Leiter des Therapiezentrums Bad Bachgart, warnt vor den Gefahren einer Lockerung des Werbeverbots für Sportwetten.
Bisher war in Italien jegliche Werbung für Glücksspiel verboten. Doch nun könnte das Werbeverbot für Sportwetten aufgeweicht werden.
„Ich betrachte diese Entwicklung mit Sorge, denn Verfügbarkeit verführt, das heißt je mehr Angebot gegeben ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass jemand dieses ausprobiert. Zwar entwickelt nicht jeder, der konsumiert, eine Abhängigkeit, aber es ist der Eintritt in andere Verhaltensabhängigkeiten“, warnt Martin Fronthaler, Leiter des Therapiezentrums Bad Bachgart, wo unter anderem Abhängigkeiten stationär behandelt werden. Personen könnten bei Sportwetten relativ schnell die Erfahrung machen, dass sich diese Art des Spiels eignet, um kurzfristig abzuschalten und den alltäglichen Sorgen zu entfliehen. Nach dem Werbeverbot auf sämtliche Glücksspiele seien die Zahlen der Abhängigen zurückgegangen, bis die Situation während der Corona-Pandemie ins Gegenteil kippte, indem auf Online-Spiele ausgewichen wurde, weiß Fronthaler: „Dies ist ein Bereich, der sich explosionsartig ausbreitet und sicher zukünftig ein großes Thema sein wird, weil Online-Portale schwer zu kontrollieren sind.“
Unter den Spielsüchtigen spielen die Sportwetten allerdings nur eine untergeordnete Rolle. Die Hauptverführung würde nach wie vor von den Rubbellosen ausgehen gefolgt vom Glücksspiel über die Slotmaschinen, berichtet der Leiter des Therapiezentrums. Vor allem Männer um die 30 Jahre und mit Migrationshintergrund seien häufig betroffen von einer Sportwetten-Abhängigkeit, da das Wetten als Freizeitbeschäftigung wahrgenommen wird, die Personen oft einsam und ohne Familienanschluss sind. Diese Wetten seien leicht zugänglich und würden die Illusion vermitteln, dass irgendwo fernab von zu Hause das große Geld gemacht werden kann. Bei Sportwetten verlassen sich die Spieler auf ihren Fußballsachverstand und haben so den Eindruck, dass es nicht rein vom Glück abhängt, ob man gewinnt oder verliert, so der Leiter des Therapiezentrums Bad Bachgart: „Sportwetten verführen zu dem Glauben, man hätte den Ausgang selbst in der Hand.“ Zugleich liege in den Sportwetten eine besondere Gefahr, weil sie allgegenwärtig und rund um die Uhr möglich sind. Daneben würde das positive Image des Sports ausgenutzt, um die Spieler anzulocken. „Hier ist ein Ideal unserer Gesellschaft, nämlich der gesunde Sport, kombiniert mit einer Abhängigkeit“, erklärt Fronthaler. Prinzipiell sei es einfacher von einer Substanz loszukommen als von einer Verhaltensweise. Die mächtige Lobby hinter diesen Wetten argumentiert mit Selbstverantwortung der Spieler und mit der rechtlichen Vorgabe, eine bestimmte Summe für die Prävention und den therapeutischen Verlauf zur Verfügung zu stellen. „Das ist eine Doppelmoral und Augenwischerei, vor allem aber ein Spiel mit unserem freien Willen“, urteilt der Leiter von Bad Bachgart.
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