Zwei Muss-Filme

Niedergebaggertes im Westjordanland. Es bleibt das Leben in Höhlen
Leicht ist’s nicht mit „No Other Land“ ins Westjordanland zu gehen, aber es ist notwendig. Genauso notwendig ist es, Floria in „Heldin“ bei ihrer Schicht zuzusehen.
Von Renate Mumelter
Israelische Bagger
„Vermehrt Schönes“ steht auf dem praktischen Notizheft einer Bank, die auch Kultur sponsert. Dorthin schreibe ich Notizen, während ich den grausamsten Film sehe, den ich jemals sah. Diesmal vermehre ich halt weniger Schönes.
Nicht der Dokumentarfilm „No Other Land“ ist grausam sondern das, was er zeigt, was er zeigen muss. Er dokumentiert, wie eine Ansammlung von kleinen Dörfern südlich von Hebron im Westjordanland vom israelischen Militär systematisch niedergebaggert werden. Im Mittelpunkt stehen zwei Freunde, Basel und Yuval, einer Palästinenser, einer Israeli. Sie versuchen die Ausrottung der Siedlungen auch durch das Filmen und durch Yuvals journalistische Arbeit aufzuhalten.
Eine der Szenen, die richtig weh tun, ist jene, wo der gelbe Bagger kommt, um eine neu errichtete Grundschule dem Erdboden gleich zu machen, während die Kinder, die eben noch zum Lernen dort waren, hilflos weinend zusehen müssen.
Das Vorgehen wird von der Armee vage damit begründet, dass auf dem Areal ein Truppenübungsplatz entstehen soll. Und es gibt noch Drastischeres.
„No Other Land“ hat 2025 den Oscar für den besten Dokumentarfilm gewonnen. Bleibt nur zur hoffen, dass dieser Ruhm etwas dazu beitragen kann, dass die Menschen dort endlich Ruhe und vor allem Heimat finden.
Auf der Berlinale 2024 hatte der Film noch zu heftigen Antisemitismus-Debatten geführt, die sich allerdings als haltlos erwiesen. Wer den Film gesehen hat, versteht, wer derzeit die Schwachen und wer die übergriffig Starken in Nahost sind und wie Wut entsteht. Ein Film, der von möglichst vielen Menschen gesehen werden sollte.
Pflegefachkraft
Auch „Heldin“ der Schweizer Regisseurin Petra Volpe sollte von möglichst vielen Menschen gesehen werden. In diesem Spielfilm geht es um Pflegefachkraft Floria, die in der chirurgischen Abteilung eines Schweizer Krankenhauses arbeitet.
Der Film begleitet Floria durch ihre Spätschicht, in der sie Zimmer für Zimmer abhaken muss, Vitalfunktionen kontrollieren, Medikamente verabreichen, Auskünfte geben, über Diagnosen schweigen, weil sie nicht behandelnde Ärztîn ist, Infusionen anpassen, auf Notrufe reagieren, zuhören, wenn sich’s ausgeht, trösten, für Essen und Trinken sorgen, besorgte Verwandte beruhigen und noch viel mehr, und das alles unter enormem Zeitdruck, weil Personal fehlt.
Dass Floria auch ein Privatleben hat, ist nur kurz am Gute-Nacht-Telefonat mit ihrer Tochter zu erkennen. Essen und zu Trinken ist für Floria nur in winzigen Pausen möglich. Die traurigen und weniger traurigen Krankengeschichten nimmt sie dann mit nach Hause und muss sehen, wie sie damit fertig wird.
„Heldin“ richtet seine Aufmerksamkeit auf einen jener Bereiche, die oft von Frauen betreut werden, absolut unterschätzt und nicht besonders gut bezahlt sind, weil die Gesellschaft andere Prioritäten hat. Wie wichtig der Bereich aber ist, wird auch dem begüterten Privatpatienten erst klar, als er dem Tod näher ist als dem Leben. Da hilft seine teure Uhr auch nicht mehr weiter. Gespielt wird Floria von einer sehr überzeugenden Leonie Benesch. Petra Volpe inszeniert so kompakt, dass „Heldin“ zwischendurch Tempo und Spannung eines Actionfilms entwickelt, und das tut dem Film gut.
Zur Erinnerung: Petra Volpe ist jene Regisseurin, die 2017 mit „Die göttliche Ordnung“ mit Marie Leuenberger in der Hauptrolle aufschlussreich vom Frauenstimmrecht erzählt, das in Appenzell erst 1971 erreicht wurde.
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