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„Es braucht einen Erstkontakt“

Simon Mariacher: Vielleicht wäre ein*e Theater Influencer*in keine schlechte Idee!

Vor zwei Wochen startete das Südtiroler Kulturinstitut ein Pilotprojekt für eine junge Veranstaltungsreihe. Unter dem Namen „WaltherHouse“ verwandelte sich das ehrwürdige Waltherhaus  nach der Theateraufführung in einen Technokeller. Hat es zwischen Theater und Techno gefunkt? Ein Gespräch mit dem Initiator Simon Mariacher

 Tageszeitung: Herr Mariacher, sind Sie so etwas wie ein Theater-Influencer?

Simon Mariacher: Ich bin gut vernetzt in verschiedenen Szenen, aber nein: Ich bin (zumindest noch) kein Theater-Influencer.

Das Experiment Techno und Theater hat auf Anhieb funktioniert. Der Keller des Waltherhauses war voll tanzender Technofans. Wie lautet Ihr Resümee, was lernen Sie daraus?

Dass die Idee funktioniert. Ich glaube, die Eventreihe hat großes Potential und macht auch den Beteiligten Spaß in der Ausarbeitung. Die inhaltliche Verbindung zwischen Theater und elektronischer Musik fordert von Beginn an Kreativität in der Planung und Umsetzung. Ich bin gespannt, wohin diese Reisen noch führen.

Wie haben Sie die Stimmung erlebt?

Nach meinem Empfinden gab es unterschiedliche Stimmungen, die sich zwischen Neugier, Spannung und Ausgelassenheit bewegt hat. Für viele Personen war Techno neu, da bedarf es eine gewisse Zeit der Eingewöhnung. Zusammengefasst darf ich aber sagen, dass die Stimmung gut war!

Lässt sich abschätzen, wie viele von den Technofans vorher in der Vorstellung „Amadeus“ waren und umgekehrt, wie viele Theaterfans sich nachher in den Keller getraut haben?

Circa 30 Techno-Fans sind zusätzlich noch im Theater gewesen, für viele eine erste Theatererfahrung in diesem Rahmen. Von den klassischen Theatergästen haben sich in etwa 50 Personen die Folgeveranstaltung nicht entgehen lassen.

Ein paar Stunden Techno werden nicht ausreichen, um den Krampf zwischen den Generationen wegzutanzen. Gibt es eine Fortsetzung mit House-Beats im WaltherHouse“?

Noch gibt es kein fixes Datum, aber durchaus die fixe Idee, die Eventreihe fortzusetzen. Wir möchten weiterhin frisch bleiben und auch mit verschiedenen elektronischen Musik-Genres und Brücken-Ideen zum Theater spielen.

Alle Theater knabbern an der Frage, warum junge Menschen heute kaum noch ins Theater gehen. Ist es zu langweilig, zu steif, zu bildungsbürgerlich, zu sehr Seniorentreff, zu teuer oder woran liegt´s?

Techno im Waltherhouse: Circa 30 Techno-Fans sind vorher im Theater gewesen, für viele war es eine erste Theatererfahrung

Meiner Meinung nach liegt das am Zugang und daran, dass Theateraufführungen, wie sie das Südtiroler Kulturinstitut anbieten, vielen jungen Menschen schlichtweg unbekannt sind. Die Themen und die Darstellung sind meines Erachtens besonders für ein junges Publikum spannend. Nur braucht es einen Erstkontakt – hier könnte WaltherHouse als eine neue Einladung verstanden werden.

Wann und für welches Stück haben Sie sich die erste Theaterkarte selbst gekauft?

Das war 2017 für das Stück „Ein Volksfeind“ von Henrik Ibsen im Burgtheater Wien. Diese Aufführung habe ich am Ende insgesamt drei Mal besucht. Mit dieser Erfahrung hat meine Faszination fürs Theater angefangen. Mit einem Erstkontakt, der überzeugt hat.

Es muss also so etwas wie Liebe auf den ersten Blick sein, damit der Theaterfunke überspringt.

Es muss auf jeden Fall eine Faszination für mindestens einen Aspekt des Theaters auslösen. Dies kann die inhaltliche Aufarbeitung eines Themas, die Kreativität in der Beschränktheit eines Bühnenbildes oder die Art der Rhetorik auf der Bühne sein. Sogar die Erfahrung als Gast in einem Theater, mit dem Foyer, der Spannung, dem Applaus kann eine Faszination auslösen. Das Theater bietet sehr viel, was einen in den Bann ziehen kann.

Manche behaupten, für die an kurze Aufmerksamkeitsspannen gewöhnte TikTok-Generation sei es eine Zumutung zwei Stunden ruhig sitzen zu bleiben. Ein Vorurteil?

Ich fürchte nein, zumindest kein absolutes Vorurteil. Allerdings hängt es auch immer vom Kontext und der Situation ab, in der man sich befindet. Bei einer Theateraufführung herrscht eine bestimmte Stimmung, die Geschichte auf der Bühne verläuft linear, der soziale Druck, mal nicht kurz einen Blick auf das Handy zu werfen, ist recht hoch. Dies ermöglicht einem, sich wirklich auch auf das Stück und die Erfahrung einzulassen. Für mich, der auch zum Teil zu dieser Generation zählt, ist dies sogar stets ein sehr heilsamer und angenehmer Teil des Abends.

Was hat Sie zum Techno-Fan gemacht?

Die Techno Musik ist für mich die ultimative Verbindung aus Individuum und Kollektiv. Ich darf in einer Menge aufgehen, welche sich irgendwo als Kollektiv versteht und bewegt. Aber gleichzeitig bin ich nur bei mir, bei der Musik und wie sich mein Körper zu der Musik bewegt. Die von außen zum Teil monoton wirkenden, regelmäßigen Beats erlauben einem das Eintauchen in die Feinheiten der Komposition und das Überbrücken von Zeit. Es können Stunden vergehen, in denen man nur zur Musik tanzt, ohne dass einem dieser Zeitraum als besonders lang vorkommt.

An entschlossenem Social Media-Einsatz werden das Theater nicht vorbeikommen, wenn sie junge Leute anlocken wollen. Wie machen Sie das?

Ein Weg über Social Media ist bestimmt Werbung, die an ein bestimmtes Zielpublikum gerichtet ist. Vor allem setzen wir allerdings auf Kooperationen, Multiplikator*innen und Mundwerbung. Vielleicht wäre aber auch ein*e Theater Influencer*in keine schlechte Idee!

Das Nachtleben der Studentenstadt Bozen ist laut der Vize-Vorsitzenden der Südtiroler HochschülerInnenschaft Magdalena Scherer „unterentwickelt“, was ein gnädiger Ausdruck für langweilig ist. Ist Bozen langweilig für junge Menschen?

Die Menschen in Bozen sind spannend, oft fehlt es aber an Räumen und Rahmenbedingungen, damit sich diese Menschen auch entfalten können. Aber ja, wenn Bozen ein attraktiver Standort für Studierende und junge Erwachsene sein will, dann muss im kulturellen Bereich verstärkt auch auf ihre Bedürfnisse geachtet werden.

Interview: Heinrich Schwazer

 

Zur Person

Simon Mariacher, 1996 in Bozen geboren, studierte Publizistik an der Universität Wien. Seit 2023 betreut er die Social Media Kommunikation des Südtiroler Kulturinstituts.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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