Aula ohne SVP
Die SVP hat das Misstrauensvotum gegen Ministerin Daniela Santanchè geschwänzt. Obmann Dieter Steger erntet deshalb Kritik.
von Matthias Kofler
Das Misstrauensvotum gegen Daniela Santanchè (Fratelli d’Italia) ist erwartungsgemäß gescheitert. Das Ergebnis spricht eine klare Sprache: 206 Nein-, 134 Ja-Stimmen, eine Enthaltung. Ebenso vorhersehbar war die Strategie der Regierung, zu den Vorhaltungen gegen die Ministerin zu schweigen, um nicht in den vielen Widersprüchen der letzten Zeit – vom Fall Elmasry bis zu internationalen Spannungen – unterzugehen.
Santanchès Auftritt in der Abgeordnetenkammer war inszeniert: In dunkelroter Kleidung – ein markanter Kontrast zu ihrem vorherigen weißen Outfit – stilisierte sie sich als Opfer einer Hetzjagd und sprach über ihr Image, ihre hohen Absätze und ihre Nähe zu Luxusbetrieben wie Twiga oder Billionaire. Während sie ihre Arbeit verteidigte, blieben zentrale Regierungsvertreter wie Matteo Salvini und Giorgia Meloni demonstrativ fern.
Nach der Abstimmung deutete ihr Parteikollege Massimo Ruspandini an, dass Santanchè im Falle einer Anklage wegen der INPS-Affäre zurücktreten werde. Die Opposition nutzte die Debatte für scharfe Attacken: Giuseppe Conte (M5S) warf der Regierung Doppelmoral vor, Elly Schlein (PD) forderte Meloni auf, Santanchè zum Rücktritt zu zwingen. Die Ministerin quittierte das mit demonstrativem Desinteresse, verließ den Saal und tippte auf ihrem Handy – ein letzter Akt der Selbstinszenierung.
Auffällig: Nur ein Abgeordneter enthielt sich – und er stammte nicht aus Südtirol. Dabei hatte SVP-Fraktionschefin Renate Gebhard noch angekündigt, dass ihre Partei sich enthalten werde. „Wir stehen für Garantismus und vertrauen darauf, dass die Gerichte ihre Arbeit machen. Zudem wollen wir uns an diesem politischen Spiel nicht beteiligen“, sagte sie der Tageszeitung. Dennoch hielt sie einen Rücktritt für geboten: „Der Anstand verlangt es.“
Doch das Abstimmungsprotokoll, das der Tageszeitung vorliegt, zeigt: Gebhard und ihr Fraktionskollege Manfred Schullian waren „in missione“, Dieter Steger fehlte ohne Begründung. „Ich war grippebedingt abwesend“, erklärt Gebhard auf Nachfrage. Ihre Kollegen hätten daraufhin beschlossen, nicht teilzunehmen.
Warum diese Kehrtwende?
„In Absprache mit Schullian haben wir entschieden, nicht abzustimmen“, sagt Steger. Er lehne Vorverurteilungen grundsätzlich ab: „Es gab Fälle, in denen Abgeordnete vom Parlament verschickt wurden, es sich im Nachhinein aber herausstellte, dass sie keine Schuld hatten“, meint der SVP-Obmann. Santanchès Verteidigung im Parlament habe ihm zwar „überhaupt nicht gefallen“, dennoch habe er sich als „Garantist“ nicht in der Lage gefühlt, für den Antrag zu stimmen. „Ich hielte es für opportuner, wenn sie aus freien Stücken einen Schritt zur Seite machen würde“, so Steger.
Kritik an der Nicht-Teilnahme kommt von Senatorin Julia Unterberger, die jüngst von Steger gerügt wurde, weil sie der Haushaltsabstimmung ferngeblieben war. Obmann Steger hatte damals gesagt, die Meranerin habe sich mit ihrem Verhalten „außerhalb der Leitplanken“ bewegt. „Wenn eine Ministerin den Staat betrogen hat und nicht zurücktritt, ist das kein politisches Spielchen“, findet Unterberger. „Wir im Senat haben – mit Ausnahme von Meinhard Durnwalder, der nicht hingegangen ist – alle für den Misstrauensantrag gestimmt, auch die Senatoren auf Lebenszeit. Nicht hinzugehen, ist die Taktik derer, die in Verlegenheit sind und sich nicht positionieren wollen. Das muss aber für alle gelten“, meint die Chefin der Autonomiegruppe, die seit langem den Verdacht hegt, dass sich die SVP unter Obmann Steger nicht bei den Rechten unbeliebt machen will.
Kommentare (9)
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