Was Migration kostet
Mietbeiträge, Familiengeld, Gesundheit: Um den Rechtspopulisten den Wind aus den Segeln zu nehmen, geht Soziallandesrätin Rosmarie Pamer in die Offensive – und legt alle Zahlen zur Einwanderung nach Südtirol auf den Tisch.
von Matthias Kofler
Fast die Hälfte der Sozial- und Wohnhilfen in Südtirol geht an Nicht-EU-Bürger – eine Zahl, die rechtspopulistische Kräfte als Beweis für ein angebliches „Millionengrab“ anführen.
Doch was steckt wirklich dahinter?
Was kostet Einwanderung tatsächlich – und welchen Nutzen bringt sie?
Migration ist eines der drängendsten politischen Themen – nicht nur in Deutschland und Österreich, wo jüngste Gewaltverbrechen durch Asylwerber, etwa in Aschaffenburg, Magdeburg oder Villach, die Debatte anheizen und der AfD Umfragewerte von 20 Prozent bescheren. Auch in Südtirol nutzen rechte Parteien das Thema – oft zugespitzt in massiv gelikten TikTok-Videos.
Soziallandesrätin Rosmarie Pamer verfolgt eine andere Strategie: Transparenz. Erstmals legt die SVP-Politikerin aus dem Passeiertal detaillierte Zahlen zu den tatsächlichen Kosten der Migration auf den Tisch. Ihr Credo: „Anstatt mit verzerrten Daten Ängste zu schüren, sollten wir eine faktenbasierte Diskussion führen.“
Auf Anfragen von JWA und der Süd-Tiroler Freiheit hat das Land nun erstmals umfassende Auskunft gegeben – mit teils überraschenden Ergebnissen:
Sozialhilfe und Wohnbeihilfen
Im Jahr 2023 wurden in Südtirol 32,89 Millionen Euro für Mietbeiträge und Wohnungsnebenkosten ausgezahlt:
• 16,83 Millionen Euro an
italienische Staatsbürger
• 13,63 Millionen Euro an
Nicht-EU-Bürger
• 2,43 Millionen Euro an
EU-Bürger aus anderen
Ländern
Die finanzielle Sozialhilfe belief sich auf insgesamt 46,15 Millionen Euro, davon gingen 42 % an Nicht-EU-Bürger. Ausländische EU-Bürger sowie eingebürgerte Migranten sind in dieser Zahl nicht enthalten. JWA-Abgeordneter Jürgen Wirth Anderlan folgert: „Die Summe der Sozialhilfe für Ausländer dürfte also noch deutlich höher ausfallen.“
Unterbringung und Integration
Für unbegleitete Minderjährige, Integrationsmaßnahmen und Notunterkünfte gab das Land 2023 folgende Beträge aus:
• 603.500 Euro für unbegleitete Minderjährige
• 450.000 Euro für
Integrationsmaßnahmen
• 1,2 Millionen Euro für
Notunterkünfte
• 30.000 Euro für
Verpflegungskosten
(inkl. Ukrainer)
Familienleistungen und Sozialwohnungen
Für Drittstaatsangehörige wurden 7,8 Millionen Euro an familienbezogenen Sozialleistungen ausgezahlt. Zudem sind 6,3 % der Sozialwohnungen (ca. 780 Einheiten) an Nicht-EU-Bürger vergeben.
Gesundheitsversorgung und Asylunterkünfte
2023 beliefen sich die Gesundheitskosten für Migranten auf 1,92 Millionen Euro – das sind gerade einmal 0,1 % des Budgets des Südtiroler Sanitätsbetriebs. Für die Asylunterbringung wurden 5,5 Millionen Euro aufgewendet, die jedoch vom Staat rückvergütet wurden. Hinzu kamen 915.000 Euro an Landeszuschüssen für die Betreuung von Geflüchteten.
JWA-Frontmann Jürgen Wirth Anderlan sieht sich durch die Zahlen bestätigt. Er spricht von einem „Millionengrab“ und einem „Fass ohne Boden“. Der Kalterer fordert: „Dieser Migrationssumpf gehört trockengelegt, die Migration gestoppt, die Remigration gestartet.“ Und fragt rhetorisch: „Wurden wir Südtiroler jemals gefragt, ob wir diese Überfremdung wollen – und ob wir bereit sind, dafür Millionen zu bezahlen?“
Landesrätin Pamer widerspricht entschieden: „Die von JWA präsentierten Zahlen sind aus dem Kontext gerissen und dienen einzig dem Populismus. Migration ist kein ,Millionengrab‘, sondern ein Teil unserer Gesellschaft – mit Herausforderungen, aber auch mit Chancen.“ Sie betont, dass Sozialleistungen in Südtirol nicht nach Herkunft, sondern nach finanzieller Bedürftigkeit vergeben werden. Zudem erhalten Nicht-EU-Bürger Unterstützung nur, wenn sie mindestens fünf Jahre im Land leben. Die Krankenhauskosten für Migranten machten lediglich 0,1 % des Gesundheitsbudgets aus. Viele Leistungen würden zudem vom Staat rückvergütet.
Auch wirtschaftlich sei Migration essenziell: „Branchen wie Pflege und Bauwesen sind auf migrantische Arbeitskräfte angewiesen“, so Pamer.
Nackte Zahlen versus Populismus: Die Debatte ist eröffnet.
Die von Pamer offengelegten Daten zeigen: Migration verursacht Kosten – doch sie bringt auch wirtschaftliche Vorteile und staatliche Rückflüsse mit sich. Während rechte Parteien weiterhin auf eine restriktive Migrationspolitik drängen, setzt die Landesregierung auf Transparenz. Nur eine faktenbasierte Diskussion könne den ideologisch geprägten Debatten entgegentreten und den Weg für konstruktive Zukunftsstrategien ebnen, ist man im Palais Widmann überzeugt.
Ob sich damit die aufgeheizte Debatte beruhigen lässt – oder erst recht befeuert wird –, bleibt abzuwarten.
Kommentare (22)
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