Dicke Luft
Im Raiffeisenverband Südtirol hängt der Haussegen schief, weil die Verbandsspitze den MitarbeiterInnen mit übertariflichen Bezügen die Inflationsanpassung faktisch streicht.
von Artur Oberhofer
Die leitende Mitarbeiterin des Raiffeisenverbandes, die ihren Namen nicht genannt haben möchte, sagt: Besonders schlimm sei, dass innerhalb der Belegschaft ein „Klima der Einschüchterung“ herrsche. „Kaum jemand wagt es, Kritik zu äußern, weil Nachteile befürchtet werden müssen.“
Im Raiffeisenverband Südtirol herrscht dicke Luft. Der Grund: Die Führungsspitze des Verbandes gewährt den übertariflich bezahlten MitarbeiterInnen – und das sind immerhin drei Viertel – die kollektivvertraglich zugesicherte Inflationsanpassung entweder gar nicht – oder nur zu einem kleinen Teil.
Die Inflationsanpassung wird mit dem Übertarif kompensiert.
Zur Vorgeschichte: Im Juli 2024 wurde der Kollektivvertrag für die Raiffeisen-Angestellten in Südtirol unterzeichnet. Dieser Kollektivvertrag sieht für die Jahre 2022 bis 2026 eine Inflationsanpassung der Gehälter von bis zu 15 Prozent vor.
Nun aber – und das ist der Grund für das kollektive Unbehagen im Raiffeisenverband Südtirol – gesteht die Führung des Verbandes dem Großteil der MitarbeiterInnen einen relevanten Teil dieser Gehaltsanpassung nicht zu.
Die „Bombe“ zündete der Generaldirektor des Verbandes, Robert Zampieri, mit einem Rundbrief an die „lieben KollegInnen“, der Ende Jänner aus seinem Sekretariat abging.
Zampieri teilte den MitarbeiterInnen kurz und bündig mit, dass der Verband bei den MitarbeiterInnen mit übertariflichen Bezügen die Erhöhung (also die Inflationsanpassung) bis zum Gegenwert kompensiere.
Generaldirektor Robert Zampieri schreibt in seinem Rundbrief: „Jedes Unternehmen hat die Möglichkeit aufgrund der individuellen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen mit den Mitarbeitern, bei übertariflich gezahlten Gehältern, diese mit der Erhöhung gegenzurechnen.“ Der Verband sei bestrebt, die Gehälter „vermehrt nach einer vom Kollektivvertrag unabhängigen Gehaltspolitik zu entwickeln mit dem Ziel, Leistungen und Engagement gezielt zu fördern und zu honorieren.“
Daher, so Zampieri weiter, habe man beschlossen, bei MitarbeiterInnen, die ein übertarifliches Gehalt beziehen, die Erhöhungen Jänner 2025 und Jänner 2026 bis zum Gegenwert zu kompensieren.
Besondere Leistungen und entsprechendes Engagement werde der Verband auch in Zukunft angemessen fördern und belohnen, versprach der Raiffeisen-„General“.
Unter den MitarbeiterInnen hat das Zampieri-Rundschreiben für großes Unverständnis gesorgt. Eine leitende Mitarbeiterin fasst die Stimmung so zusammen: „Obwohl die kollektivvertraglichen Gehaltserhöhungen dazu dienen sollten, die allgemeine Lohnentwicklung sicherzustellen und die Inflation abzufedern, werden die Gehaltserhöhungen bei Mitarbeitenden mit übertariflichen Bezügen bis zum Gegenwert kompensiert, gleichzeitig wird der Eindruck erweckt, dass individuelle Gehaltsanpassungen diese Maßnahme nicht nur ausgleichen, sondern in der Gesamtheit sogar darüber hinausgehen würden.“
Diese Darstellung sei falsch. Die individuellen Gehaltsanpassungen seien bereits im Herbst vergangenen Jahres im Rahmen der Budgetplanung der Abteilungen beschlossen worden – also lange bevor von dieser Kompensationsmaßnahme überhaupt die Rede gewesen sei. „Die Realität ist“, so die Mitarbeiterin, „dass die MitarbeiterInnen um ihren Inflationsausgleich gebracht wurden, damit die individuellen Gehaltsvorrückungen in geringerem Ausmaß überhaupt finanziert werden können.“
Dasselbe wie mit der Inflationsanpassung sei mit der Una-Tantum-Zahlung im August 2024 geschehen. Diese sei in den meisten Fällen ebenfalls kompensiert worden, so dass nur Mitarbeitende mit einem übertariflichen Gehalt von maximal 40 Euro tatsächlich von der einmaligen Zahlung profitiert hätten.
Dies sei ein Beweis dafür, dass der Raiffeisenverband immer häufiger kollektivvertragliche Anpassungen umgehe oder ausheble.
Ähnlich sieht es die Autonome Bankgewerkschaft FABI. Sie bezeichnet das Verhalten des Raiffeisenverbandes, der „ein gut gehender Betrieb“ sei, „der jedes Jahr Gewinne schreibt“, als „willkürlich, ungerecht und nicht nachvollziehbar“. Denn: Die MitarbeiterInnen hätten ihre Übertarife „redlich verdient oder verhandelt“, daher dürften diese nicht einseitig gekürzt bzw. mit der Inflationsanpassung gegengerechnet werden.
Die Verbandsmitarbeiterin, die sich als Sprachrohr der Enttäuschten sieht, bringt die Forderungen ihrer KollegInnen so auf den Punkt: Leistungsbezogene Erhöhungen zur Honorierung individueller Leistung und besonderem Engagement und Inflationsanpassung müssten klar voneinander getrennt werden.
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