„Wir zahlen die Rechnung“
US-Präsident Donald Trump will im Hinterzimmer mit Kremlchef Wladimir Putin den Ukraine-Krieg beenden. Wie EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann die geopolitische Lage einordnet.
Tageszeitung: Herr Dorfmann, die EU wirkt nach dem Trump-Putin-Telefonat wie gelähmt. Muss sich Brüssel bei den Ukraine-Verhandlungen mit der Rolle des Zaungasts zufriedengeben?
Herbert Dorfmann: Die Frage ist nicht, ob man sich damit zufriedengibt, sondern es ist die bittere Realität! Wir riskieren, dass sich die Welt in drei starke Blöcke aufteilt, während Europa isoliert danebensteht. Die USA, China und Russland bestimmen die Agenda, während wir in Europa noch keine gemeinsame Linie finden und immer und überall diplomatisch agieren wollen. Die Welt hat sich in den letzten drei Jahren drastisch verändert – und viele, sowohl in der Bevölkerung als auch in der Politik, haben das noch nicht verstanden. Nur ein geschlossenes und starkes Europa hat eine Chance.
Kommentatoren ziehen Parallelen zu München 1938, als Europas Demokratien vor den Gebietsansprüchen eines Diktators nachgaben. Ist dieser Vergleich übertrieben?
Ich hoffe, er ist übertrieben. Vieles ist ungewiss, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass sich die USA um einen halbwegs gerechten Frieden bemühen. Dieser sinnlose Krieg muss endlich beendet werden. Wir können nicht wie vor 100 Jahren Soldaten in Schützengräben schicken und abschlachten lassen. Der Krieg in der Ukraine wiederholt die brutale Kriegsführung des Zweiten Weltkriegs. Wenn die USA nun die Initiative ergreifen, hoffe ich, dass klar bleibt, wer diesen Krieg begonnen hat und wer nicht. Was ich jedoch befürchte, ist, dass Putin zu viele Zugeständnisse gemacht werden, die Amerikaner die Bodenschätze der Ukraine abschöpfen und Russland sich das Land holt. Und Europa soll dann wieder die Rechnung zahlen. Die Gefahr ist real, dass man uns sagt: Wenn die Ukraine Mitglied der EU wird, muss die EU das wiederaufbauen, was die Russen zerbombt haben, und die Grenzsicherung übernehmen.
US-Verteidigungsminister Pete Hegseth hat klargestellt, dass die Ukraine nicht zu den Grenzen von 2014 zurückkehren könne und ein NATO-Beitritt passé sei. Ist das nicht schon eine Kapitulation vor Putin?
Der NATO-Beitritt der Ukraine war von Anfang an eine Illusion. Auch eine Biden-Administration hätte sich dagegen gestellt. Wenn die USA sich gegen einen Beitritt entscheiden, wird dieser nicht zustande kommen – jedes Mitgliedsland hat ein Vetorecht, und die größten NATO-Beitragszahler werden dieses Recht auch durchsetzen. Ich glaube auch nicht, dass wir die Ukraine überhaupt in der NATO brauchen. Die US-Regierung hat bereits relativiert – die Ukraine-Frage wird nicht so schnell gelöst. Es könnte Monate dauern, bis sich die Präsidenten tatsächlich treffen. Präsident Selenskyj ist schon lange klar, dass die Ukraine Territorien abgeben muss. Zudem wächst auch in der Ukraine die Kriegsmüdigkeit – viele würden einen schnellen Frieden begrüßen, zumal ihnen die Soldaten ausgehen.
Die Trump-Regierung hat angekündigt, ihre sicherheitspolitischen Verpflichtungen gegenüber Europa zu reduzieren …
Da hat Trump leider recht. Er hat bereits vor acht Jahren in seiner ersten Amtszeit darauf hingewiesen, und auch Biden hat das erkannt, wenn auch nicht in gleicher Deutlichkeit. Wir Europäer haben uns seit dem Zweiten Weltkrieg verteidigungstechnisch auf die USA verlassen. Ich will die Amerikaner nicht verteidigen, aber in gewisser Weise kann ich ihren Standpunkt nachvollziehen: Wir nehmen die Verteidigung der USA zwar in Anspruch, bezahlen sollen dafür aber andere. Uns muss endlich klar werden, dass wir unsere Verteidigung selbst in die Hand müssen. Es ist beschämend, dass Europa in den letzten 30 Jahren, seit dem Ende des Kalten Krieges, so wenig für die eigene Sicherheit getan hat.
Trump droht der EU mit neuen Zöllen auf Stahl und Aluminium. Sind wir auf einen Handelskrieg mit den USA vorbereitet?
Was heißt schon vorbereitet? Ein Handelskrieg lässt sich natürlich führen, aber derzeit wird in Washington viel geredet. Auch die Zölle, die gegen Mexiko und Kanada verhängt wurden, dienten nur dazu, politischen Druck zu machen. Am Ende wurde das wieder eingefroren. Die Frage ist: Was bringt eine Eskalation wirklich? Natürlich können wir mit Gegenzöllen antworten, wo es den USA schadet. Aber uns muss bewusst sein, dass beide Volkswirtschaften darunter leiden werden. Zölle machen Waren teurer, und das belastet die Konsumenten. Wenn eine Südtiroler Kellerei in den USA verkaufen will, hat sie zwei Optionen: Sie kann den Wein günstiger anbieten, was uns schadet, oder sie verkauft ihn teurer – und die Amerikaner müssen draufzahlen.
Interview: Matthias Kofler
Kommentare (8)
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