„Keine Privat-Angelegenheit“
Während der Corona-Pandemie häuften sich in Südtirol die Fälle, in denen Eltern ihre Kinder selbst unterrichteten. Der Staatsrat legt nun fest, was erlaubt ist und was nicht.
von Thomas Vikoler
Die deutschsprachige Südtirol Familie war offenbar fest entschlossen, die Bildungspflicht ihres Kindes selbst in die Hand zu nehmen. Am 29. April 2022 teilte sie dem zuständigen Schulsprengel mit, dass sie es ab sofort von der Schule nehmen würden. Was sie auch umgehend taten – das Kind wurde später aufgrund der Leistungen aus dem laufenden Grundschul-Jahr in die nächste Klasse versetzt.
Am 10. Mai folgte ein weiteres Schreiben der Eltern an die Schule. Inhalt: Die Rücknahme der Einschreibung ihres für das darauffolgende Schuljahr. Die Eltern erklärten, finanziell und pädagogisch in der Lage zu sein, ihr Kind zuhause zu unterrichten und beriefen sich dabei auf ein vermeintliches „Recht auf Familienunterricht“. Sie forderten die Schule außerdem auf, sämtliche Daten des Kindes zu löschen. Auch der Bürgermeister der Wohnsitzgemeinde wurde von dem Schulverzicht informiert.
Derartige Fälle gab es in Südtirol während der Pandemie Dutzende (es entstanden Zelt- oder Waldschulen), einige von ihnen landeten vor dem Verwaltungsgericht Bozen: Die Eltern fochten die abweisenden Bescheide der Schulen zu ihrer „Kündigung“ an, blitzten damit aber sämtlich ab. Das Verwaltungsgericht stützte sich dabei auf das Landesbildungsgesetz aus dem Jahre 2008 und einen Beschluss der Landesregierung vom 14. Dezember 2021, mit dem der sogenannte Elternunterricht näher geregelt wurde.
Einige der Eltern wollten die abweisenden Urteile nicht akzeptieren und zogen vor den Staatsrat. Dieser weist nun vier Anfechtungen – immerhin mit Spesenteilung – zurück und teilt die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, nachdem Bildung keine Privatangelegenheit ist. Es gilt die in der Verfassung festgeschriebene Bildungspflicht, deren Prinzipien die beiden genannten Südtiroler Bestimmungen entsprächen.
Laut diesen ist Elternunterricht allein dann zulässig, wenn ein genaues Procedere eingehalten und der Bildungsstand der in „homeschooling“ betreuten Kinder von der Schule erhoben wird.
Schulpflichtige Kinder einfach so von der Schule zu nehmen bzw. nicht einzuschreiben wie im Falle der Südtiroler Familie, ist nicht erlaubt. Die Rekurssteller hatten sich einerseits auf den aus der staatlichen Gesetzgebung bekannten Terminus „Familienunterricht“ (der laut Urteil gleichbedeutend zu betrachten ist wie der hiesige Begriff „Elternunterricht“), anderseits auf das verfassungsmäßige Recht auf Bildungsfreiheit berufen.
Die Antwort des Staatsrats auf diese abstruse juristische Konstruktion: „Die Aufgabe der Eltern, ihre Kinder zu bilden und zu erziehen, ist nicht ihr ausschließliches Recht, sondern muss gemeinsam und in einem Gleichgewicht mit den Schulen ausgeübt werden. Die Schulen sind außerdem dafür zuständig, die Einhaltung der Schulpflicht zu überwachen“.
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