Die Nachwuchssorgen
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Biathlon in Antholz (Foto: lpa/Brucculeri)
Bei der Heim-Olympiade im kommenden Jahr sind die Südtiroler Medaillenhoffnungen altbekannte Namen. Warum sich junge Athleten so schwertun, an die Weltspitze heranzukommen.
von Markus Rufin
Eine Heim-Olympiade ist etwas ganz Spezielles, das im Leben eines Sportlers nur mit Glück vorkommt. Umso größer ist die Motivation des jeweiligen Gastgeberlandes bei der Olympiade möglichst viele Medaillen abzuholen.
Auch in Südtirol macht man sich angesichts der Wettkämpfe große Hoffnungen auf eine starke heimische Vertretung. Ist diese Hoffnung ein Jahr vor Beginn der Heim-Olympiade berechtigt?
Markus Ortler, Chef des Wintersportverbandes gibt sich zuversichtlich: „Ich gehe von einer starken Südtiroler Vertretung aus, wir werden ungefähr gleich viele Athleten stellen, wie bei den vergangenen Spielen. In vielen Disziplinen sind wir sehr erfolgreich, in anderen weniger. Bis zum nächsten Jahr kann sich aber noch viel ändern, die Mannschaften werden erst kurz vor Beginn definiert.“
Eine starke Beteiligung garantiert aber noch nicht ein starkes Abschneiden. Die Zahl der Südtiroler Medaillenanwärter ist – Stand jetzt – zumeist auf Namen beschränkt, die in ihren Disziplinen bereits seit Jahren zur Weltspitze zählen. Neue Talente, die sich durch die Aussicht auf die Heim-Olympiade durchsetzen konnten, gibt es kaum.
Im alpinen Ski-Sport sind Dominik Paris und Alex Vinatzer nach wie vor die Leistungsträger, wie die aktuell laufende Weltmeisterschaft in Saalbach Hinterglemm zeigt. Paris schrammte am Wochenende knapp an einer Medaille vorbei, während sich Vinatzer Gold im Team-Wettbewerb sicherte, wobei die technischen Rennen noch ausstehen. Bei den Damen zählt Nicol Delago im Moment zu den erweiterten Top-Athletinnen. Für ihre Schwester Nadia läuft es in dieser Saison genauso wenig wie für Florian Schieder und dem altgedienten Christof Innerhofer.
Junge Talente wie Vicky Bernardi, Sara Thaler, die zuletzt verletzte Teresa Runggaldier oder Tobias Kastlunger werden wohl noch ein paar Jahre Erfahrung benötigen.
„Im Ski Alpin ist es extrem schwierig, weil die Konkurrenz sehr stark ist“, gibt auch Ortler zu. „Grundsätzlich kommen einige Talente nach, für die Weltspitze braucht es aber auch Erfahrung, die die jungen Athleten jetzt sammeln.“
Doch auch in anderen Disziplinen läuft es für Südtiroler alles andere als geplant. Die Rodler, die traditionell immer zu den Medaillenhoffnungen zählen, mussten bei der diesjährigen WM ohne Medaille abreisen. Ortler hofft aber vor allem darauf, dass die neue Bobbahn in Cortina zum Ass im Ärmle wird: „Dadurch haben wir jenen Vorteil, den jetzt andere Nationen haben. Mit ein paar Trainings mehr hat man einen bedeutenden Vorsprung. In dieser Saison ging es oft knapp her, daher zählen wir sicher zu den Favoriten bei Olympia.“
Eine Ausnahme in der heurigen ansonsten dürftigen Medaillenbilanz der Südtiroler Wintersportler stellen die Snowboarder dar. Daniele Bagozza, Gabriel Messner, Aaron March, Edwin und Jasmin Coratti sowie Alt-Star Roland Fischnaller: Die Südtiroler Parallel-Slalomfahrer beeindrucken mit konstant starken Leistungen und konnten sich mehrfach Podest-Platzierungen im Weltcup sichern. Für die Auswahl der Athleten, die bei Olympia an den Start gehen dürfen, stelle sich für die Trainer die Qual der Wahl, meint Ortler.
In den nordischen Ski-Disziplinen sowie in den Randsportarten gibt es zwar diverse Talente, die Hoffnung machen, die großen Favoriten fehlen aber auch dort.
Ein besonderes Augenmerk liegt auf die Südtiroler Biathleten. Sie werden Olympia in Antholz bestreiten. Auch dort gibt es aber dasselbe Dilemma, wie in vielen anderen Disziplinen. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es mit Superstar Dorothea Wierer nur eine wirkliche Top-Athletin. Die anderen Südtiroler Vertreter wie Lukas Hofer oder Hannah Auchentaller, Rebecca Passler und Patrick Braunhofer, die Ortler allesamt als Talente wertet, kommen bislang nur im Europacup oder in Team-Wettbewerben an das Podest heran. Das allein ist natürlich ein Erfolg und stimmt für die Zukunft zuversichtlich, um im kommenden Jahr zu den Medaillenanwärtern zu gehören, braucht es aber eine Leistungssteigerung.
Die ganz großen Superstarts – und davon geht auch der Chef des Landeswintersportverbandes aus – dürften damit altbekannte Namen bleiben. Ein Problem, mit dem Italien aber nicht alleine dasteht: „Auch die Österreicher müssen sich beispielsweise bei diversen Disziplinen auf die alten Namen verlassen. Für Olympia braucht es einfach Erfahrung. Daher wird es kurzfristig keine großen Experimente geben.“
Doch warum tun sich junge Athleten in den verschiedenen Disziplinen so schwer, den Anschluss an die Weltspitze zu schaffen. Ortler unterstreicht, dass dies in einigen Disziplinen durchaus gelingt, in vielen Situationen sei der Druck aber zu groß: „Wenn Plätze in den Nationalmannschaften frei sind, schicken wir elf bis zwölf Athleten nach. Es scheint aber so, als ob die Athleten nach diesem Schritt erstmal durchschnaufen. Sie lassen ein bisschen nach, dabei müssten sie gerade wenn sie zur Nationalmannschaft stoßen, Gas geben. Der Wintersport ist enorm komplex geworden, weil es viele kleine Nationen gibt, die individuell trainieren und so mehr als große Nationen rausholen können. Ein Athlet kann in einem solchen System auch untergehen.“
Nichtsdestotrotz ist Ortler nicht enttäuscht. Er ist nach wie vor sicher, dass man eine starke Südtiroler Vertretung in Mailand, Cortina und Antholz sehen werde, allerdings dürfe man nicht nur ans nächste Jahr denken.
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