Hüter der Wahrheit
Wie Harald Stauder und Angelo Gennaccaro – unter Protest der Fratelli d’Italia – Elon Musk und Mark Zuckerberg bei der Verbreitung von Fake News das Handwerk legen wollen.
von Matthias Kofler
„Zum Glück haben wir hier einen Livestream“, schaltete Sven Knoll einen ironischen Seitenhieb ein. „Ich bin mir sicher, Mark Zuckerberg und Elon Musk werden in den USA gespannt vor ihren Bildschirmen sitzen und vor diesem Antrag zittern. Ich möchte Sie recht herzlich im Landtag begrüßen.“
Unter dem Gelächter der Abgeordneten begann die Debatte zum Begehrensantrag von Harald Stauder (SVP) und Angelo Gennaccaro (Civica), die EU-Kommission zur konsequenten Umsetzung des Digital Services Act aufzufordern. Ihr Ziel: Social-Media-Portale wie Facebook und X zu verpflichten, Faktenchecks selbst durchzuführen, statt private Organisationen damit zu beauftragen.
„Junge Menschen informieren sich zunehmend über soziale Netzwerke“, erklärte Stauder. „Die Verbreitung von Fake News nimmt jedoch dramatisch zu. Faktenchecks sind daher wichtiger denn je. Es geht nicht um Zensur, sondern um fundierte Überprüfungen von Informationen“, betonte er und kritisierte Meta für das Ende der Zusammenarbeit mit externen Faktenprüfern.
Die Debatte nahm schnell Fahrt auf: „Wenn man Falschinformationen verhindern will, sollte man vielleicht hier im Landtag anfangen“, sagte Jürgen Wirth Anderlan (JWA). Er erinnerte daran, dass LH Arno Kompatscher ihm „Remigration“ als „Deportation“ ausgelegt und Stauder während des Wahlkampfs Jugendliche mit Migrationshintergrund als „asoziale Horde“ bezeichnet hatte. „Ist das nicht auch Hassrede?“, fragte der Kalterer provokant und warf der Mehrheit vor, mit diesem Antrag ihre Hilflosigkeit zu zeigen: „Sie pfeifen aus den letzten Löchern.“
Sandro Repetto (PD) und Zeno Oberkofler (Grüne) bezeichneten den Antrag als utopisch und heuchlerisch, solange „Trump-Fans“ in der Landesregierung säßen. „Hört auf mit den Krokodilstränen! Die einzige Hilfe gegen Trump ist ein geeintes Europa, nicht ein Europa der populistischen Nationalisten“, so Oberkofler.
Paul Köllensperger unterstützte den Antrag, kritisierte aber die Widersprüche. „Zuckerberg wird sicher beeindruckt sein, wenn wir ihn auffordern, brav zu sein“, giftete der Team-K-Leader. „Leute wie Musk fordern Meinungsfreiheit, meinen aber einen Freibrief für Fake News und Propaganda.“
Sven Knoll (STF) erinnerte daran, dass Vize-LH Marco Galateo kürzlich mit Casapound mitmarschiert sei – ein Thema, zu dem Kompatscher schweige. „Nach außen hin ein eloquenter Demokrat, aber im eigenen Stall duckt er sich weg, wenn es nach Rechtsextremismus riecht“, so Knoll. Auch klassische Medien seien keine „Hüter der Wahrheit“, betonte er. „Es sind die Meinungen einzelner Journalisten, die oft mehr am Verkauf der Zeitung und an Klicks als an Wahrheit interessiert sind.“ Die Bevölkerung könne sich selbst ein Bild machen, was Wahrheit und was Lüge sei.
„Es ist klar, dass wir mit diesem Antrag nicht die Welt retten werden – nach dieser Logik könnte sich der Landtag überhaupt nicht mehr positionieren“, konterte LH Kompatscher auf die oppositionellen Giftpfeile. Es gehe nicht um Eingriffe in die Meinungsfreiheit. „Es geht vielmehr darum, Meldungen mit dem Stand der Wissenschaft abzugleichen – nicht mit einer objektiven ‚Wahrheit‘.“ Selbst die anerkannte Tatsache, dass die Erde kugelförmig sei, werde von einigen immer noch bezweifelt, bedauerte der SVP-Politiker. Faktenchecks könnten hier helfen, weil nicht jeder die Expertise besitze, um den Wahrheitsgehalt einer Nachricht selbstständig zu überprüfen.
Am Ende fand der Antrag mit 23 Ja-Stimmen eine Mehrheit – ein Erfolg mit Blessuren. In einer Krisensitzung hatte Anna Scarafoni zuvor heftig gegen das Begehren ihrer Mehrheitskollegen protestiert und sich im Landtag der Stimme enthalten. Ihr FdI-Kollege Marco Galateo verließ demonstrativ den Raum, und Christian Bianchi (FI) war abwesend. Geschlossenheit sieht anders aus.
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