Druckmittel Online-Rezensionen
Ein Gesetzesentwurf aus Rom sieht eine strengere Regulierung der Online-Rezensionen vor, um Missbrauch durch Fake-Bewertungen oder Erpressungen zu unterbinden. In Südtirol ist besonders das Gastgewerbe davon betroffen.
von Christian Frank
Ob ein Produkt akquiriert wird oder man sich für ein bestimmtes Restaurant entscheidet, hängt oftmals von den fünf famosen Sternen der Online-Rezensionen ab. Trustpilot, Google, Yelp – die Plattformen, auf denen sich Konsumenten positiv oder negativ über eine Dienstleistung oder ein Produkt äußern können, sind zahlreich. Behauptet ein kryptischer Nutzername dort anonym, dass etwa der Kellner unfreundlich war oder das Carpaccio wässrig-säuerlich schmeckte, kann dies dazu führen, dass zahlreiche weitere potenzielle Gäste abgeschreckt werden und den Besuch meiden.
Die Macht der Rezensionen ist unbestreitbar. Das Hotel mit mageren zwei von fünf Sternen wird gegen einen preislich gleichwertigen Gastbetrieb mit bester Bewertung zwangsläufig den Kürzeren ziehen. Der Kunde gibt den Ton an, der Betrieb wird – ob er will oder nicht – förmlich in die Transparenz rezensiert.
Ein Gesetzesentwurf des italienischen Ministeriums für Tourismus will den Kundenbewertungen nun einige einschneidende Regularien auferlegen. Der Missbrauch, so die verantwortliche Ministerin Daniela Santanché, sei eine Gefahr für die Betriebe.
„Für Restaurants oder Hotels können falsche Bewertungen über Leben und Tod entscheiden“, so die Ministerin.
Der hgv-Direktor Raffael Mooswalder zeigt sich erfreut über die angedachte Richtung des Ministeriums. Er findet, dass besonders die Wahrnehmung des Gastgewerbes maßgeblich von Rezensionen beeinflusst wird.
„Rezensionen haben natürlich einen klaren Einfluss. Der Gastgeber ist mit diesen Bewertungen gläsern, im Unterschied zu anderen Sektoren. Es wird die Möglichkeit gegeben, dass ein Gastgeber, egal ob Beherbergungsbetrieb, Restaurant oder Bar, bewertet werden kann“, erläutert Mooswalder.
Häufig ergeben sich Konflikte und Missbräuche, beanstandet der Direktor. Der Wunsch nach einem stärkeren Schutz für den Gastgeber wird schon länger aus Reihen der Branche laut.
„Leider ist es nicht immer so, dass diese Gäste auch tatsächlich dort gewesen sind beziehungsweise dass die Bewertung der Realität entspricht. Deshalb ist es gut, dass mit dieser Bestimmung der Gastgeber etwas mehr geschützt werden soll“, konstatiert Mooswalder.
er Spielraum für Missbrauch drückt sich im derzeit liberalen Online-Raum der Rezensionen vielfältig aus und reicht von Fake-Rezensionen bis hin zu Erpressungsversuchen für gewünschte Leistungen.
„Es gibt den Klassiker, dass es zu einer spezifischen Leistung eine Diskussion gab, in der eine gewisse Forderung des Gastes gestellt wurde. Dieser Forderung kommt der Gastgeber meist auch bis zu einem gewissen Punkt nach. Doch wenn die Forderung zu groß ist und womöglich verweigert wird, dann wird eine negative Rezension als Druckmittel genutzt. Diese Themen gehen wir gemeinsam mit der hgv-Rechtsabteilung an“, verrät Mooswalder.
Eine Rezension ist anonym, schnell geschrieben, und mit mehreren E-Mail-Adressen können rasch von einer Person gleich mehrere negative Bewertungen in die Weiten des Internets geschossen werden.
Mit diesen leidigen Vorfällen wird der hgv dauernd konfrontiert. Der Weg zu einer Richtigstellung beziehungsweise Löschung ist oftmals mühsam und langwierig, weiß der Direktor: „Wir haben mit diesem Thema als hgv immer wieder zu tun. Es wenden sich Betriebe mit der Bitte um Unterstützung an uns, weil sie sich ungerecht behandelt fühlen. Wir versuchen dann – oft auch mit Unterstützung unseres nationalen Dachverbandes Federalberghi – eine Entfernung zu erwirken. Wir empfehlen unseren Mitgliedern, die Rezensionen in jedem Fall sehr genau zu monitorieren und proaktiv zu interagieren.“
Sich als Betrieb den Rezensionen zu entziehen, ist keine Option. Jede noch so marketingaffine Werbung kann von einigen diskreditierenden Bewertungen zunichtegemacht werden.
„Man legt ein großes Augenmerk darauf. Man kommt nicht drum herum. Es ist ein Schaufenster nach außen. Die Betriebe bemühen sich natürlich, dass die Bewertungen entsprechend positiv sind. Umso mehr schmerzt es, wenn ungerechtfertigte negative Rezensionen geschrieben werden“, so Mooswalder.
Die im Gesetzesentwurf vorgesehenen Änderungen sollen nun Abhilfe schaffen. Künftig soll ein Nachweis erforderlich sein, dass die Dienstleistung oder das in Frage stehende Produkt tatsächlich erworben wurde. Rezensenten müssen klar identifizierbar sein. Zudem haben die bewerteten Betriebe das Recht, eine Löschung der Rezensionen zu beantragen. Darunter fallen auch Rezensionen, die älter als zwei Jahre sind.
Auch der Verkauf von Fake-Rezensionen soll erschwert werden.
Wie genau sich die etwaige Umsetzung gestaltet, bleibt noch offen, gibt Mooswalder zu bedenken: „Jetzt gilt es, genau zu schauen, wie die Umsetzung dieser gesetzlichen Maßnahme erfolgt. Es ist aber auf jeden Fall ein positiver Schritt. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass Transparenz zwar wichtig ist, aber nicht immer zu Lasten der Betriebe gehen kann.“
Auch der Aufwand, den es beansprucht, die Rezensionen in Zukunft zu löschen, liegt noch in der Schwebe. Ein naheliegendes Bedenken ist, dass größere Betriebe wesentlich mehr Kapazitäten für das Monitoring und das Rekurrieren aufwenden können als kleinere, sodass ein weiterer Vorteil für Großbetriebe entsteht.
„Es ist überall so, dass sich größere Betriebe mit solchen Themen leichter tun als kleinere. Als hgv ist es aber unsere Aufgabe, die Betriebe unabhängig von ihrer Größe zu begleiten und zu unterstützen“, versichert Mooswalder und blickt erwartungsvoll auf das Schicksal des Gesetzesentwurfs.
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