Der geleimte Rentner
Eine Bank, die einem 89-jährigen Rentner aus Südtirol Unit-Linked-Versicherungen verkauft hat, ist nun vom Anlegerschiedsgericht (ACF) zur Rückerstattung des Gesamtschadens verurteilt worden.
von Artur Oberhofer
Der Fall ist krass. Und liegt zwei Jahre zurück.
Im Februar 2023 wandte sich ein betagter Herr, 91 Jahre alt, an die Verbraucherzentrale Südtirol (VZS).
Der Grund: Der alte Mann hatte bei einer Südtiroler Bank Geld angelegt – und hohe Verluste zu beklagen.
Die Verluste waren im Zusammenhang mit Finanzprodukten entstanden, die von dem alten Mann zwischen 2020 und 2022 gekauft wurden.
Konkret ging es um vier sogenannte Unit-Linked-Versicherungen und um ein Zertifikat.
Insgesamt hatte der alte Mann 260.000 Euro investiert, davon circa 200.000 in die Unit-Linked-Versicherungen.
Zur Erklärung: Unit-Linked Versicherungen sind (Er-)Lebensversicherungen, die mit Investmentfonds verknüpft sind.
Die Einzahlungen werden in Fonds investiert, deren Wertentwicklung die Höhe der späteren Auszahlung bestimmt, was ein gewisses Anlagerisiko mit sich bringt. „Die Wahl der Fonds und die Kostenstruktur der Versicherung sind entscheidend, da diese Produkte oft mit hohen Verwaltungskosten verbunden sind“, weiß man bei der VZS.
Als „besonders besorgniserregend“ wertet die VZS im konkreten Fall den Umstand, dass der Anleger zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der ersten (Er-)Versicherung bereits 89 Jahre alt war. Und: Um die neuen Investitionen zu tätigen, seien zuvor andere Wertpapiere verkauft worden.
Für die betroffene Bank war der Verkauf der Finanzprodukte insofern von Vorteil, weil sie für die Vermittlung der neuen Produkte eine Provision auf die Anfangskosten sowie eine Provision auf die Verwaltungskosten der Geldanlagen eingestrichen hat.
Im Auftrag des geleimten Renters forderte die Verbraucherzentrale Südtirol zunächst bei der Bank die entsprechende Dokumentation an. Auf der Grundlage der vorgelegten Dokumente legte die VZS formell Beschwerde bei der Bank ein. Diese, so die Vorhaltung, sei ihrer Informationspflicht nicht nachgekommen, und zum anderen hätten die vom alten Mann erworbenen Finanzprodukte nicht den Bedürfnissen eines knapp 90-jährigen, betagten Anlegers entsprochen.
Da die Beschwerde ohne Erfolg blieb, reichten die Verbraucherschützer Rekurs beim Anlegerschiedsgericht der italienischen Börsenaufsicht (Consob), dem „Arbitro per le Controversie Finanziarie“ (ACF), ein.
Der ACF stellte fest, dass die Bank nicht nachweisen konnte, die wesentlichen Informationsdokumente ordnungsgemäß übergeben zu haben. Die ausschließlich elektronische Bereitstellung der Dokumente sei für einen älteren Kunden unzureichend, so das Urteil der ACF.
Zudem kritisierte der ACF den verwendeten MiFID-Fragebogen als zu oberflächlich. Dieser sei nicht dazu geeignet gewesen, die tatsächlichen Bedürfnisse sowie die Risikobereitschaft des Kunden realistisch zu erfassen. Eine eingehende Prüfung der Kenntnisse des Kunden in Bezug auf komplexe Finanzprodukte, wie Unit-Linked-Versicherungen oder Zertifikate, sei im Fall des alten Herrn ebenfalls nicht vorgenommen worden.
Der alte Mann sei wohl – in einem ersten Schritt – über die Unangemessenheit der Investitionen informiert worden, aber die Transaktion sei in der Folge „nicht korrekt abgewickelt“ worden, stellte der ACF fest. Es hätte nämlich ein ausdrückliches Ansuchen des Kunden für den Erwerb der Anlageprodukte vorliegen müssen. Das lag aber nicht vor.
Der ACF stimmte folglich in wesentlichen Punkten der Argumentation der VZS zu.
Die Bank wurde nun zur Rückerstattung der Verluste in Höhe von rund 41.000 Euro plus Aufwertung von ca. 7.000 Euro verurteilt.
Die Bank respektierte die Entscheidung und zahlte dem Kunden den Betrag.
Bei der VZS ist man über den Ausgang dieses Streitfalles zufrieden: „Die Angelegenheit konnte von der Einreichung der Beschwerde bis zur Entscheidung und Auszahlung innerhalb von eineinhalb Jahren abgeschlossen werden.“
Zwar seien Entscheidungen des ACF rechtlich nicht bindend, die Erfahrung aber zeige, dass in allen Fällen, in denen die VZS eine positive Entscheidung erwirkt hat – selbst wenn diese vom Finanzdienstleister nicht akzeptiert wurde – im Rahmen von Vergleichsverhandlungen eine Lösung gefunden werden konnte.
„Dies unterstreicht erneut, dass das Verfahren bei der Streitbelegungsstelle ACF der Consob einen wertvollen Beitrag zum Schutz von Kleinanlegern leistet“, so die VZS-Experten.
Dies gelte umso mehr, wenn man bedenkt, dass das Verfahren kostenlos ist und keinen Rechtsbeistand erfordert.
Apropos Bank: Beim Kreditinstitut, das den alten Mann „betreut“ hat, handelt es sich laut VZS-Geschäftsführerin Gunde Bauhofer um „eine große nationale Bank“.
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