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„Nicht wettbewerbsfähig“

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Die Handelskammern Bozen und Trient sehen im Schienenverkehr eine Alternative zum Transit-Engpass auf dem Brenner. Der Experte Martin Außerdorfer dämpft  jedoch die Erwartungen und erläutert die derzeitige Situation.  

von Christian Frank  

Das Verkehrshemmnis, welches die Sanierung der Lueg-Brücke darstellt, lässt nicht bloß larmoyante Kritik vonseiten der Wirtschaft an einer beanstandeten Lockerung der Tiroler Transitregelungen laut werden, sondern auch den Blick nach Alternativen umherschweifen.  
„Der verursachte Engpass am Brenner führt zu enormen Verzögerungen, schadet der Wirtschaft und führt zu Belastungen für die Bevölkerung“, lautet der Konsens der Handelskammern Trient und Bozen. Die kurzfristige Lösung sei nun, möglichst viele LKW auf die Schiene zu verlagern, um die Straßeninfrastruktur zu entlasten – eine Option, welche die Verfechter der Transitmaßnahmen am Brenner seit jeher predigen.  

Nachdem die Handelskammern ihr Augenmerk auf das Güterverkehrsterminal von Trient legten, sollen sie dabei auf ein enormes ungenutztes Potenzial gestoßen sein.  
Für den Güterverkehrsterminal in Trient ist seit mehreren Jahren ein Ausbauprojekt geplant, das jedoch nur langsam vorankommt. Laut Handelskammern müsse man jedoch auf dieses umfangreiche Projekt nicht warten, denn einsatzbereite Kapazitäten gebe es bereits jetzt noch und nöcher.  
„Der Terminal in Trient verfügt bereits jetzt über ungenutzte Kapazitäten. Schätzungen zufolge könnten täglich 12 Zugpaare, also 24 Züge insgesamt, abgefertigt werden. Das entspräche 8.760 Zügen pro Jahr, einschließlich Wochenenden und Feiertagen, und einer potenziellen Kapazität von 183.960 LKW – was im Vergleich zu den im Jahr 2024 verladenen 13.104 LKW eine enorme Steigerung wäre“, rechnen die Handelskammern vor.  

Diese Aufstellung der Kapazitäten setzt die Prämisse voraus, dass ein einzelner Zug bis zu 21 LKW transportieren kann.  
„Das Potenzial des Güterverkehrsterminals in Trient muss unbedingt ausgeschöpft werden. Zudem müssen auch die Kapazitäten der Terminals in Österreich und Deutschland sowie in Verona erhöht werden, damit die Bahn wieder konkurrenzfähig zur Straße wird“, so Michl Ebner und Andrea De Zordo, Präsidenten der Handelskammern von Bozen und Trient.  
Martin Außerdorfer ist der omnipräsente Experte, wenn es um das Thema Zug geht. Der Geschäftsführer der Rail Traction Company, welche für den Gütertransport auf der Schiene zuständig ist, ist darüber hinaus sowohl Direktor der BBT-Beobachtungsstelle in Franzensfeste als auch im Aufsichtsrat der BBT-Gesellschaft. Zudem war er Präsident der Südtiroler Transportstrukturen AG.  
Außerdorfer begrüßt das Denken der Handelskammern, ernüchtert jedoch die von den Wirtschaftsvertretern entdeckte kurzfristige Lösung.  
„Es gibt theoretische Kapazitäten und Notwendigkeiten des Marktes“, so Außerdorfer.  

Er sieht im Terminal von Trient ein großes Potenzial für die Zukunft, insbesondere sobald der BBT einsatzbereit ist: „In Zukunft brauchen wir dieses Terminal in Trient absolut. Wir brauchen sogar ein zweites Terminal in Verona, in Isola della Scala. Wenn wir den BBT haben, wird es einen starken Verlagerungseffekt geben. Die Schiene wird schneller und günstiger, und jeder Zug wird ein Drittel länger. Es ist wichtig, dass wir jetzt das Thema Terminals dringend angehen. Es ist eine wichtige Ergänzung zum BBT – eine Chance für die ganze Region.“  
Doch als kurzfristige Lösung betrachtet er das hehre Ziel, das Trienter Terminal stärker einzuspannen, nicht. Die von den Handelskammern vorgerechneten potenziellen Kapazitäten treffen laut Außerdorfer zwar zu, doch dies sei nicht der springende Punkt, wenn es um Alternativen zum Straßenverkehr gehe.  

„Es ist ein Marktthema. Ein Transporteur entscheidet in erster Linie, was für ihn günstiger ist. Die Schiene ist in ihrem derzeitigen Zustand nicht wettbewerbsfähig“, so Außerdorfer. Neben der mangelnden Rentabilität musste auch die allgemeine Reputation des Schienenverkehrs Rückschläge hinnehmen, welche Unternehmer abschrecken.  
„Der Transporteur schaut auf die Zuverlässigkeit. Doch die Infrastruktur ist rückständig, und gewisse Dinge funktionieren einfach nicht. Hier muss unbedingt investiert werden. Beim Schienenverkehr sprechen wir zudem immer von mehreren hundert Kilometern. So sind schnell auch die uns umliegenden Länder involviert“, sagt er und bezieht sich auf die vermehrten Schienenprobleme in Deutschland.  

„In Deutschland hatten wir wegen der Bauarbeiten massive Probleme beim Schienennetz. Es gab Streiks und Verspätungen. Bei der EM kamen die Holländer nicht zur Pressekonferenz, weil der ICE Verspätung hatte. Das gab der gesamten deutschen Bahnbranche einen Dämpfer. Es ging viel Vertrauen in die Schiene verloren“, bedauert der Schienenexperte.  
Die Schiene muss wettbewerbsfähig werden, ansonsten stellt sie keine ökonomische Alternative dar, resümiert Außerdorfer. Die weiterhin prekäre Wirtschaftslage in Deutschland spiele zudem dagegen.  

„Wenn die Wirtschaft auf 100 Prozent läuft, sind nicht mal genug LKW-Fahrer in Europa vorhanden. Dann kommt auch die Schiene zum Handkuss. Doch die wirtschaftliche Lage momentan lässt die Transporteure ausschließlich zum Straßenverkehr tendieren“, konstatiert Außerdorfer.  
Sein Fazit: Die Schiene ist, wie es die Handelskammern nun auch erkannt haben, durchaus eine Alternative – doch keine kurzfristige, wenn die Wirtschaftlichkeit das Maß der Dinge ist.  

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