Wanze im Auto
Von Arno Kompatscher bis Karl Zeller, von Eros Magnago bis Ulrich Stofner: Wen die ROS-Fahnder abgehört haben. Und welche Büros sie verwanzt haben.
von Artur Oberhofer
Der größte Lauschangriff in der Geschichte Südtirols beginnt im Jahr 2019.
Eine Anzeige eines Bozner Gemeindebediensteten landet – aus Gründen, die noch nicht bekannt sind – auf dem Tisch des Chefs der regionalen Spezialeinheit ROS. Und weil die ROS-Fahnder mit einer brisanten Ermittlungshypothese – Bildung einer kriminellen Vereinigung mit mafiösem Zuschnitt – starten, ist nicht die Staatsanwaltschaft Bozen zuständig, sondern die Anti-Mafia-Staatsanwaltschaft in Trient.
Der Gang nach Trient hat für die ROS-Fahnder einen angenehmen Nebeneffekt: Denn bei Mafia-Ermittlungen haben die Fahnder viel größere Freiheiten als bei „normalen“ Untersuchungen gegen öffentliche Verwalter oder Politiker.
Nur so ist es auch erklärlich, warum die ROS-Fahnder so viele Personen so lange haben abhören können. „Bei Anti-Mafia-Ermittlungen“, so sagt ein ehemaliger ROS-Fahnder, „haben wir faktisch freie Hand.“
In der ersten Ermittlungsphase geht es um mutmaßliche Straftaten in Zusammenhang mit dem Bau der Siedlung Gries Village. Ein Signa-Projekt.
In dieser ersten Phase, im Jahr 2019, geraten sieben Personen ins Fadenkreuz der Ermittler: Daniel Bedin, damals Geschäftsführender Direktor der Abteilung Vermögen; Heinz Peter Hager, der Statthalter des Tiroler Immobilien-Tycons René Benko; der Immobilienunternehmer Hannes Larcher; der Beamte der Urbanistik-Abteilung der Gemeinde Bozen Giovanni Seppi; die Direktorin des Amtes für die Verwaltung des Gemeindegebiets der Gemeinde Bozen, Daniela Eisenstecken; die beiden Bozner Architekten Andrea Saccani und Fabio Rossa.
Bei Hannes Larcher werden zwei Handys abgehört, im Fall von Giovanni Seppi und Daniela Eisenstecken werden auch die Büros verwanzt.
Ab dem Jahr 2020 lauschen die ROS-Fahnder alle Telefongespräche von Heinz Peter Hagers Trentiner Kompagnon Paolo Signoretti mit. Auch die Telefone von Werner Frick, Josef Gostner und Ulrike Pichler (Leiterin des Vermögensamtes der Gemeinde Bozen) werden angezapft.
Weiters ein österreichisches Handy von René Benko.
Dann gibt es einen Quantensprung in den Ermittlungen. Denn immer ab dem Jahr 2020 wird das Handy von Landeshauptmann Arno Kompatscher, das Handy seines Stellvertreters und Mobilitäts-Landesrates Daniel Alfreider und beide Handys von Bozen Vizebürgermeister Luis Walcher abgehört.
Die ROS-Fahnder verwanzen, krass, auch den Sitzungssaal, in dem der Bozner Stadtrat allwöchentlich tagt, weiters die Büros von Werner Frick und Luis Walcher im Bozner Rathaus.
Immer 2020 verwanzen die ROS-Fahnder das Büro von Heinz Peter Hager und den Sitzungssaal des Studios Hager & Partner im Palais Pock in Bozen.
Ab 2020 wird auch der Eppaner Investigativjournalist Christoph Franceschini, einer der bestvernetzten Journalisten in Südtirol, abgehört.
Ins Visier der ROS-Fahnder geraten weitere prominente Personen: Thomas Mathà, der Chef der Vergabeagentur des Landes und heute Staatsrat, Virna Bussadori, die Leiterin der Abteilung Natur, Landschaft und Raumentwicklung des Landes, und Karl Zeller, langjähriger Parlamentarier und damals Vize-Obmann der SVP.
Auch die Telefone des mächtigen Landesbeamten und engen Kompatscher-Vertrauten Ulrich Stofner, und des einstigen Spitzen-Beamten Hermann Berger werden abgehört.
Im Jahr 2020 wird – ein einmaliger Vorgang in der Geschichte Südtirols – das Büro des Landeshauptmannes im Palais Widmann verwanzt, ebenso das Büro des zweitwichtigsten Landesbeamten Alexander Steiner, seines Zeichens Generalsekretär der Landesverwaltung.
Auch das Telefon des höchsten Landesbeamten, Eros Magnago, wird seit 2020 abgehört.
Das Telefon von SVP-Chef und Landesrat Philipp Achammer wird ebenfalls ab 2020 abgehört, so wie auch das Telefon des ehemaligen Volksbank-Präsidenten und Falkensteiner-Managers Otmar Michaeler.
Im Jahr 2020 wird auch das Auto von Heinz Peter Hager verwanzt. Hager fährt mit Chaffeur, folglich ist sein Auto ein zweites Büro.
Man kann also festhalten: Ab 2020 hört die Spezialeinheit ROS die wichtigsten Politiker und die wichtigsten Beamten des Landes Südtirol ab.
Im Jahr 2021 werden die Telefone des Eppaner Gemeindepolitikers Philipp Waldtaler, des ehemaligen Landtagspräsidneten und Immobilienunternehmers Hermann Thaler und des Unternehmers Kurt Anrather abgehört.
Das Büro des Bozner Stadtrates Stefano Fattor wird ebenfalls im Jahr 2021 verwanzt – so wie auch die Büros der Spitzenbeamten des Landes, Eros Magnago und Daniel Bedin.
Ab 2022 werden dann noch die Telefone des ehemaligen Gesundheits-Landesrates Thomas Widmann und das Telefon das damaligen SVP-Landessekretärs Stefan Premstaller abgehört.
Anzunehmen ist, dass der Lauschangriff auch in den Jahren 2023 und 2024 fortgesetzt wurde.
Die abgehörten Personen
2019
Daniel Bedin
Heinz Peter Hager
Hannes Larcher (zwei Handys)
Giovanni SeppiDaniela Eisenstecken
Andrea Saccani
Fabio Rossa
Büro Giovanni Seppi (Gemeinde Bozen)
Büro Daniela Eisenstecken (Gemeinde Bozen)
2020
Werner Frick
Paolo Signoretti
Josef Gostner
Giovanni Seppi
Daniel Alfreider
René Benko
Arno Kompatscher
Ulrike Pichler
Luis Walcher
Nicolino Crognale
Fulvio Rizzolo
Luis Walcher (Zweites Handy)
Büro Werner Frick (Gemeinde Bozen)
Büro Luis Walcher (Gemeinde Bozen)
Annalisa Bertol (TN)
Stefano Rebecchi
Sitzungssaal – Gemeinde Bozen
Ulrike Pichler
Büro Heinz Peter Hager
Sitzungsaal Studio Hager & Partner
Enrico Nigris (Rom)
Christoph Franceschini
Thomas Mathá
Hermann Berger
Karl Zeller
Virna Bussadori (Chefurbanistikerin des Landes)
Ulrich Stofner
Büro Thomas Mathá (Vergabeagentur des Landes)
Troyan Handy Heinz Peter Hager
Büro Arno Kompatscher
Philipp Achammer
Roberto Zanin
Eros Magnago
Büro Alexander Steiner
Auto Heinz Peter Hager
Othmar Michaeler
Cristina Santi (BMin Riva TN)
Mauro Malfer
2021
Andrea Merler (Anwalt TN)
Philipp Waldthaler
Hermann Thaler
Büro Stefano Fattor (Gemeinde Bozen)
Vittorio Fravezzi (Ex PD-Senator TN)
Fabrizio Guastamacchia
Büro Eros Magnago
Büro Daniel Bedin
Kurt Anrather
2022
Thomas Widmann
Stefan Premstaller
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