Gefallener Engel
Weil sich die SVP plötzlich nicht mehr an ihr „Versprechen“ erinnern will, den Civica-Mann Angelo Gennaccaro als Bürgermeisterkandidaten für Bozen zu unterstützen, brennt es in der Koalition – mal wieder – lichterloh.
von Matthias Kofler
Nach außen machen alle Beteiligten gute Miene zum bösen Spiel. Die Sitzung sei in einem „konstruktiven und ruhigen Klima“ verlaufen, berichtete Landeshauptmann Arno Kompatscher. Alle hätten den Willen bekundet, weiterzumachen. Doch hinter den Kulissen fliegen seit dem Koalitionsausschuss am vergangenen Montag die Fetzen. Von „Wortbruch“ ist die Rede, „von wegen Tiroler Handschlagqualität“.
Grund des Ärgers: Die Civica wirft der SVP vor, sich nicht mehr an ihr Versprechen zu erinnern, „ihren“ Angelo Gennaccaro im ersten Wahlgang als Bürgermeisterkandidaten für Bozen zu unterstützen. „Wir haben Stephan Konder nominiert – und wir bleiben dabei“, stellte SVP-Obmann Dieter Steger in der Sitzung klar. Ein fliegender Wechsel zu Gennaccaro komme für das Edelweiß nicht infrage, lautete die unmissverständliche Botschaft.
In Civica-Kreisen ist der Ärger groß. Aus Gennaccaros Umfeld heißt es, es sei Steger höchstpersönlich gewesen, der das Thema einer Unterstützung im ersten Wahlgang während der Koalitionsverhandlungen vor einem Jahr ins Spiel gebracht habe – als Gegenleistung dafür, dass Gennaccaro trotz seines Vorzugsstimmen-Ergebnisses zugunsten von Christian Bianchi auf einen Platz in der Landesregierung verzichtete. Mit Bianchi sollte ein direkter Draht zu Lega-Regionenminister Roberto Calderoli aufgebaut werden, um die laufenden Autonomie-Verhandlungen mit Rom zu erleichtern.
Nun haben sich die Vorzeichen verändert: Bianchi hat der Lega am vergangenen Wochenende den Rücken gekehrt – und die Führung von Forza Italia übernommen, die bei den Landtagswahlen auf magere 0,6 Prozent gekommen war. Gennaccaro forderte am Montag in der Sitzung Klarheit darüber, was das für die Koalition auf Landesebene bedeutet. Aus Sicht der Civica könnten mit dem Wegbrechen der Achse Bozen–Mailand wichtige Vorhaben wie die Reform des Autonomiestatuts und die Brennerautobahn-Konzession auf der Strecke bleiben. Gennaccaro forderte zwar nicht direkt, an Bianchis Stelle in die Landesregierung einzuziehen – machte aber deutlich, dass sich die SVP an Abmachungen zu halten habe.
Aus der Brennerstraße kommen widersprüchliche Aussagen zum angeblichen Gennaccaro-Versprechen. Mehrere SVP-Exponenten bestätigen hinter vorgehaltener Hand, dass die Bürgermeisterwahl während der Koalitionsgespräche von Ex-Stadt- und Bezirksobmann Dieter Steger im Beisein des damaligen Parteichefs Philipp Achammer durchaus thematisiert wurde. Civica-Vertreter Nerio Zaccaria, der ebenfalls am Verhandlungstisch saß, sagt: „Steger hat uns die Unterstützung im ersten Wahlgang zugesichert. Ich habe ein gutes Gedächtnis und sehr gute Ohren.“ Auch Senatorin Julia Unterberger erinnert sich an eine Vereinbarung mit ihrem Freund Pierferdinando Casini, wonach dieser im Gegenzug den zögernden Gennaccaro zum Einlenken bewegen sollte. Ob die zugesagte Unterstützung nun im ersten Wahlgang oder erst in einer möglichen Stichwahl stattfinden sollte, darüber gehen die Darstellungen innerhalb der SVP auseinander. Meinhard Durnwalder, Bezirksobmann des Pustertals, erklärt: „Was genau damals besprochen wurde, müssen Sie Steger fragen. Ich gehe davon aus, dass die SVP in Bozen im ersten Wahlgang allein antritt und dann, falls Gennaccaro in die Stichwahl kommt, ihn unterstützen könnte.“ Ohne Bündnispartner sind Gennaccaros Chancen, im ersten Wahlgang unter die ersten beiden Plätze zu kommen, allerdings gering – vor allem, wenn sowohl Mitte-Rechts als auch Mitte-Links eigene Kandidaten ins Rennen schicken.
Landeshauptmann Arno Kompatscher hält sich bedeckt, bestätigt nichts und dementiert nichts: „Dazu kann ich nichts sagen. Eine solche Vereinbarung würde heute wie seinerzeit jedenfalls in die Zuständigkeit der Parteiführung fallen.“
Aus dem Palais Widmann heißt es, dass das Thema Bozen nicht Gegenstand der Koalitionsverhandlungen mit dem LH war. Dort sei es ausschließlich um die Kompetenzen gegangen, die in den direkten Entscheidungsspielraum Kompatschers fielen – etwa die Regionalregierung oder die Sechserkommission.
SVP-Chef Dieter Steger teilt mit, dass er das Thema „nicht mehr kommentieren“ werde. „Ich habe das bereits x-mal öffentlich klargestellt: Wir haben einen eigenen Bürgermeisterkandidaten, und ich habe nie versprochen, darauf zu verzichten.“ Schon im Januar 2024, als die Koalitionsgespräche noch liefen, hatte er die Spekulationen über eine mögliche Gennaccaro-Unterstützung als „Unsinn“ zurückgewiesen und in einem Gespräch mit der Tageszeitung erklärt: „Die Entscheidung über die Bürgermeisterkandidatur trifft die Stadtpartei zu gegebener Zeit, also im Frühjahr nächsten Jahres.“
Klar ist: Kompatscher und Co. müssen die Wogen innerhalb der fragilen Mitte-Rechts-Koalition so schnell wie möglich glätten. Diese beruht im Landtag auf einer hauchdünnen Ein-Stimmen-Mehrheit. Sollte Gennaccaro bocken oder gar ganz aussteigen, wäre das Kabinett Kompatscher 3 nach nur einem Jahr bereits Geschichte.
Kommentare (2)
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