Der Lauschangriff
Die wichtigsten Landespolitiker von (A)rno bis (Z)eller und die höchsten Landesbeamten: Im Zuge der Operation „Romeo“ wurden 44 Peronen abgehört und ein Dutzend Büros verwanzt.
von Artur Oberhofer
Ein hochrangiger Beamter einer Spezialeinheit der Carabinieri sagt im Hintergrundgespräch: „Die Aktion hat weit über eine Millionen Euro, möglicherweise sogar zwei Millionen Euro gekostet.“
Die Humanressourcen nicht inbegriffen.
Die Rede ist vom größten Lauschangriff in der Südtiroler (Kriminal-)Geschichte: Noch nie wurden im Rahmen einer Ermittlung in Südtirol so viele Telefone abgehört, Trojaner eingesetzt und Büros und Sitzungssäle verwanzt wie im Rahmen der Operation „Romeo“ (Aktenzeichen: 5811/2019).
Der TAGESZEITUNG liegen jetzt exklusiv Unterlagen hervor, auf deren Grundlage sich die wahre Dimension und die Genese dieser spektakulären Ermittlung rekonstruieren lässt.
Die Zahlen sind beeindruckend:
Die Fahnder der Spezialeinheit der Carabinieri ROS (Ragruppamento Operativo Speciale) haben jahrelang, seit 2019, 44 verschiedene Personen abgehört, 35 davon kommen aus Südtirol.
Es wurden Büros und sogar Sitzungssäle in der Gemeinde Bozen und in den Landespalästen verwanzt.
Es wurden Trojaner auf Smartphones gespielt, mit denen Anrufe, E-Mails, SMS und mit Signal, WhatsApp oder anderen verschlüsselten Chats überwacht werden konnten. Trojaner taugen sogar zur Raumüberwachung, weil man mit ihnen das Mikrofon und die Kamera des Smartphones einschalten kann. Und mittels dieser Späh-Software können die Ermittler Fotos und Videos auf dem Handy durchsuchen und Passwörter auslesen – und zu jeder Zeit die exakte Position des Handys orten.
Vor diesem Faktenhintergrund ergibt sich ein bemerkenswertes Szenenbild. Nämlich: Die Spezialeinheit ROS, die nachrichtendienstlich strukturiert und organisiert ist, hat in Südtirol jahrelang die wichtigsten Landespolitiker, Landeshauptmann inklusive, die Spitze der größten Partei im Lande, die höchsten Landesbeamten, den Bozner Vizebürgermeister, Mitglieder des Stadtrates, die wichtigsten Beamten im Rathaus der Landeshauptstadt und einen der bestvernetzten Journalisten des Landes abgehört und überwacht.
Sprich: Über die Spezialeinheit ROS hat der Staat jahrelang das Land Südtirol in Gestalt der wichtigsten Entscheidungsträger abgehört und observiert.
Auf diese Art und Weise hat die Spezialeinheit ROS, deren Haupteinsatzgebiet die Welt der Organisierten Kriminalität ist, Dutzende Terabyte an Daten und Informationen gesammelt. Es gibt nichts politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich Relevantes, was diese Spezialeinheit der Carabinieri seit 2019 nicht mitbekommen hat.
Nach Informationen der TAGESZEITUNG war die Operation „Romeo“ auch noch nicht der Schlusspunkt, eine Operation „Giulietta“ soll in Kürze noch folgen, heißt es aus Ermittlerkreisen.
Im Zuge der jahrelangen und kapillaren Überwachung der politischen und beamteten Elite Südtirols hat die Spezialeinheit ROS Millionen von Informationen gesammelt.
Einige Beifunde wurden bzw. werden an die Staatsanwaltschaft nach Bozen übermittelt, mit anderen Akten wird man, sobald sie freigegeben werden, die politische Geschichte der letzten Jahre neu schreiben können.
So haben die Späher der Sondereinheit ROS, beispielsweise, alle politischen Vorgänge rund um den „Freunde im Edelweiß“-Skandal mitverfolgt und aufgezeichnet.
Dem Vernehmen ist das gesammelte Material – wenn schon nicht strafrechtlich – politisch hochexplosiv.
LESEN SIE MORGEN AUF TAGESZEITUNG Online:
- Die Namen der Politiker und öffentlichen Verwalter, die jahrelang abgehört wurden.
Kommentare (1)
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