Die Anklage
Die Staatsanwaltschaft am Rechnungshof hat nun gegen drei Personen – Florian Zerzer, Enrico Wegher und Patrick Franzoni – Anklage wegen des Ankaufs von schadhafter Schutzausrüstung erhoben. Am 6. Mai wird darüber verhandelt.
von Thomas Vikoler
Es war ein regelrechtes Abzählen in den vergangenen Wochen, begleitet von der Frage, wessen Position archiviert wird und gegen wen weiter ermittelt wird.
Inzwischen gibt es eine eindeutige Antwort: Die Schadensersatzverfahren gegen Sanitätskoordinator Pierpaolo Bertoli, Notfallmedizin-Primar Marc Kaufmann, Pflegedirektorin Marianne Siller und Renato Martinolli von der Abteilung Einkauf des Sanitätsbetriebs sind von der Staatsanwaltschaft archiviert worden.
Drei Personen ist nun hingegen eine 90-seitige Anklageschrift der leitenden Staatsanwältin Alessia Di Gregorio zugestellt worden: Florian Zerzer, der damalige Direktor des Sanitätsbetriebs, Enrico Wegher, damaliger und aktueller Verwaltungsdirektor des Sanitätsbetriebs, und der frühere Vize-Covid-Einsatzleiter Patrick Franzoni.
Der Termin für die Verhandlung wurde auf den 6. Mai dieses Jahres vor der Rechtssprechenden Sektion des Regionalen Rechnungshofes in Bozen angesetzt. Jener Rechnungshof, der nach den Plänen der römischen Regierung abgeschafft bzw. in jenen von Venedig eingegliedert werden soll.
Aber so weit ist man bisher nicht, das Schadensersatzverfahren über von der Firma Oberalp aus China vermittelte Lieferung von Schutzausrüstung zu Beginn der Pandemie im März 2020 wird auf jedem Fall in Bozen abgehandelt.
Wobei nun feststeht, dass im Falle einer Verurteilung allein zwei Akteure den auf 6,7 Millionen Euro geschätzten Hauptschaden begleichen müssen: Zerzer und Wegher.
Die Vorhaltung gegen Franzoni nimmt sich dagegen bescheiden aus. Von ihm fordert die Staatsanwaltschaft – zusammen mit Zerzer – 31.711,46 Euro wegen der ominösen Fahrt zum Dekra-Zertifizierungszentrum in Deutschland, wo der Versuch unternommen wurde, die Schutzausrüstung für die Verwendung in den Spitälern durch ein positives Gutachten zu retten. Die Dekra-Laborkosten von 31.711,46 Euro zahlte der Sanitätsbetrieb.
Franzoni werden außerdem 30.722,59 Euro wegen seiner (nicht gestempelten) Abwesenheiten vom Dienst während des Lockdowns vorgehalten. Dazu läuft auch ein Strafverfahren gegen Franzoni, in dem der finanzielle Schaden für den Sanitätsbetrieb auf 722,52 Euro beziffert wurde. Die Staatsanwaltschaft am Rechnungshof geht dagegen – obwohl bisher kein Strafrechts-Urteil vorliegt – von einem Imageschaden für den Sanitätsbetrieb aus.
„Es liegt nicht einmal ein fahrlässiges Verhalten meines Mandanten vor, der ohnehin 24 Stunden im Einsatz war. Das Stempelsystem hat damals nicht funktioniert“, sagt Franzonis Anwalt Mattia Praloran.
Waren die 6,7 Millionen Euro Vermögensschaden in der Aufforderung zur Stellungnahme vom Dezember 2023 gesamtschuldnerisch, also gemeinsam auf sieben Personen aufgeteilt worden (darunter auch Franzoni), bleiben nun gerade zwei als potenziell Haftbare übrig – die genannten Zerzer und Wegher.
Denselben Betrag fordert die Staatsadvokatur Trient auch im laufenden Strafverfahren gegen Zerzer, Franzoni und Oberalp-Geschäftsführer Christoph Engl. Oberalp ist inzwischen als zivilrechtlich haftbare Partei im Verfahren vertreten, die nächste Vorverhandlung, auf der die Staatsanwaltschaft die Einleitung eines Hauptverfahrens beantragen wird, ist für den 20. Februar angesetzt.
Wie es aussieht, wollen gleich zwei Staatsanwaltschaften den Schaden eintreiben, der durch die Lieferung von einer Million chirurgischer Masken im Wert von 0,40 Euro pro Stück, 250.000 FFP2-Masken und 250.000 FFP3-Masken zu jeweils 1,33 Euro pro Stück, 400.000 Schutzanzüge zum Preis von 18,50 Euro sowie 30.000 aseptische Anzüge zu je 27,90 Euro mutmaßlich entstanden ist.
Allerdings: Im Strafverfahren wird allein eine zivilrechtliche Verantwortlichkeit festgestellt, während der Rechnungshof zur Zahlung von Schadensersatz verurteilen kann. Dort genügt ein fahrlässiges Handeln – auch wenn die Staatsanwaltschaft am Rechnungshof Zerzer und Wegher Vorsätzlichkeit vorwirft. Etwa im Wissen gehandelt zu haben, dass die erforderlichen Zertifizierungen für die Schutzausrüstung fehlten.
Die Verteidigungslinie ihrer Anwälte ist bereits vorgegeben: Zerzer und Wegher hätten nichts anderes getan als die meisten Spitalsverwalter zu Beginn der Corona-Pandemie, nämlich jegliche verfügbare Schutzausrüstung aufzukaufen, ob sie nun den Normen entsprach oder nicht.
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