KI im Klassenzimmer
Wie Südtirols Lehrer damit umgehen, dass Hausaufgaben zunehmend mit Hilfe Künstlicher Intelligenz angefertigt werden. Und ob ein unsachgemäßer Umgang mit dem Instrument zu einem geringeren Bildungsniveau der Schüler beiträgt.
von Sandra Fresenius
Die Digitalisierung ist Fluch und Segen zugleich. Da bilden auch die Schulen keine Ausnahme. Immer mehr Schüler erledigen ihre Aufgaben mit Künstlicher Intelligenz – und nehmen dabei die generierten Inhalte kritiklos hin.
„Einige Schüler sind im Umgang mit der KI schon sehr weit, bei anderen hingegen ist diese Möglichkeit noch gar nicht angekommen, so dass sie nicht einmal wissen, wie sie bei ChatGPT einsteigen müssen“, berichtet Marylin Egger, Englischlehrerin am Oberschulzentrum Schlanders.
Meistens würden die Schüler die Anwendung aus Bequemlichkeit nutzen, um Hausarbeiten zu schreiben oder Präsentationen anfertigen zu lassen. Wenn sie als Hausaufgabe das Schreiben eines Essays aufgeben würde, könnte sie ganz sicher sein, dass drei Viertel der Schüler sich die Abhandlung komplett von der KI schreiben lassen. Das übrige Viertel würde zumindest eigenständig einen Text vorschreiben, damit die KI anschließend daraus etwas formen kann, berichtet die Englischlehrerin. Daher müsse man beginnen, Aufgaben so zu stellen, dass es sich nicht um bloße Reproduktion handelt.
„Diese Aufgaben machen wir mittlerweile in der Klasse, während Hör- und Leseübungen oder kritisches Denken zu Hause von den Schülern zu erledigen sind“, erläutert Egger, wie sie das Problem umgeht. Zudem würde es vielen Schülern noch nicht gelingen, mit der KI auch so zu arbeiten, dass es ihnen einen Vorteil bringt, zum Beispiel indem sie eigene Arbeiten von der Technologie korrigieren lassen, kritisiert Egger. So gelingt es der Lehrerin vom Oberschulzentrum Schlanders, die mit KI angefertigten Aufgaben zu erkennen, weil diese stets nach einem ähnlichen Schema gelöst und nur eine oberflächliche Argumentation aufweisen würden. Außerdem mangele es den Schülern am Bewusstsein gegenüber den Gefahren, die die Nutzung von KI mit sich bringen kann.
„Wenn Schüler und Lehrer aber lernen, wie man KI positiv nutzen kann, dann können alle viel davon profitieren“, unterstreicht die Englischlehrerin. Den Einsatz von KI über Schulnoten zu sanktionieren, davon hält Egger wenig, weil nicht immer mit vollkommener Sicherheit nachvollziehbar sei, ob eine Arbeit komplett mit der Anwendung oder nur teilweise mit deren Unterstützung erstellt ist. Ihrer Erfahrung nach sei es in einem solchen Fall besser, dem Schüler eine zweite Chance zu geben, die Arbeit doch noch persönlich und selbständig anzufertigen.
Wie an wohl fast allen Mittel- und Oberschulen Südtirols hat die Künstliche Intelligenz längst auch an der Wirtschaftsfachoberschule Julius und Gilbert Durst in Brixen Einzug gehalten und kommt dort vor allem in den literarischen Fächern zum Einsatz. „Wichtig ist, mit den Schülern den Umgang mit KI zu thematisieren, damit sie das richtige Maß finden und unterscheiden lernen, wann dieses Instrument nützlich oder ergänzend ist und wann überhaupt nicht einsetzbar. Die Schüler sollten stets analytisch und mit ihren eigenen Kenntnissen das KI-Ergebnis hinterfragen“, betont Anny Tauber, Lehrerin für Betriebswirtschaftslehre an der Fachoberschule.
Diese Kritikfähigkeit sei überwiegend altersabhängig und meist erst in der Oberstufe entsprechend ausgeprägt. „Wenn das Ergebnis besprochen wird, erkenne ich natürlich, ob Schüler sich mit der Materie auseinandergesetzt haben“, so Tauber. Schule müsse aufpassen, es mit der Digitalisierung nicht zu übertreiben. In Schweden, Vorreiter in Sachen Bildung, weiß man inzwischen, dass es Jugendlichen nicht gut tut, wenn sie stundenlang digital unterwegs sind. Dort ist man längst dabei, das Ausmaß an Digitalisierung in der Schule wieder zu reduzieren. Und trotzdem sollen an der Brixner Fachoberschule nach kontroversen Diskussionen ab dem kommenden Schuljahr neben den bereits existierenden Laptop-Klassen alle Schüler ihr eigenes Gerät mitbringen.
„In den Laptop-Klassen ist schon jetzt festzustellen, dass die Schüler nur mehr auf das Gerät fixiert sind und nur schwer zuhören können. Sie vergessen einfach, auch das wahrzunehmen, was außerhalb des Gerätes passiert. Dabei gibt es außerhalb der digitalen Welt vieles, was interessant, lehrreich, unbedingt nötig und ergänzend ist. Das müssen wir zunehmend einfordern, damit es nicht verloren geht. Digitale Arbeitsinstrumente sind wertvoll und sollen in der Schule angewendet werden, aber es darf uns nicht entgleiten, dass sich mit der starken Fokussierung auf die digitale Welt eine gewisse Hilflosigkeit in der analogen Welt anbahnen könnte“, warnt Tauber.
Eine ähnliche Meinung vertritt eine Lehrperson der Wirtschaftsfachoberschule Heinrich Kunter in Bozen:
„Es wird nicht mehr lange dauern, bis die KI perfekt ist. Spätestens dann muss sich Schule verändern. Seit der Corona-Pandemie, in der begonnen wurde, Aufgaben und Inhalte digital zu übermitteln, hat das Bildungsniveau der Schüler extrem abgenommen, was vor allem bei händisch zu schreibenden Tests und mündlichen Prüfungen auffällt. Die Schüler sind es nicht mehr gewohnt, regelmäßig zu lernen und Aufgaben selbständig zu bearbeiten. Und sie glauben der KI mehr als Experten oder einem Lexikon. Teilweise wissen sie nicht einmal mehr, wie und wo sie außerhalb der KI an Wissen gelangen können.“
Kommentare (1)
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