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Die Bio-Revolution

Das Castel Sallegg im Herzen Kalterns wurde zum Pilotprojekt einer ökologischen Innovation, die neue Maßstäbe setzen soll. Ein Bioreaktor soll allein aus Abfällen der Weinproduktion eine autarke Energieversorgung gewährleisten.

von Christian Frank

Der Champagner liegt auf Eis, und auf den Etageren sind tatarbestrichene Brötchen angerichtet. Ein ungewöhnlicher Anblick für eine Forschungspräsentation über nachhaltige Energiegewinnung. Doch im geschichtsträchtigen Ansitz Sallegg im Herzen Kalterns kam es zu einer unverhofften Übereinkunft vermeintlich unverwandter Welten. Das seit Mitte des 19. Jahrhunderts im Besitz der Grafschaft Kuenburg befindliche Weingut wurde nämlich zum Schauplatz eines wissenschaftlichen Projekts, das den Begriff „Nachhaltigkeit“ aus seiner oft plattitüdenhaften Verwendung reißen will und von dem sich der Bauernbund verspricht, dass es neue Maßstäbe setzen wird. Der Pathos wird zudem von den namhaften Geladenen unterstrichen, die sich im Kalterer Central Park, wie sich das Weingut selbst bescheiden nennt, einfinden.

Die Landesräte Peter Brunner und Luis Walcher, schick livriert, sowie ein Tross aus Verantwortlichen des Forschungszentrums Laimburg, des Forschungsinstituts Eurac, des NOI Techparks und der Universität Bozen finden sich in den Gemäuern des aristokratischen Anwesens ein, das gut vier Hektar Weingut inmitten des Ortskerns überblickt. Es wird schnell klar: Hier wurden alle möglichen Kräfte gebündelt.
Inmitten all des Trubels findet sich der Mann der Stunde: Tobias Diana, der die großen Worte anderen überlässt, ist der Kopf hinter einer Erfindung, die jetzt groß herauskommen soll.

Diana hat nämlich einen Bioreaktor entwickelt, der gänzlich aus den Abfallmaterialien der Weinproduktion Wärme erzeugen kann, die wiederum zur Beheizung verwendet wird. Ohne zu tief in wissenschaftliche Terminologie zu versinken, funktioniert Dianas Erfindung folgendermaßen: In zwei Kammern mit insgesamt 95 Kubikmetern Füllmenge werden alle möglichen Reste, seien es Traubenkämme oder auch Rodungsreste wie Wurzelstöcke oder ganze Bäume, hineingegeben. Durch die kontrollierte Zufuhr von Luft und Wasser werden diese fermentiert. Banal ausgedrückt, werden die Reste von Bakterien gefressen, die sich dabei in Bewegung setzen und durch diese Bewegung Wärme erzeugen. Diese Wärme gelingt es zu verwerten und gezielt umzuwandeln. Durch diesen Vorgang kann eine Wärme von bis zu 65 Grad entstehen.
„Damit heizen wir das insgesamt 6.600 Kubikmeter große Gebäude“, konstatiert Michael Kompatscher, der Geschäftsführer des Castel Sallegg, stolz.

Nicht bloß die insgesamt 15 Zimmer sollen dadurch erwärmt, sondern auch das Schwimmbad temperiert werden.
„Das System funktioniert autark, und sogar die Reste daraus können wiederverwendet werden“, erklärt Kompatscher.

Ganz im Zeichen der Kreislaufwirtschaft schließt sich der Zyklus bei der Entsorgung der übriggebliebenen Masse. Nach einem Jahr müssen die Reste aus dem Reaktor genommen werden. Diese stellen laut Diana einen erstklassigen Dünger dar und werden dementsprechend dem Feld zugeführt. Die Energieversorgung bedeutet für das Castel Sallegg nicht bloß eine ökologisch grüne Weste, sondern auch signifikante monetäre Vorteile. Laut Diana birgt die innovative Technologie deutliche Kosteneinsparungen.
„Ich bin in der Landwirtschaft aufgewachsen. Später fand ich mich in Kenia wieder und habe dort ein Abfallwirtschaftssystem geplant. Dort habe ich erfahren, dass Kompost warm werden kann. Als ich schließlich wieder zu Hause einem Freund bei der Weinernte half, fielen mir die Schnittreste auf, und es hat Klick gemacht“, rekapituliert Diana, der mittlerweile ein Unternehmen namens Biologic Systems gegründet hat und ein gut 30-köpfiges Team leitet.

Auf knapp 840.000 Euro belief sich das Budget für die Realisierung des Projekts, davon stammen mehr als 680.000 Euro aus EU-Geldern. Das Castel Sallegg ist jedoch bloß der Anfang. Nun will der Forscher mit seiner Erfindung hoch hinaus und die Technologie salonfähig machen: „Es geht jetzt viel darum, dass wir die Produktion der Maschinen optimieren können. Wir wollen internationale Märkte erschließen und anschließend auch die Technologie für andere Ressourcen ausbauen, wie kommunale oder Gärtnereiabfälle. Die Schlagworte sind also Internationalisierung und Produktionsaufbau.“

Das Pilotprojekt im Betrieb hofieren zu lassen, war anfangs ein gewagter Schritt, erinnert sich Kompatscher: „Die Heizungstechniker waren allesamt skeptisch, doch bei der Laimburg gibt es einen Versuchsreaktor, und wir haben gesehen, dass es durchaus funktionieren kann. Die Idee war zudem förderbar und für uns schlussendlich das Risiko wert.“

Auch Rückschläge und Herausforderungen räumt Kompatscher ein, doch das Ergebnis, findet er, kann sich sehen lassen. Tatsächlich sprechen die von Diana resümierten Zahlen für sich. So misst der Bioreaktor einen COP-Wert (wie viele Einheiten Wärme aus einer Einheit Strom erzeugt und in den Heizkreislauf abgegeben werden können) von 4,6, während Luft- oder Geothermie sich auf einem COP-Wert von drei bis vier einfinden.
„Das ist jedoch erst der Anfang, und es sind noch lange nicht die Werte, die wir erzielen wollen und können“, schickt Diana voraus und blickt über die zu dieser Jahreszeit noch kargen Weinreben in eine grüne Zukunft.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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