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„Was soll i tien mit de Mander?“

Bischof Wilhelm Egger (Foto: Diözese)

Gegen Bischof Wilhelm Egger und Generalvikar Josef Michaeler werden in dem Gutachten zum Missbrauch in der Südtiroler Kirche schwere Vorwürfe erhoben.

von Artur Oberhofer

Der Bericht der Münchner Rechtsanwaltssozietät Westpfahl, Spilker und Wastl ist 628 Seiten stark.

In dem Bericht wird – unter dem Titel Fall 16 – auch einer der spektakulärsten Missbrauchsfälle in der Südtiroler Kirchengeschichte erörtert: der Fall Don Giorgio Carli. Der damalige Kaplan der Pfarre San Pio X. in Bozen war im Jahr 2003 wegen Missbrauchs einer Minderjährigen verhaftet worden. Fünf Jahre lang soll Carli das Mädchen missbraucht haben. Begonnen hat der Missbrauch, als das Mädchen neun Jahre alt war.

Don Giorgio Carli wurde in erster Instanz freigesprochen, in zweiter Instanz zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt – und schließlich am Kassationsgerichtshof wegen Verjährung freigesprochen. Ein Zivilgericht verurteilte die Diözese zur Zahlung eines Schadenersatzes an das Missbrauchsopfer in sechsstelliger Höhe.

Aus dem jetzt vorgestellten Bericht geht hervor, dass nicht die Kurie, sondern dass „ein Dritter“ den Schadenersatz bezahlt hat.

Die kolportierte Summe: 500.000 Euro.

Den Umstand, dass nicht die Diözese für den Schadenersatz aufgekommen ist, wurde von den Münchner Anwälten so interpretiert: „Wer zahlt, gesteht eine Schuld ein.“

Das habe die Diözese im Fall Carli aber nicht machen wollen.

Don Giorgio Carli

Im Fall Don Carli habe die Diözese die besten Anwälte, Psychiater und Psychologen eingesetzt, um – so heißt es im Gutachten – „die Glaubwürdigkeit des Opfers zu untergraben“.

In dem Bericht werden schwere Vorwürfe gegen Bischof Wilhelm Egger erhoben – nicht nur im Zusammenhang mit dem Fall Don Carli.

Wilhelm Egger, so heißt es im Gutachten, sei in mindestens sechs Missbrauchs(verdachts)fällen fehlerhaftes und/oder zumindest bei der Sachbehandlung unangemessenes Verhalten vorzuwerfen.

Im Fall eines Priesters, der Anfang der 1960er-Jahre einen ersten Missbrauch beging und versetzt wurde, dann einen weiteren Missbrauch beging und wieder versetzt wurde – das ging so 50 Jahre lang. Erst 2010 wurde der Priester als Seelsorger enthoben.

Eine Zeitzeugin berichtete den Gutachtern, dass sie Bischof Egger den krassen Fall des uneinsichtigen Priesters geschildert habe, der Bischof habe geantwortet: „Was soll i tien mit de Mander?“

Im Bericht heißt es: „Bischof Wilhelm Egger ließ den Priester trotz der wiederholten schwerwiegenden Vorwürfe weiterhin in der Seelsorge tätig sein, ohne Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet gewesen wären, mögliche erneute sexuelle Übergriffe auf Minderjährige zu verhindern.“

Die Gutachter werten das Verhalten des Bischofs als „kaum noch nachvollziehbare Arroganz, sofortiges Handeln wäre nötig“ gewesen.

Auch dem früheren Generalvikar Josef Michaeler wird ein Fehlverhalten angelastet, und zwar in mindestens neun Missbrauchsfällen. Im Fall Don Carli hatte sich Michaeler anfangs sogar geweigert, dem Gericht kirchliche Akten herauszugeben. Im gestern präsentierten Gutachten heißt es: „Generalvikar Josef Michaeler räumte den kirchlichen und priesterlichen Interessen deutlich Vorrang gegenüber den Belangen der Betroffenen ein.“

Michaelers Verhalten stehe „nicht im Einklang mit dem kirchlichen Selbstverständnis, das durch die Sorge um Notleidende und Bedrängte geprägt ist.“ In den letzten Jahren vor seinem Tod habe Michaeler aber „sein Fehlverhalten zunehmend eingesehen“. Der Generalvikar sei zuletzt sogar bereit gewesen, sich mit einem Betroffenen, der sich von ihm nicht adäquat behandelt gefühlt hat, zu treffen und mit ihm sein eigenes Fehlverhalten zu erörtern.

Das Gespräch fand nicht mehr statt, weil Michaeler wenige Tage vorher starb.

Positiv hervorzuheben sei, dass neben Bischof Ivo Muser und Generalvikar Eugen Runggaldier auch Bischof Karl Golser klar und deutlich gegen sexuellen Missbrauch eingetreten sei, heißt es im Gutachten.

Bischof Wilhelm Egger (Foto: Diözese)

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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