„Am Ende ging es immer um die Bürger“
35 Jahre war Oswald Schiefer Bürgermeister von Kurtatsch. Nun will er auf eine Wiederkandidatur verzichten. Worauf der 75-Jährige besonders stolz ist, wie sich die Gemeinde verändert hat und wo die großen Herausforderungen bestanden.
TAGESZEITUNG: Herr Schiefer, nach einer solch langen politischen Laufbahn, welche Bilanz ziehen Sie rückblickend?
Oswald Schiefer: Ich kann mich nicht beklagen, ich war immer zufrieden, auch jetzt in meinen letzten Jahren im Amt. Das Schönste für mich war immer, in der Gemeinde laufend im Kontakt mit den Leuten zu sein. Man hatte immer die Möglichkeit, der eigenen Bevölkerung etwas Gutes zu tun, aber auch manchmal für Ruhe und Ordnung zu sorgen und einen Ausgleich zu gewährleisten. Mein Ziel war es immer, besonders jenen zu helfen, die selbst etwas benachteiligt waren und nicht unbedingt auf der Butterseite des Lebens geboren sind. Sei es der Bau, die Sanierung einer Wohnung oder sonstige Bedürfnisse. Diese Personen hatten für mich immer Vorrang vor denen, die auch gut ohne Hilfe auskamen. Der Lauf der Dinge ist sonst immer derselbe: Die Großen und Starken werden noch größer und stärker. Meine Energie wurde für die Hilfsbedürftigen aufgewendet.
Auf welche Leistung sind Sie besonders stolz?
Es gibt vieles, worauf ich stolz bin. Ich blicke auf die Errichtung etlicher öffentlicher Bauten zurück, wie Feuerwehrhallen und Schulen, doch mein besonderer Stolz gilt der Industriezone Kurtatsch – der Industriegewerbezone Etschweg. Wir haben eine Fläche von 15 Hektar als Gewerbegebiet festgelegt, fernab des Dorfgeschehens, und es ist uns gelungen, dass sich dort sehr gute Firmen ansiedelten. Das Gewerbegebiet umfasst nun knapp 600 Angestellte. Es bescherte uns die Garantie ordentlicher Einnahmen. Eine Industriezone ist der beste Garant für die Einnahmen aus der Gemeindeimmobiliensteuer. Diese schöpfen wir vor allem aus diesen Betrieben.
Dem gegenübergestellt, worin bestanden die großen Herausforderungen in Ihrer Laufbahn?
Davon gab es viele. In der letzten Periode war es sicherlich die Zeit von Corona. Die Pandemie hat die ersten zwei Jahre meiner letzten Amtsperiode voll in Anspruch genommen. Man musste zusehen, im besten Willen der Bevölkerung zu handeln, doch konnten nicht so viele öffentliche Arbeiten erledigen, wie gewollt. Trotzdem wurde aber alles fertiggestellt. Davor galt die große Aufgabe, Kurtatsch als ein einfaches, bescheidenes Dorf mit starker Landwirtschaft zu einem modernen Dorf mit herausragendem Weinanbau, angemessenem Tourismus, Industrie und Gewerbe zu wandeln.
Wie hat sich Kurtatsch in all diesen Jahren politisch und gesellschaftlich verändert?
Politisch betrachtet wird heute mehr Wert darauf gelegt, vor den Wahlen für Aufmerksamkeit zu sorgen. Heute ist alles mehr auf Show aufgebaut, besonders in den sozialen Medien. Das Bedürfnis nach Öffentlichkeitswirksamkeit ist gewachsen. Positiv fällt mir auf, dass sich die Leute Sachen besser ausmachen. In den 80ern war man oft nicht imstande, einen einfachen Konsens zu finden. Mittlerweile kommunizieren die Menschen offener und sind auf Lösungen aus. Gesellschaftlich nehme ich aber eine negative Veränderung wahr. Die Mentalität der Menschen hat sich nämlich deutlich verändert. Wenn in den 80er-, 90er-Jahren die Bürger etwas von der Gemeinde brauchten, gingen sie höflich fragen. Wurden ihre Bedürfnisse erfüllt, zeigten sie auch Dankbarkeit. Heute ist es viel mehr fordernd. Alles, was man als Gemeinde und Bürgermeister liefern muss, wird schlichtweg als Selbstverständlichkeit erwartet. Der Dank ist für viele ein Fremdwort geworden. Man muss nicht für alles einen Pokal bekommen, aber eine Gemeinde macht auch gerne Gefälligkeiten und strengt sich oft mehr an, als vorgesehen. Sie bemüht sich um die Bürgernähe und darum, ihren Bürgern das Leben zu erleichtern. Diese Mentalitätsänderung betrifft aber bei weitem nicht nur Kurtatsch, es ist ein allgemeines Phänomen. Die Gesellschaft ist verroht worden.
Sie saßen auch eine Legislatur im Landtag. Gab es große Unterschiede zwischen den politischen Ebenen der Gemeinde- und Landespolitik? Wo fühlten Sie sich mehr verortet?
Von meinem Naturell bin ich ein Gemeindemensch. Der Landtag war eine sehr interessante Erfahrung, aber ich habe dort nie richtig Fuß fassen können. Vielleicht war ich bereits zu alt und hätte 15 Jahre früher kandidieren sollen. Dadurch, dass ich normaler Landtagsabgeordneter war und nicht in der Landesregierung saß, wurde ich nicht mit sonderlich wichtigen Aufgaben betraut, und ich kam mir manchmal etwas überflüssig vor. In der Gemeinde, im Kleinen, konnte ich viel mehr erreichen und bewegen. Dort macht man einen direkten Dienst am Bürger. In der Landesregierung ist man in all diesen politischen Diskussionen involviert, die nie meine Stärke waren. Hier ging es dann selten um etwas Konkretes, sondern um die Politik um der Politik willen. Ewig lange Diskussionen im Landtag und dessen Umfeld ohne tragende Früchte waren gegen meine Vorstellung von Politik.
Was wünschen Sie sich für Kurtatsch? Wohin soll es für die Gemeinde gehen?
Das Beste wäre, wenn es so weitergeht, wie es bislang ging und wie es auch unter meinem Vorgänger lief. Eine solide, gezielte, bürgernahe Gemeindepolitik mit Gestaltungsspielraum. Der Bürgermeister soll nicht im Mittelpunkt stehen, sondern der Bürger. Am Ende ging es mir immer um die Bürger. Zudem gitl:Jeder kocht nur mit Wasser. Am Anfang will jeder ein Revoluzzer sein und die Gemeinde auf den Kopf stellen. Man bemerkt dann schnell, dass die Leute das nicht wollen. Die Leute wollen Ruhe und Zufriedenheit in ihrer Gemeinde. Wenn man imstande ist, dafür zu sorgen, hat man die angenehmsten Bürger und eine zufriedene Gesellschaft.
Interview: Christian Frank
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