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„Trinken ist nicht mehr cool“

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Zwischen gesundem Lebensstil und dem Griff zu illegalen Drogen: Warum die jüngeren Generationen wesentlich weniger Alkohol konsumieren und wie Bars und Discos damit umgehen.  

von Christian Frank

Alkohol gilt als die Gesellschaftsdroge schlechthin. Das Glas Wein zum Abendessen, der Verdauungsschnaps danach, und wenn es dann noch in eine Bar geht, wird auch mal über den Durst genossen. Doch genau dort lamentieren Betreiber nun über einen Konsumrückgang.  
„Es ist ein genereller Trend, der durch verschiedene Faktoren beeinflusst wird, dass heutzutage der Konsum und der Umgang mit Alkohol ein anderer ist, als er noch vor zehn und zwanzig Jahren war“, analysiert der Direktor des HGV, Raffael Mooswalder. Alkohol fällt aus dem Trend, die berauschenden Saufgelage werden laut Mooswalder weniger. Vorangetrieben wird diese Entwicklung vor allem von den jüngeren Generationen.  

„Die jüngere Generation hat einen anderen Zugang zum Alkoholkonsum. Die exzessiven Besäufnisse limitieren sich zusehends“, so Mooswalder. Dem kann Felix Taschler beipflichten, er ist der Vorsitzende der Diskothekenbetreiber und führt den in Brixen gelegenen Club Max. Bei ihm geht die junge Klientel wöchentlich ein und aus. Die Veränderung der letzten Jahre beschreibt er als signifikant: „Man merkt es signifikant. Nicht nur beim sinkenden Getränkeumsatz an der Bar, sondern bereits vor dem eigentlichen Diskobesuch.“  

Die besonders unter jungen Partybesuchern verbreitete Gepflogenheit des Vorglühens hat laut Taschler bislang noch den Schritt der Zeit überdauert, doch die Ausmaße sind nicht mit denen vor noch zehn Jahren vergleichbar.  „Das Vorglühen fällt mittlerweile wesentlich milder aus. Vor nicht mal zehn Jahren mussten manche Jugendliche bereits um neun Uhr abends im umliegenden Park von der Ambulanz abgeholt werden, weil sie bereits komatös waren. Wir mussten damals pro Wochenende rund vier Mal die Rettung rufen, wenn im Umkreis solche Jugendliche gefunden wurden. Jetzt vielleicht zweimal im Monat“, so Taschler.

Zwar fluktuiert ihm zufolge das Konsumverhalten über das Jahr hinweg etwas, so steigt es gewöhnlich in den Sommermonaten an, der große Trend ist jedoch rückläufig. Die Gründe dafür sind vielfältig.  
„Es ist eine gesellschaftliche Sache. Trinken ist nicht mehr cool“, konkludiert Taschler prägnant.  
„Es geht in Richtung gesünderen Lebensstil“, mutmaßt Mooswalder hingegen.

Dem widerspricht Taschler aus eigener Erfahrung und jener seiner Kollegen. Häufig stellen laut ihm Drogen das Pendant zu den Spirituosen dar.  
„Während der Alkoholkonsum abnimmt, nimmt der Drogenkonsum stark zu. Vor zehn Jahren hat man kaum jemanden mit einem Joint getroffen, jetzt ist es an der Tagesordnung. Diese Zunahme steht außer Frage“, schildert Taschler und sieht ähnliche Entwicklungen auch bei härteren Drogen: „Auch der Kokainkonsum ist drastisch gestiegen. Wir persönlich im Club Max nehmen es nicht so wahr, weil wir eher deutsches und junges Publikum unterhalten. Kollegen von mir, welche eine Disco und Pubs in Bozen betreiben, und wo auch ältere, hauptsächlich italienische Klientel verkehren, stellen jedoch einen signifikanten Anstieg fest.“

Woran es liegt, dass sich zunehmend junge Personen bemüßigt sehen, von einem Laster ins nächste zu rutschen, macht Taschler mitunter an der Musik fest: „Hip-Hop und vor allem Deutschrap sind sehr im Trend. In den Texten wird Drogenkonsum sehr verherrlicht.“  
Ein weiterer Faktor, warum immer häufiger vom berauschenden Tropfen des Alkohols zurückgewichen wird, ist laut Mooswalder und Taschler die Verkehrsmobilität.  
„Die Straßenverkehrsordnung wurde immer wieder verschärft, wie auch jüngst wieder. Wir haben in Italien sehr strenge Regelungen. Leider ist es so, dass man besonders in ländlichen Gebieten auf das Auto angewiesen ist und der Alkoholkonsum damit nicht möglich ist“, so Mooswalder. Sowohl der HGV-Direktor als auch der Diskothekenbetreiber sind sich einig, dass es schlichtweg an Alternativen mangelt.  

„Wir hören es von Betreibern immer wieder. Besonders in den Nachtstunden wird es auffallend. Die Anbindungen und Taxidienste sind in ländlichen Gebieten sehr eingeschränkt. Aber auch in Bozen ist man oft aufgeschmissen, wenn man nachts noch ein Taxi finden muss. Wir haben bereits öfter eine Aufstockung der Taxilizenzen beanstandet. Es haben einfach zu viele Gäste Schwierigkeiten, eine Mitfahrgelegenheit zu finden“, moniert Mooswalder. Diese Erfahrung teilt auch Taschler aus erster Hand und berichtet, wie er ständig nach Feierabend um halb sechs Uhr morgens gestrandeten Partygästen über den Weg läuft, die per Anhalter ihr Glück versuchen.  
„Es ist ein riesiges Problem. Die Gemeinde will nicht weitere Lizenzen ausgeben, aus Angst vor Gegenwind der Taxibetreiber. Ein Nightliner fährt jedoch auch nur samstags zu gewissen Zeiten“, bedauert der Diskothekenbetreiber.  

Der Rückgang des Konsums ist bereits so fortgeschritten, dass sowohl Betreiber von Bars als auch Diskotheken reagieren müssen – auf ihre eigenen Arten und Weisen.  
„Wir machen in diesem Bereich viele Weiterbildungen. Wir versuchen, den Gastwirten entsprechende Alternativen aufzuzeigen, wie beispielsweise die Aufnahme von mehr alkoholfreien Getränken ins Angebot“, erklärt der HGV-Direktor.  
Dies scheint jedoch in den Sphären des Nachtlebens der Diskotheken keine rentable Option zu sein. Hier muss anderweitig für finanzielle Liquidität gesorgt werden. 
„Alkoholfreie Alternativen haben wir im Sortiment, doch die konsumierten Mengen sind kaum relevant. Aus wirtschaftlicher Sicht wird es darauf hinauslaufen, dass man einen festen Eintritt einführt. Anders wird man die Betriebsspesen nicht mehr decken können. Irgendwo muss das Geld herkommen“, gibt Taschler zu bedenken. Selbiges stellt er bereits bei Festbetrieben fest, und im Rest Italiens ist es ohnehin gang und gäbe.  

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