„Schöne Sache“
Der langjährige SVP-Senator Karl Zeller liefert sich seit neun Jahren einen erbitterten juristischen Kampf mit den „Iene“ von Italia 1– und hat schon wieder gewonnen.
von Artur Oberhofer
Karl Zeller, der am vorvergangenen Donnerstag seinen 64. Geburtstag gefeiert hat, kann eine gewisse Genugtuung nicht verbergen: „Dass mir ausgerechnet die ,Iene‘ ein so großes Geburtstagsgeschenk machen, hätte ich mir nie gedacht“, sagt der langjährige SVP-Parlamentarier.
Was ist passiert?
In der Sendung „Le Iene“ auf dem Privatsender Italia 1 wurde am 17. März 2016 ein Beitrag ausgestrahlt, in dem die Autoren Filippo Roma und Gabriele Paglino schwerwiegende Vorwürfe gegen den damaligen SVP-Senator Karl Zeller erhoben. Der Succus der „Iene“-Reportage: Die Sekretärin der Autonomiegruppe im Senat würde nicht für die Gruppe in Rom, sondern für Karl Zellers Privatkanzlei in Meran arbeiten.
Mit anderen Worten: Die privatangestellte Sekretärin werde mit öffentlichen Geldern bezahlt.
In den sozialen Medien brach nach der „Iene“-Enthüllung ein Shitstorm gegen den SVP-Senator los. Karl Zeller wurde im Netz wüst beschimpft.
Pech für die „Iene“-Autoren: Die Nachricht, dass Zeller die Senats-Sekretärin der Autonomiegruppe für sich in seiner Kanzlei arbeiten lasse, war nicht nur falsch. Die Autoren des Filmbeitrages hatten es obendrein unterlassen, die von Karl Zeller abgegebenen Erklärungen in den Beitrag aufzunehmen.
Karl Zeller hat daraufhin eine Klage wegen grober Rufschädigung mittels Presse gegen die Autoren des Beitrags, Filippo Roma und Gabriele Paglino, sowie gegen den Eigentümer des Fernsehsenders Italia 1, die RTI AG, Piersilvio Berlusconi eingereicht.
Im April 2019 wurden die „Iene“-Autoren am Landesgericht in Bozen zu einer Schadenersatzzahlung von 60.000 Euro sowie zur Zahlung der Prozesskosten in Höhe von 13.430 Euro verdonnert. Zudem ordnete das Gericht an, dass das Urteil auszugsweise in der Tageszeitung „Dolomiten“, im „Alto Adige“, in drei nationalen Zeitungen („Corriere della Sera“, „Il Giornale“ und „Repubblica“) sowie auf der Internetseite der „Iene“ veröffentlicht werden müsse.
Das Gericht war zum Schluss gekommen, dass die im „Iene“-Beitrag veröffentlichten Informationen falsch seien und die Autoren es unterlassen hätten, Karl Zellers Erklärung bzw. Widerrede auszustrahlen.
Auf diese Art und Weise sei es zu keiner ausgewogenen Information gekommen, urteilte das Gericht.
In der Berufung blitzten die „Iene“ ebenso ab wie später am Kassationsgerichtshof, so dass das erstinstanzliche Urteil des Landesgerichts Bozen Rechtskraft erlangte.
Trotz Karl Zellers Sieg in allen drei Instanzen weigerten sich die „Iene“ bzw. die RTI AG von Piersilvio Berlusconi, das Bozner Urteil in den lokalen und nationalen Medien zu veröffentlichen. Mehr noch: Vor einem Jahr strahlte die Italia-1-Sendung noch einmal einen Beitrag zum „Fall Zeller“ aus, in dem die Autoren sinngemäß behaupteten: Auch wenn in drei Instanzen verurteilt, seien sie dennoch im Recht und hätten deshalb den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angerufen. „Obwohl rechtskräftig verurteilt, haben sie mich ein zweites Mal sputtaniert“, sagt Karl Zeller.
Im Zuge von Verhandlungen zwischen den Streitparteien gaben die „Iene“-Anwälte den Zeller-Verteidigern Stefan Thurin und Thomas Menegotto zu verstehen, dass sie nicht klein beigeben wollten, weil, erstens, die „Iene“ noch nie verurteilt worden seien. Und zweitens, weil sie verhindern wollten, dass der Fall Zeller Präzedenzwirkung für andere Streitfälle, mit denen die „Iene“ konfrontiert sind, haben könnte.
Auch der Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist wohl in dieser Optik zu sehen. Denn wenn die Anwälte der „Iene“ am EuGH gewinnen sollten, könnte sie auch ein rechtskräftiges Urteil noch einmal anfechten.
Experten schätzen die Erfolgsaussichten von RTI am EuGH als minimal ein.
Tatsache ist, dass Piersilvio Berlusconis RTI AG keine Kosten scheut.
Karl Zeller schätzt, dass der Verleumdungsprozess die RTI AG bislang gut und gerne 130.000 Euro gekostet haben dürfte.
Weil RTI das Urteil des Landesgerichtes Bozen nicht veröffentlicht hat, ist Karl Zeller ein zweites Mal vor Gericht gezogen. Und hat jetzt erneut gewonnen.
RTI muss Karl Zeller weitere 20.000 Euro plus die Prozesskosten von knapp 4.000 Euro bezahlen.
Nachdem RTI sich geweigert hatte, das Urteil in den lokalen und nationalen Medien zu veröffentlichen, hatten Karl Zeller und seine Anwälte zwei Möglichkeiten: Entweder legen sie die rund 50.000 Euro aus, die die Veröffentlichungen in den fünf Zeitungen kosten, und verklagen RTI dann auf Rückzahlung. Oder sie ziehen erneut vor Gericht – wegen Missachtung eines Richterspruchs.
Zeller und dessen Anwälte wählten den zweiten Weg.
Der „alte Fuchs“ Zeller grub ein Kassationsurteil aus dem Jahr 2015 aus, in dem die Höchstrichter einen Leitfaden für Fälle von Missachtung eines Richterspruchs ausgelegt haben.
Im Kern ging es in der zweiten Zeller-Klage gegen die „Iene“ also darum, dass RTI durch die Nichtveröffentlichung des Urteils nicht nur Geld gespart hat. Sondern dass RTI der geschädigten Person, im konkreten Fall Karl Zeller, durch die Verweigerung einer reparatorischen Maßnahme – wie es die Veröffentlichung des rechtskräftigen Urteils in mehreren Zeitungen gewesen wäre – erneut einen Schaden zugefügt habe.
Die Bozner Einzelrichterin Daniela Pol hat die Weigerung von RTI, das Urteil zu veröffentlichen, dann tatsächlich als rechtswidrige Handlung qualifiziert, die zum Schadenersatz verpflichtet. Daher hat die Richterin (mit Urteil Nr. 3425/2023) verfügt, dass Piersilvio Berlusconis RTI AG dem Ex-Senator Karl Zeller wegen der Nichtveröffentlichung des Urteils 20.000 Euro Schadenersatz zahlen und obendrein die Prozesskosten übernehmen muss.
Weil der Schadenersatz im konkreten Fall nicht messbar ist, hat die Richterin nach Billigkeit entschieden. Der angewandte Schlüssel: Ein Drittel des Betrages, der Zeller in erster Instanz zugesprochen worden war.
Das Urteil ist mit 9. Jänner 2025 datiert, an dem Tag hat Karl Zeller Geburtstag.
Dass die „Iene“ ihm zu seinem Geburtstag 20.000 Euro überweisen – das Urteil ist sofort vollstreckbar –, sei eine „schöne Sache“, findet der Ex-Senator.
Dabei hätten es die Hyänen viel billiger haben können.
Karl Zeller hat den RTI-Anwälten bereits vor Jahren angeboten, die Klage zurückziehen, wenn der Sender sich beim ihm schriftlich und öffentlich entschuldigt.
Die RTI-Anwälte weigerte sich und sagten, ihnen gehe es um eine Grundsatzfrage, ums Prinzip, sie wollten den Fall ausjudizieren.
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