„Vorsicht geboten“
Viele Südtiroler Seen verwandeln sich in den kalten Wintermonaten in beliebte Eislaufplätze. Welche Risiken das birgt, worauf man beim Betreten des Eises achten sollte.
Tageszeitung: Herr Reggiani, wegen der derzeit sehr kalten Temperaturen sind viele Südtiroler Seen zugefroren und bieten ideale Bedingungen zum Eislaufen. Wie sicher ist das?
Felix Reggiani (Brandinspektor der Berufsfeuerwehr Bozen): Grundsätzlich ist es durchaus sicher, auf einem See zu laufen, wenn die Eisdecke stabil genug ist. Von einer sicher tragfähigen Eisdecke spricht man ab etwa sechs Zentimetern Eisdicke. Es muss jedoch auch beachtet werden, dass die Eisdecke nicht überall gleich stark ist, da sie in manchen Bereichen eines zugefrorenen Sees dünner sein kann – etwa in der Nähe von Zuläufen oder dort, wo Strömungen unter dem Eis verlaufen. Dies kann auch in sehr kalten Gebieten vorkommen, in denen die Eisdecke dreißig bis vierzig Zentimeter dick ist. Daher ist auf allen Seen Vorsicht geboten. Allgemein gilt: Geduld ist gefragt und man sollte sich nicht täuschen lassen! Wenn der See zufriert, bedeutet das nicht sofort, dass man darauf eislaufen kann. Es braucht einige Tage, bis die Eisdecke stark genug ist.
Gibt es Anzeichen, die darauf hindeuten, dass das Eis auf einem See stabil genug zum Eislaufen ist?
Man sollte auf jeden Fall die Oberfläche genau beobachten: Wenn die Eisschicht hart, tief und gleichmäßig ausgeprägt ist, ist sie in der Regel tragfähig. Wenn man merkt, dass das Eis an manchen Stellen noch teilweise flüssig ist oder Löcher vorhanden sind, bedeutet das, dass das Eis in diesen Bereichen nicht genügend stabil ist. Von nicht zugefrorenen Stellen sollte man einen großen Abstand halten – mindestens zehn bis zwanzig Meter –, da dort eine hohe Einbruchgefahr besteht. Spannungsgeräusche auf zugefrorenen Seen sind dagegen normal, das hat nichts mit der Tragfähigkeit des Eises zu tun. Wer allerdings auf Nummer sicher gehen will, kann auf jenen Seen eislaufen, die von den Gemeinden nach entsprechenden Messungen freigegeben wurden, wie zum Beispiel der Antholzer See. In einigen Orten gibt es jedoch auch explizite Verbote oder das Eislaufen erfolgt auf eigene Gefahr. In diesen Fällen muss man sich bewusst sein, dass das Betreten einer Eisfläche nie vollkommen sicher ist und immer das Risiko besteht, dass sie nachgibt. Hinzu kommt, dass die Seen nicht jedes Jahr gleich zufrieren – das hängt von den klimatischen Bedingungen ab. Mit den aktuellen Temperaturen befinden wir uns gerade noch an der Grenze der Tragfähigkeit. Man kann sich in diesem Sinne also nur „sich sein“, wenn der ganze See zugefroren ist oder das Eis gemessen wurde.
Seit dieser Woche ist es wieder wärmer geworden und es hat angefangen zu regnen. Welche Auswirkungen haben solche Wetterbedingungen auf die Sicherheit auf zugefrorenen Seen?
Die aktuelle Kältewelle ist momentan etwas abgeklungen. Das muss man natürlich beim Betreten der Eisfläche beachten, denn insbesondere am Kalterer See gibt es dadurch keine geschlossene Eisdecke mehr, wie es noch vor drei Tagen der Fall war.
Wie häufig kommt es vor, dass Menschen auf zugefrorenen Seen einbrechen?
Es gibt keine klare Statistik, aber in der Vergangenheit hat es einige eklatante Vorfälle gegeben, wie zum Beispiel vor zwei Jahren am Pragser Wildsee. Besonders in der späteren Jahreszeit, im März, können sich die Verhältnisse des Eises durch die Sonneneinstrahlung sehr stark ändern, insbesondere wenn wir kalte Nächte und warme Tage haben. Allgemein sprechen wir jedoch von unter fünf Fällen pro Jahr, bei denen Menschen in zugefrorene Seen einbrechen.
Wie sollte man sich in so einem Fall verhalten – sowohl als Betroffener als auch als Außenstehender?
Idealerweise sollte man eine Ausrüstung wie ein Seil bei sich tragen. Wenn man ins Wasser fällt, gilt es zunächst, Ruhe zu bewahren, auf sich aufmerksam zu machen, zu versuchen, an der Oberfläche zu schwimmen und sich an der Bruchkante des Eises abzustützen. Es gilt auch die Faustregel, niemals allein aufs Eis zu gehen. Wenn man hingegen jemanden sieht, der eingebrochen ist, sollte man sich auf keinen Fall der Bruchstelle nähern, da das Eis dort sehr schwach ist und man riskiert, selbst einzubrechen. Man sollte dem Verunfallten versuchen, Gegenstände zu reichen, an denen er sich abstützen oder herausziehen kann, und natürlich den Notruf wählen.
Welchen abschließenden Tipp haben Sie?
Immer mit den lokalen Gemeindeverwaltungen abzuklären, ob das Eislaufen auf den Seen erlaubt ist, und stets große Vorsicht walten lassen. Die Situation sollte in jedem Moment neu bewertet werden, da sich die Bedingungen im Laufe des Tages oder innerhalb weniger Stunden schnell ändern können.
Interview: Sylvie Debelyak
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