„Manche haben alles verloren“
Verschuldungen und Schäden in Millionenhöhe. Betrugsmaschen durch Online-Trading nehmen rasant zu und sind auch in Südtirol ein häufiges Vorkommnis. Experten warnen und verraten die skrupellosen Taktiken.
von Christian Frank
Wie die Postpolizei in ihrer jährlichen Bilanz verriet, wurden in Südtirol vergangenes Jahr 1,9 Millionen Euro durch Cyberbetrug verloren. Auffallend dabei ist, dass mit 1,08 Millionen Euro mehr als die Hälfte der Schäden im Zuge von Online-Trading verursacht wurde. Das Phänomen ist bereits bekannt, doch die Situation verschlimmert sich zusehends. Vor sechs Jahren lag der Durchschnitt bei 15.000–20.000 Euro Schaden pro Verbraucher. Vergangenes Jahr lag der Durchschnitt bei 100.000–200.000 Euro.
„In der Vergangenheit hatte ich Verbraucher beraten müssen, die alleine fast eine Million verloren hatten. Im Dezember 2023, kurz vor Weihnachten, hatten sich in einer Woche gleich vier Verbraucher gemeldet. Insgesamt verloren sie über drei Millionen Euro“, schildert die Rechtsberaterin des Europäischen Verbraucherzentrums in Italien, Rebecca Berto.
Was versteht man eigentlich unter Online-Trading? Im Grunde bezeichnet es eine Handlung, bei der über eine Online-Plattform Finanzinstrumente wie Aktien, Kryptowährungen oder Rohstoffe gehandelt werden. Dies kann durchaus seriös sein, doch viele Betrüger sehen darin ihre große Chance zuzuschlagen.
„Viele Sparer werden von einem angeblichen Berater telefonisch oder durch soziale Netzwerke kontaktiert. In beiden Fällen werden den Verbrauchern zwei Versprechungen gemacht: Die Verbraucher können einfach mit einer ersten Summe von oftmals 250–300 Euro einsteigen und sie werden von einem angeblichen ‚Experten‘ betreut. Verlockt von der versprochenen höheren Rendite und der Möglichkeit, in die Trading-Materie eingewiesen zu werden, bekommen die Verbraucher einen Link zu einer gefälschten Trading-Plattform, wo ein angebliches Konto eröffnet wurde“, erklärt Berto. Anfangs werden die Opfer noch mit der Ausschüttung kleiner Beträge gelockt, bis sie größere Summen in der Hoffnung auf schnelles Geld investieren – und dann schnappt die Falle zu.
„Um höhere Gewinne zu erzielen, muss man höhere Summen überweisen – dies ist die übliche Aussage des angeblichen ‚Experten‘. Der Verbraucher tätigt Banküberweisungen, überwiegend auf ausländische Bankkonten. Wenn der Verbraucher aber die ‚hohen Gewinne‘ kassieren möchte, fangen die Schwierigkeiten an: Der angebliche Broker fordert weitere Summen, um angebliche Steuern oder Gebühren zu zahlen, und danach bricht er jeden Kontakt ab“, führt die Rechtsberaterin aus.
Allein im vergangenen Jahr, so Berto, haben hierzulande über 100 Verbraucher um rechtliche Unterstützung gebeten.
Auch dem ehemaligen Chef der Bozner Post- und Kommunikationspolizei, Ivo Plotegher, sind zahlreiche Fälle bekannt.
„Ich kenne Fälle von Personen, welche auf ihr Haus eine Hypothek aufnahmen oder sich anderweitig verschuldeten, um bei solchen fadenscheinigen Trading-Angeboten das große Geld zu machen –und dann alles verloren haben“, erinnert sich Plotegher und warnt: „Betrüger sind wahre Profis und manipulieren ihre Opfer, die sie sehr gut überzeugen können.“
Oft, weiß der ehemalige Postpolizeichef, ist es mit dem Trading-Betrug allein gar nicht getan: „Es kam auch vor, dass Personen, welche bereits Opfer solcher Betrugsmaschen wurden, von Unternehmen kontaktiert wurden, die berichteten, darauf spezialisiert zu sein, das Geld zurückzufordern.“
Am Ende stellt sich jedoch heraus, dass auch dies eine weitere Phase der Betrüger ist, um noch mehr Geld zu erwirtschaften.
Ist das Geld erst einmal in den Händen der Betrüger, stehen die Chancen, sein Investment zurückzubekommen, schwindend gering.
„Die Gelder werden auf ausländische Konten überwiesen. Die Täter zu identifizieren ist sehr schwierig, mit geringen Erfolgschancen“, räumt Plotegher ein.
Die Rechtsberaterin erläutert das genaue Vorgehen der Betrüger: Oft werden attraktive Renditen versprochen, die ein Vielfaches der normalen Plusvalenz von Brokern betragen. Betrüger versuchen mit Schmeicheleien und übermäßiger Freundlichkeit zu punkten. Die Kriminellen telefonieren dabei häufig mit den Anlegern und senden ihnen Nachrichten, um bei ihnen ein falsches Gefühl von Vertrauen und Sicherheit zu erzeugen. Skeptischen Opfern werden oft gefälschte Bewertungen oder gefälschte Aussagen berühmter Persönlichkeiten oder scheinbar offizielle Dokumente zugesandt, die die Seriosität der mutmaßlichen Finanzfachleute beweisen sollen. Solche Aussagen sollten laut Berto immer unabhängig auf der Website der Aufsichtsbehörde CONSOB überprüft werden. Oft fordern die Betrüger einen Fernzugriff, besonders beim Trading mit Kryptowährungen. Dabei müssen die Opfer eine Software herunterladen, welche es den Betrügern ermöglicht, auf den Computer oder das Handy zuzugreifen. Damit wird auch auf Bankkonten und Kreditkarten zugegriffen. Auffallend ist, dass bei solchen Betrugsmaschen die Verbrecher meist, in Form einer unaufgeforderten Kontaktaufnahme über E-Mail oder Telefon, auf einen zukommen. Häufig werden dabei die Opfer überzeugt, dass es sich hierbei um eine exklusive, einmalige Investmentmöglichkeit handelt.
Mit der nötigen Vorsicht sollte ein sicheres Navigieren durch die Welt des Online-Tradings möglich sein betonen die Experten, jedoch bedauert Plotegher, dass diese Vorsicht oft nicht gegeben ist.
„Über die Jahre habe ich beobachtet, dass die Personen im Netz weniger vorsichtig als im realen Leben sind. Wenn die Bürger im Netz die gleichen Vorsichtsmaßnahmen wie im realen Leben treffen würden, dann wären die Möglichkeiten, einen Schaden zu erleiden, viel geringer“, schlussfolgert Plotegher.
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