„Teure Preise, wenig Angebot“
Teure Preise und wenig Angebot. Der Immobilienmakler Thomas Oberrauch zeichnet ein harsches Bild von Südtirols Mietmarkt. Das System sei nicht in der Lage, auf den demografischen Wandel zu reagieren.
von Christian Frank
Horrende Wohnungspreise sind der leidige, alltägliche Tenor von Südtirols Immobilienmarkt. Seien es Kauf- oder Mietpreise, die Tarife sind für den Großteil der Bevölkerung finanziell schwer oder kaum stemmbar.
Während die Landesregierung beschwichtigend versichert, Lösungen zu finden, gehen sowohl die politische Opposition als auch die Verbände auf die Barrikaden. So mahnte erst kürzlich der Unternehmerverband, dass der Mangel an leistbarem Wohnraum zu einer vermehrten Abwanderung junger Talente beziehungsweise einer ausbleibenden Rückkehr nach dem Studium führt. In Anbetracht dieser Umstände ließ die Jahresbilanz des Immobilienportals idealista.it, die schnell von regionalen Medien aufgegriffen wurde, wundern. Idealista gilt als das zweitgrößte Immobilienportal Italiens; zum Jahresabschluss publizierte das Portal eine Bilanz zu den Mietpreisen, aufgeschlüsselt nach Provinzen und Regionen.
Während der nationale Durchschnittspreis laut idealista dabei um 10,6 Prozent gestiegen sein soll, befindet sich ausgerechnet die Provinz Bozen unter den wenigen Ausnahmen. Um 10,8 Prozent sollen die Mietpreise im Vergleich zum Vorjahr hierzulande gesunken sein. Das, obwohl das Portal selbst von einem eindeutigen allgemeinen Aufwärtstrend spricht. Den höchsten Anstieg (41,6 Prozent) verzeichnet die Provinz Sondrio. An der Spitze thronen weiterhin Luca, Belluno und Mailand.
„Das kann ich so auf keinen Fall bestätigen“, kontert Thomas Oberrauch. Der Immobilienmakler betreibt Standorte in Bozen, Meran und Gröden und mischt seit Jahrzehnten im Immobilienmarkt Südtirols mit. Sein Eindruck aus nächster Nähe zeichnet ein gänzlich anderes Bild.
„Es herrscht ein frappierender Mangel an Mietwohnungen, die Preise sind demnach sicherlich nicht gesunken“, so Oberrauch. Seine persönliche Bilanz schließt sich dem Tenor der Wohnungsnotkritik in Südtirol an.
„In Bozen gibt es keine zehn Neuwohnungen auf dem Mietmarkt. Man kann sich ruhig selbst auf den verschiedenen Immobilienportalen von der prekären Situation überzeugen“, so der Makler und führt aus, „Stellt man einmal eine Mietwohnung auf den Markt, bekommt man im Handumdrehen hunderte von Anfragen.“
Laut Oberrauch müssen Bilanzen wie die von idealista mit großer Vorsicht bewertet werden, denn es kommt auf die Details an.
„Man muss darauf achten, ob bei solchen statistischen Erhebungen auch die konventionierten Wohnungen mit einberechnet werden. Diese müssen sich an einen Landesmietzins und gewisse Mietpreise halten. Zwischen freiem und konventioniertem Wohnbau gilt es zu unterscheiden“, mahnt Oberrauch.
Zudem sei der von idealista errechnete Quadratmeterpreis von durchschnittlich rund 16 Euro ebenfalls genauer zu betrachten, findet der Immobilienmakler.
„Es gibt einen großen Unterschied zwischen Nettowohnfläche und Handelsfläche. Letztere bezieht Mauern, Garten, Terrasse und dergleichen ebenfalls mit ein. Grundsätzlich gilt, dass sich die Handelsfläche aus der Nettofläche plus vierzig Prozent zusammensetzt. Wenn wir diesen Wert hernehmen, sind 16 Euro denkbar“, erklärt Oberrauch.
Fakt bleibt für den Makler, dass sich die Situation alles andere als verbessert: „Uns fehlen hierzulande schlichtweg die Mietwohnungen, vor allem in den Ballungszentren. Es ist ein äußerst schwieriges Unterfangen, sich eine zu ergattern.“
Oberrauch führt die verhärmte Situation auf ein Versagen des gesamten Systems zurück.
„Der Wohnungsmarkt bei uns ist dermaßen geschlossen, sodass niemand mehr etwas findet. Kein Wunder, dass Universitätsabsolventen nach ihrem Studium im Ausland nicht mehr zurückkehren“, so Oberrauch. Laut dem Makler sind rund acht Prozent der Fläche Südtirols bebaubar, der Rest definiert sich als Grünflächen und dergleichen, welche nicht versiegelt werden dürfen.
„Gut die Hälfte des für Bauvorhaben in Frage kommenden Grundes ist bereits bebaut. Es geht schlichtweg der Platz aus“, warnt Oberrauch und deutet die bevorstehenden Entwicklungen als weitere Erschwernisse, „Mit Fertigstellung des Waltherparks kommen weitere hunderte Personen aus dem Ausland. Unabhängig davon brauchen internationale Firmen immer häufiger Wohnraum für ihre Arbeitskräfte. Behelfsmäßig dient der Ferrari-Tower, doch dieser ist vielmehr ein Hotel als eine tatsächliche Wohnung.“
Der langjährige Immobilienmakler kritisiert eine defizitäre Handhabe von Bauvorhaben, welche den Fortschritt lähmt und es verfehlt, auf den demografischen Wandel zu reagieren: „Die Familien werden an der Stückzahl kleiner. Es gibt viel mehr klienstrukturierte Familien oder auch Single-Haushalte und wesentlich weniger Großfamilien wie früher. Auch werden die Personen immer älter, während Altersheime ohnehin überfordert sind. Mit diesen demografischen Entwicklungen ist Südtirol bei weitem nicht alleine; es ist ein globales Phänomen, doch wir müssen reagieren.“
Das Ansinnen der Politik, Versiegelungen in naher Zukunft gänzlich zu unterlassen und die bürokratischen Odysseen, welche mit Bauvorhaben einhergehen, stauchen Oberrauchs Optimismus in die Zukunft.
„Die Politik reagiert zu langsam. Jede Bauleitplandiskussion dauert Jahre. Der letzte Bauleitplan, welcher in Bozen genehmigt wurde, stammt aus dem Jahr 1996. Seitdem wurden nur noch Abänderungen vorgenommen. Wir schaffen es nicht mehr, neue Wohnungen zu bekommen. Wir wollen nicht mehr versiegeln. Die Situation ist schwierig“, moniert der Makler. Für ihn besteht bei dem Verzicht auf weitere Versiegelungen nur noch die Möglichkeit, in die Höhe zu bauen.
„Wir haben ein bürokratisches System, das politisch so forciert wurde und hoffentlich allmählich gelockert wird. Es ist ein mühsamer Weg, doch es bestehen Bemühungen von beispielsweise Peter Brunne und Ulli Mair. Leistbares Wohnen ist der neue große Schlager in der Politik. Schauen wir, wohin es führt“, so Oberrauch.
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