Der Transitstreit
Der durch die Luegbrücke verursachte Stau entflammt erneut die Kritik der Südtiroler Wirtschaft an Tirols Verkehrsmaßnahmen. Die Tiroler Politik bleibt ihrem Kurs treu und fordert mehr Tempo für langfristige Lösungen.
von Christian Frank
Neues Jahr, alte Polemik. Der erste Jänner läutete nicht bloß ein heiliges Jahr ein, sondern auch den Neubau der Luegbrücke, welche sich gleich hinter der Brennergrenze befindet. Das bedeutet, dass die Brücke bis voraussichtlich 2027 größtenteils nur einspurig befahren werden kann. Die Bauarbeiten sollen sich daraufhin noch bis ins Jahr 2030 erstrecken. Wie von vielen Autofahrern befürchtet und einigen Kritikern zynisch erwartet, kam es auch schon vergangenen Freitag zu langwierigen Staus von bis zu nahezu zwei Stunden.
Mit jedem neuen Staueklat brandet der alte Zwist zwischen Tirol und der Südtiroler Wirtschaft auf, und so geht diese auch dieses Mal ihrem Gebaren treu bleibend auf die Barrikaden. Sie fordern eine Lockerung der Transitmaßnahmen, allem voran des Nachtfahrverbots der Lkw und deren Dosierung. Wie bereits etliche Male gehabt, beißt die Südtiroler Wirtschaft in Tirol auf Granit.
„Die Konzentration des Lkw-Verkehrs auf bestimmte Zeiten führt zu einer noch stärkeren Belastung in diesen Phasen. Das Nachtfahrverbot sollte vorübergehend ausgesetzt werden, um eine bessere Entzerrung des Verkehrs zu ermöglichen und die Situation zu entschärfen“, fordert Michl Ebner, Präsident der Handelskammer Bozen. Neben den gewohnten Akteuren der Transitmaßnahmen-Kritik wird dieses Mal auch die Hotellerie laut. Die Verantwortlichen der Belvita-Gruppe, welche hierzulande einen Bestand von 30 Hotels umfasst, gehen mit der Verkehrspolitik von Tirol hart ins Gericht, bezeichnen sie als „absurd“ und attestieren den Regelungen eine massive Behinderung des Waren- und Personenverkehrs in Europa. Sie sehen sich als Tourismusbranche benachteiligt und empfinden die „künstlich geschaffenen Engpässe“ als inakzeptabel. Ihre Forderungen schließen sich nahtlos denen der Handelskammer an.
Der ÖVP-Tirol-Verkehrssprecher Florian Riedl sieht in den Maßnahmen jedoch die Grundfeste zum Schutz der Anwohner: „Die Anrainer entlang der Transitachsen in Tirol sind seit Jahren dauerbelastet durch den Verkehr. Gerade deshalb setzen wir uns vehement für eine Entzerrung des Verkehrs ein – etwa durch die automatische Lkw-Dosierung bei Grenzübergang Kufstein-Kiefersfelden.“
Auch der Tiroler Verkehrslandesrat René Zumtobel stellt seine Position unmissverständlich klar: „Die notwendige Instandhaltung und Sanierung der Straßeninfrastruktur dient dem Zweck, sichere Verkehrswege für die Menschen und Güter zu gewährleisten. Das kann im Umkehrschluss aber definitiv nicht eine Kapazitätserweiterung für Lkw-Fahrten in den sensiblen Nachtstunden bedeuten. Eine Aufhebung des Tiroler Nachtfahrverbots würde noch mehr Lkw-Verkehr auf der ohnehin schon stark frequentierten Brennerroute anziehen, die Luftqualität in Tirol erheblich belasten und zu einer erhöhten Lärmentwicklung für die Bevölkerung führen.“
Verkehrssprecher Riedl sieht die Notwendigkeit für langfristige Maßnahmen, um eine nachhaltige Verkehrsentzerrung zu ermöglichen, anstatt an Schutzmaßnahmen rütteln zu wollen.
„Langfristig wäre hier etwa ein intelligentes Verkehrsmanagementsystem von München bis nach Verona eine der entscheidenden Lösungen, mit buchbaren Slots für Lkw. De facto eine Win-Win-Situation. Weniger Staus heißt weniger Belastung für die Menschen, für die Natur und die Infrastruktur und gleichzeitig mehr Verkehrs- und Versorgungssicherheit“, beanstandet der Verkehrssprecher. Die große Alternative lautet für ihn Schienenverkehr, eine Maßnahme, welche der Frächterlobby seit jeher ein Dorn im Auge ist.
„Wenn wir wollen, dass der Brennerbasistunnel stark frequentiert wird, muss die Schiene eine echte Alternative zur Straße sein. Das heißt einerseits Kostenwahrheit auf der Straße und andererseits natürlich funktionierende RoLa-Terminals und gut ausgebaute Zulaufstrecken zum BBT im Norden und im Süden“, so Riedl und merkt an, dass es dafür die Bereitschaft von Deutschland, Österreich und Italien braucht. Eine Bereitschaft, welche laut Riedl nicht bei allen Beteiligten in gleichem Maß vorhanden ist und nach mehr Tempo zu wünschen lässt. Hierbei steht jedoch mehr Deutschland als Südtirol in der Kritik des Verkehrssprechers: „Hier würde ich mir vor allem von unseren nördlichen Nachbarn mehr Tempo wünschen. Südtirol war und ist hier stets ein Partner auf Augenhöhe, auch wenn der italienische Verkehrsminister Salvini stets für die Interessen der Frächter lobbyiert und dabei die belasteten Anrainer offenbar manchmal aus den Augen verliert. Die Verkehrsbelastung ist nämlich nördlich und südlich des Brenners gleich groß.“
Die momentane Verkehrssituation braucht jedoch kurzfristige, unmittelbare Lösungen, und hier lässt Riedl eine Hintertür offen: „Mit der geplanten Zweispurigkeit an verkehrsintensiven Tagen haben wir am Verhandlungstisch das aktuell bestmögliche Ergebnis erzielt. Sollte es zu Versorgungsengpässen kommen, darf es keine Denkverbote geben – wie etwa kurzfristig zusätzliche Lkw-Dosierungen.“
Für die Tiroler Vertreter wird bei diesem Diskurs die Wirtschaftlichkeit der Menschlichkeit gegenübergestellt.
„Dass die Handelskammer in erster Linie die Unternehmensinteressen vertritt, ist legitim. Unser politischer Fokus ist natürlich ein umfassender“, urteilt Riedl. Auch Zumtobel spitzt die Debatte zu: „Für mich steht die Gesundheit der Menschen deutlich über dem Ideal des uneingeschränkten Warenverkehrs.“
Der Landesrat macht zudem auf die erst unlängst von der EU gesenkten Luftgrenzwerte aufmerksam und wie die Forderungen der Wirtschaft dies konterkarieren würden. Auch merkt Zumtobel an, dass Lkws mit emissionsfreien Antrieben, etwa elektrisch betriebene oder wasserstoffbetriebene Schwerfahrzeuge, explizit vom Nachtfahrverbot ausgenommen sind.
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