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„Müssen uns besser darstellen“

Astrid Marsoner ist die neue Präsidentin der Südtiroler Ärztekammer. Wie sie die dafür sorgen möchte, dass die Kammer ein Sprachrohr für die Ärzteschaft wird.

Tageszeitung: Frau Marsoner, als neue Ärztekammerpräsidentin wollen Sie vor allem erreichen, dass sich die Ärzte wieder mit der Kammer identifizieren können. Warum ist die Identifikation in den letzten Jahren abhandengekommen?

Astrid Marsoner: Ein gutes Beispiel sind die Wahlen der Ärztekammer an und für sich. Bisher war die Onlinewahl nämlich nicht möglich. Bei vorangegangenen Wahlen brauchte es drei Einberufungen, damit das Quorum herabgesetzt wird. Diese hat sich dann nur im Raum Bozen abgespielt. Kollegen aus der Peripherie fahren aber nicht drei Mal nach Bozen, weil es einfach zu umständlich ist. Ich glaube, dass man niemanden einen schwarzen Peter zuschieben kann. Durch den Wahlprozess selbst und dadurch, dass es nur eine Liste gab, kann man nicht von einer Schuld sprechen. Heuer war es erstmals anders. Die Onlinewahl ist auf eine gute Resonanz gestoßen. Die Peripherie fühlt sich erstmals als Teil der Kammer, dadurch ist ein Schritt in Richtung Standesvertretung bereits gemacht.

Was muss jetzt noch passieren, damit die Kammer zu einem Sprachrohr für die Ärzteschaft wird?

Wir müssen die Kollegen mehr in die Arbeit involvieren und uns nach außen besser darstellen. Wir haben bereits einige Ideen, wie das gelingen könnte. Wir werden in den nächsten Tagen sowohl mit den Kollegen im Ausschuss als auch mit den Sekretären sprechen. Wir müssen unsere Wahrnehmung in erster Linie für unsere Ärzte aber auch in der Bevölkerung erhöhen. Das kann beispielsweise durch ein Ärzteblatt passieren. Diese erreicht mehr Menschen als eine Homepage, die an und für sich gut ist, aber auf die nur wenige zugreifen.

Sie wollen also vor allem die Kommunikation verbessern?

Ja, wir wollen die Anliegen besser hören, sie an die richtigen Stellen weitertragen und versuchen, ein Ergebnis zu erzielen.

Ein weiteres Ihrer Hauptanliegen sind die Nachwuchssorgen…

Das ist mein Steckenpferd. Leider geht Expertise in gewissen Fächern nachhaltig verloren. Das kann man im Homeoffice nicht erwerben. Die Frage ist, warum junge Kollegen nicht zurückkehren, Touristen kommen offenbar genug, am Land selbst liegt es also nicht. Das reicht aber nicht, um es auch als Arbeitsplatz attraktiv zu machen. Da gibt es einige Stellschrauben, an denen man drehen kann.

Die wären?

Zum Beispiel die Bürokratie, die vor allem dann eine Hürde ist, wenn sich jemand um eine Stelle bewirbt. Die Ärztekammer kann die jungen Leute an die Hand nehmen und einen Leitfaden erstellen, der ihnen sagt, was sie alles tun müssen, um zurückzukehren. Die Überforderung bei einer Rückkehr nach Südtirol ist oft groß. Eigentlich muss man aber bereits früher anfangen. Junge Leute sind gut vernetzt, sie geben gute und negative Erfahrungen weiter. Auch wenn jemand Südtirol nicht als Arbeitsplatz für sich sieht, hat er Studienkollegen oder Freunde, für die es vielleicht in Frage käme. Die jungen Leute orientieren sich daran, bevor sie einen Praktikumsplatz annehmen. Wenn sie sich gut angenommen und aufgehoben fühlen, kommen sie auch wieder. Wenn man wartet, bis sie eine fixe Stelle haben, sind sie bereits 30 Jahre alt, haben vielleicht eine Familie, brauchen eine Wohnung, Betreuungsplätze für die Kinder und eine Arbeitsstelle für den Partner. Wir brauchen also ein breiteres Paket, so wie es nordische Länder bereits anbieten. Wir stehen in direkter Konkurrenz zu Schweiz, Österreich und Deutschland, abgesehen davon, dass junge Leute eigentlich überall hingehen können, weil sie sprachlich gut ausgebildet sind.

Wie kann die Ärztekammer konkret diese Probleme beheben?

Man kann beispielsweise den Zugang zu den Famulaturen vereinfachen. Momentan werden diese zentral geregelt, die Leute müssen sich teilweise zwei Jahre zuvor melden und bekommen Absagen nur weil sich der Famulaturzeitraum zwei Tage mit einem anderen überschneidet. Die Folge ist, dass es viele Absagen gibt. Sobald junge Ärzte kommen, muss man ihnen eine Struktur bieten. Sie müssen ein Konzept dahinter sehen oder eine Person finden, die für sie zuständig ist. Gerade bei der Bürokratie kann die Ärztekammer viel abnehmen, wobei sie bereits jetzt viel macht. Wir haben unter Medizinstudenten eine Umfrage gemacht, unter welchen Kriterien sie ihren Arbeitsplatz wählen. Es sind vor allem weiche Kriterien: Wertschätzung, Perspektive in der beruflichen Weiterentwicklung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Darum muss sich auch die Standesvertretung kümmern – in Zusammenarbeit mit der Politik.

Wollen Sie die Ärztekammer als beratendes Organ für die Politik stärken?

Ja, das ist leider in den letzten Jahren verloren gegangen ist. Es werden Entscheidungen getroffen, ohne die Zielgruppe einzubinden, die es betrifft und die am Puls ist.

Die Pandemie hat ihre Spuren in der Ärzteschaft hinterlassen, wie die Wahl gezeigt hat, bei der auch eine impfkritische Liste angetreten ist. Wie gehen Sie damit um?

Man muss das natürlich thematisieren, die Verweigerung eines demokratischen Dialogs verhärtet die Fronten. Für uns gilt die gesetzliche Vorgabe der Impfpflicht, dazu gibt es Leitlinien. Es gibt aber durchaus Aspekte, über die man reden kann – auch in der Pandemie. Man muss die Ängste anhören. Auch wenn jemand dagegen ist, kann man seine Argumente vorbringen. Dass die Impfung vielen Alten und fragilen Patienten das Leben gerettet hat, steht außer Diskussion. Wenn man versucht, das zu verschweigen, wirkt es so, als seien die Argumente zu schwach. Für die meisten Impfungen haben wir ohnehin sehr starke Argumente.

Interview: Markus Rufin

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