„Etwas Gutes tun“
Bis Anfang Januar sind in Südtirol wieder rund 5.000 Sternsinger unterwegs. Alexandra Felderer, Vorsitzende der Jungschar, erklärt welche Tradition hinter dieser Aktion steckt.
Tageszeitung: Frau Felderer, das Sternsingen ist eine Tradition, die bis in die frühen Jahre des Christentums zurückreicht. Wie hat sich diese Aktion in Südtirol entwickelt?
Alexandra Felderer: Die Sternsinger-Aktion hat ihren Ursprung in Österreich. In Südtirol ging die erste Gruppe 1958 in St. Michael in Eppan von Haus zu Haus. Seitdem verbreitete sich die Tradition rasch in anderen Dörfern und Städten. Heute sind jedes Jahr rund 5.000 Kinder unterwegs.
Wer darf als Sternsinger mitmachen?
Das variiert je nach Gemeinde. Meist sind es Ministranten oder Jungschargruppen, aber grundsätzlich können sich alle Kinder im Grund- und Mittelschulalter melden. Die Gruppen rufen in der Regel selbst dazu auf. Eine typische Gruppe besteht aus vier Kindern – drei Königen und einem Sternträger – sowie einer Begleitperson. In manchen Fällen ist auch ein Fahrer dabei, wenn die Strecken zu Fuß schwer erreichbar sind.
Was symbolisieren die „Heiligen Drei Könige“?
Die Kinder stellen die drei Weisen dar, die zu Jesus in die Krippe kamen. Sie bringen den Weihrauch mit, mit dem traditionell am Vorabend des 6. Januars das Haus geräuchert wird. Damit symbolisieren sie einen Segen, den sie von Haus zu Haus bringen.
Wie erleben Sie die Bereitschaft der Kinder, sich aktiv an dieser Aktion zu beteiligen?
Das ist auch von Dorf zu Dorf sehr unterschiedlich. In einigen Gemeinden gibt es jedes Jahr eine konstante Anzahl von Kindern, die sich daran beteiligen. In anderen Orten ist es hingegen schwieriger, Kinder zu finden, die mitmachen. Vor allem seit der Corona-Pandemie, als das Sternsingen nicht erlaubt war, ist die Bereitschaft in einigen Dörfern etwas zurückgegangen.
Welche Bedeutung steckt hinter der Sternsinger-Aktion?
Das Sternsingen ist eine sehr sinnerfüllende Aktion. Jedes Jahr sind etwa 1.000 freiwillige Helfer beteiligt, damit alles reibungslos abläuft. Es ist eine Möglichkeit, etwas Gutes zu tun, indem man für bedürftige Menschen spendet und ihnen somit ein Stück weit ein besseres Leben ermöglicht. Aber auch für die Kinder ist es ein besonderer Tag, an dem sie viele neue Erfahrungen machen und mit ihren Freunden Spaß haben können.
Das Sternsingen ist eine christliche Tradition. Steht dabei die Religion im Vordergrund oder geht es eher um das soziale Engagement?
Der religiöse Aspekt steht schon im Vordergrund. Die Kinder repräsentieren christliche Figuren und bringen den christlichen Segen von Haus zu Haus. Aber gleichzeitig ist es auch eine Gelegenheit, soziale Nächstenliebe zu zeigen, die zwar tief in der christlichen Tradition verankert ist, aber auch in anderen Religionen eine Rolle spielt.
Jedes Jahr werden mit den Spenden über 100 Projekte weltweit unterstützt. Was wird damit alles gefördert?
Die Spenden unterstützen Projekte in den Bereichen Bildung, Gesundheit, soziale Hilfe, Grundbedürfnisse und die Vermittlung christlicher Werte. Oft werden Schulen gebaut oder mit Schulmaterial ausgestattet, Krankenhäuser errichtet oder mit Medikamenten versorgt. Auch soziale Zentren, die besonders Frauen und Mädchen Schutz bieten, werden gefördert. Ein weiteres Beispiel sind Brunnenbauten, die den Zugang zu sauberem Trinkwasser ermöglichen. Jedes Jahr wird ein besonderes Projekt hervorgehoben, mit dem Fokus auf ein konkretes Vorhaben. In der letzten Aktion konnten beispielsweise mit über 1,6 Millionen Euro 133 Projekte weltweit unterstützt werden.
In diesem Jahr steht das Projekt auf der indonesischen Insel Lembata im Fokus. Was macht dieses Projekt so besonders?
Pater Petrus Dori, der lange in Haslach als Pfarrer tätig war und ursprünglich von der Insel stammt, hat uns auf dieses Projekt aufmerksam gemacht. Es betrifft ein dortiges Waisenhaus, das stark verfallen ist und in dem es nicht genügend Betten für alle Kinder gibt. Daher ist dringend ein Neubau erforderlich. Wir waren im Juli sogar selbst vor Ort, um die Kinder kennenzulernen.
Wie reagieren die Menschen in Südtirol, wenn die Sternsinger bei ihnen klingeln? Trifft man auch manchmal auf Skepsis oder Ablehnung?
Die meisten Menschen sind sehr aufgeschlossen und freuen sich über die Sternsinger. Viele warten sogar auf den Besuch und stellen Süßigkeiten oder einen Brief vor die Tür, wenn sie nicht zu Hause sind. Besonders in den Dörfern gibt es eine starke Wertschätzung für diese Tradition. In den Städten ist die Offenheit manchmal etwas geringer, da nicht jeder mit der Tradition vertraut ist. Aber auch dort lässt sich oft eine positive Reaktion erzielen, wenn man die Bedeutung erklärt.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Sternsinger-Aktion?
Ich hoffe, dass wir auch in Zukunft viele motivierte Kinder finden, die in ihrer Freizeit mitmachen, um den guten Zweck zu unterstützen. Es ist auch wichtig, dass wir weiterhin freiwillige Helfer gewinnen – von den Personen, die die Kinder begleiten, über die, die die Gewänder nähen, bis hin zu denen, die die Verpflegung übernehmen. Ich wünsche mir, dass diese wertvolle Tradition auch in Zukunft bewahrt bleibt. Auch in diesem Jahr hoffen wir wieder auf offene Türen, offene Herzen und großzügige Spenden.
Interview: Sylvie Debelyak
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