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„Ein klares Eigentor“

Die Sepp-Kerschbaumer-Gedenkfeier in St. Pauls sorgt für ein Nachspiel in der Landesregierung. Die Fratelli d’Italia fordern eine klare Positionierung von Arno Kompatscher.

von Markus Rufin

Die Sepp-Kerschbaumer-Gedenkfeier am 8. Dezember ist in Vergangenheit des Öfteren zu einem Politikum geworden. Der Schützenbund, der die Gedenkfeier gemeinsam mit den Heimatbund organisiert, lädt jedes Jahr einen Ehrengast ein. Darunter waren bereits in Vergangenheit kontroversere Gäste. Rechtsnationale Parteien wie Fratelli d’Italia kritisierten die Veranstaltung des Öfteren aufgrund dessen.

Doch seit den Landtagswahlen hat die Stimme dieser Parteien ein anderes Gewicht. Fratelli d’italia ist bekanntlich Regierungspartner der SVP. Umso ungewöhnlicher ist es, dass Anna Scarafoni und Landeshauptmann-Stellvertreter Marco Galateo nun eine Anfrage zur letztjährigen Feier am 8. Dezember eingereicht hat. Für gewöhnlich sind Anfragen nämlich ein Mittel der Opposition, hier scheint es so, als wolle Fratelli d’Italia zu einer offiziellen Positionierung drängen.

Doch von Anfang an: Die Gedenkfeier in St. Pauls sorgte gleich aus zwei Gründen für Aufsehen. Zum einen wurde sie von einer Plakatkampagne begleitet, die von mehreren Parteien als „gewaltverherrlichend“ bezeichnet wurde. Darauf zu sehen war Sepp Kerschbaumer, im Hintergrund waren gesprengte Strommasten mit dem Schriftzug „Danke für deinen Einsatz“ zu sehen. Auch in der Anfrage wird die Plakataktion als „starkes, eindrucksvolles und sehr gewalttätiges Bild“ beschrieben. Über Sepp Kerschbaumer schreibt der Koalitionspartner der SVP, dass dieser ein „Gründungsterrorist“ und „Spitzenaktivist“ des Befreiungsausschuss Südtirol gewesen sei.

Doch vor allem die Einladung von Erhard Hartung erzürnt Scarafoni und Galateo. Er hat gerichtlich anerkannten Ermittlungen zufolge unterhalb der Porzerscharte einen Strommasten gesprengt und Mienen verlegt, durch die vier italienische Soldaten ums Leben kamen.

Diese und andere Attentate hätten dem Land nur geschadet. Die Südtiroler Autonomie – und das ist auch der Titel der Anfrage – sei nicht dank sondern trotz des Terrorismus errungen worden.

Angesichts dieser Umstände fordern Scarafoni und Galateo den Landeshauptmann dazu auf, sich von allen Formen von Terrorismus zu distanzieren. Zudem fordern sie ihn dazu auf „sich durch eine entschiedene Distanzierung von jeder Feier der Gewalttaten zu distanzieren, die Trauer und Schmerz über dieses Land gebracht haben und die heute im offensichtlichen Widerspruch zu dem erreichten friedlichen Zusammenleben stehen“.

Auch wenn die Fratelli d’Italia die Form einer formellen Anfrage gewählt haben, war es nicht ihre Absicht, damit den Landeshauptmann zu einer öffentlichen Stellungnahme aufzufordern, sagt Anna Scarafoni. Daher habe sie auch lediglich auf eine schriftliche Beantwortung der Anfrage bestanden. Viel mehr gehe es ihr darum, innerhalb der Koalition für klare Verhältnisse zu sorgen: „Die Regierungspartner müssen eine bestimmte Sensitivität für gewisse Themen aufbringen, die ärgerlich sein könnten. Wir haben das so auch im Koalitionsvertrag festgehalten.“ Es sei allerdings nicht ihre Absicht gewesen, die Anfrage oder die Antwort öffentlich zu machen.

Allerdings ist sowohl die Anfrage als auch später die Antwort von Kompatscher öffentlich einsehbar. Der Landeshauptmann scheut eine Stellungnahme aber nicht: „Sepp Kerschbaumer verdient sich den Namen Freiheitskämpfer vollauf. Er hat sich für die Rechte der Südtiroler und Südtirolerinnen eingesetzt, er war immer darauf bedacht, keine Menschen zu verletzen. Es ging um ein Signal und einen Aufschrei in einer Zeit der großen Unterdrückung.“

Doch wie steht er zur Einladung von Erhard Hartung? „Diese Einladung ist ein Zeichen dafür, dass es an der Spitze des Schützenbundes kein Gespür für die Geschichte und keine notwendige Differenzierung gibt. Hartung ist eindeutig deutschnationalen Kreisen zuzuordnen. Es ist nicht verständlich, dass eine solche Person als Redner eingeladen wird.“

Letztendlich habe sich der Schützenbund damit keinen Gefallen getan, vor allem, weil aktuell im Innenministerium darüber nachgedacht wird, wie man mit der Einlieferung von historischen Waffen durch befreundete Schützendelegationen umgehen soll.

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