Du befindest dich hier: Home » News » Kampf um Rom

Kampf um Rom


Die Plätze im römischen Parlament für die SVP werden immer rarer – und damit umso begehrter. Doch die amtierenden Mandatare denken (noch) nicht daran, ihren Stuhl für Arno Kompatscher, Philipp Achammer und Co. zu räumen.

von Matthias Kofler

Die fünf SVP-MandatarInnen in Rom halten sich aktuell bedeckt. Parlamentswahlen stehen zwar planmäßig erst in zweieinhalb Jahren an, und vorgezogene Neuwahlen erscheinen angesichts der stabilen Lage von Regierungschefin Giorgia Meloni eher unwahrscheinlich. Dennoch wirft der Kampf um die begehrten Plätze im römischen Parlament bereits seine Schatten voraus. Eines steht fest: Keiner der aktuellen MandatarInnen denkt daran, seinen Platz kampflos zu räumen.

Den Parteistrategen in der Brennerstraße bereitet die Situation zunehmend Kopfzerbrechen. Die Verkleinerung des Parlaments, rückläufige Wahlergebnisse und das stringente Wahlsystem erschweren der SVP die Sicherung ihrer Mandate. Gleichzeitig sehen sich prominente Landespolitiker wie Landeshauptmann Arno Kompatscher und Ex-Obmann Philipp Achammer mit einer ungewissen Zukunft konfrontiert: Aufgrund der Mandatsbeschränkung dürfen sie 2028 nicht erneut für den Landtag kandidieren. Ihre politische Perspektive könnte in Rom liegen – sofern jemand bereit ist, Platz zu machen.

Wahlsystem als Stolperstein

Das italienische Wahlsystem stellt kleinere Parteien wie die SVP vor große Herausforderungen. Es kombiniert Mehrheits- und Verhältniswahlrecht, wobei für Südtirol spezifische Regelungen für sprachliche Minderheiten gelten. Von insgesamt 392 Parlamentssitzen werden 147 in Einerwahlkreisen nach Mehrheitswahlrecht und 245 in Mehrmandatswahlkreisen nach Verhältniswahlrecht vergeben. Parteien wie die SVP profitieren von Sonderregelungen, etwa einer abgesenkten Sperrklausel. In den Einerwahlkreisen unterstützt jede Partei einen Kandidaten, während in den Mehrmandatswahlkreisen blockierte Listen zum Einsatz kommen, deren Reihenfolge die Mandatsvergabe bestimmt.

Die Region Trentino-Südtirol bildet für Kammer und Senat jeweils einen Wahlbezirk. Im Senat gilt das Mehrheitswahlrecht, in der Kammer teils das Verhältniswahlrecht. Von den sieben Kammermandaten werden vier in Einerwahlkreisen (zwei in Südtirol, zwei im Trentino) nach Mehrheitswahlrecht und drei im einzigen Mehrmandatswahlkreis nach Verhältniswahlrecht vergeben. Die sechs Senatoren (drei aus Südtirol, drei aus dem Trentino) werden ausschließlich in Einerwahlkreisen nach den Bestimmungen der Paketmaßnahme 111 gewählt.

Personalfragen und Machtkämpfe

Die SVP entsendet derzeit drei Kammerabgeordnete – Renate Gebhard, Manfred Schullian und Dieter Steger – sowie zwei Senatoren, Julia Unterberger und Meinhard Durnwalder. Einige Wahlkreise scheinen auf dem Papier als bombensicher: die Senatswahlkreise Ost und West, die von Durnwalder und Unterberger gehalten werden, sowie der Kammerwahlkreis Brixen mit Gebhard. Doch auch hier könnte Bewegung ins Spiel kommen. Durnwalder, der als Bezirksobmann im Pustertal über breite Unterstützung verfügt, hat sich noch nicht zu einer erneuten Kandidatur geäußert. Nicht ausgeschlossen ist, dass er 2028 in die Landespolitik wechselt – womöglich als Spitzenkandidat der SVP und Nachfolger von Kompatscher. Ein solcher Wechsel könnte einen fliegenden Übergang mit Kompatscher nach Rom bedeuten.

Ein zusätzlicher Stolperstein sind die Geschlechtervorgaben: In den Einerwahlkreisen dürfen maximal 60 Prozent der KandidatInnen sowie der ListenführerInnen in den Mehrmandatswahlkreisen demselben Geschlecht angehören. Zudem müssen die Listen alternierend nach Geschlecht aufgestellt sein. Für die SVP bedeutet dies, dass mindestens zwei der KandidatInnen in den fünf Einerwahlkreisen Frauen sein müssen. An Renate Gebhard und Julia Unterberger wird man wohl kaum vorbeikommen, es sei denn, es treten neue Frauen in den Vordergrund.

Strategien und sichere Wahlkreise

Diese Vorgaben werfen auch ihren Schatten auf Platzhirsche wie Parteiobmann Dieter Steger, der 2023 das Spitzenamt der SVP übernahm, um nicht ins politische Abseits zu geraten. Sein Augenmerk dürfte weiterhin auf dem Senatssitz von Julia Unterberger im Westen liegen. Die Meranerin, die sich in Rom durch einen konsequenten Oppositionskurs gegen die rechte Mehrheit einen Namen gemacht hat, zeigt jedoch keinerlei Anzeichen, ihren Platz kampflos aufzugeben. Ihre parteikritische Haltung, besonders in Bezug auf die Haushaltsabstimmung, hat zuletzt zu Spannungen mit Steger geführt. Aus ihrem Umfeld wird berichtet, dass ein Verzicht auf ihren Sitz zugunsten des Obmanns lediglich ein „Wunschtraum“ sei.

Sollte die SVP wieder mit dem Trentiner PATT antreten, wäre auch der dritte proportionale Kammersitz, den Steger 2022 erlangte, relativ sicher. Die anderen beiden Sitze dürften zwischen Mitte-Links- und Mitte-Rechts-Parteien aufgeteilt werden.
Schwieriger gestaltet sich die Lage im Kammerwahlkreis Bozen, in dem der Anteil italienischsprachiger WählerInnen hoch ist. Der Kalterer Manfred Schullian, einer der erfahrensten SVP-Politiker in Rom, genießt parteiintern nicht mehr uneingeschränktes Vertrauen, da er sich in der letzten Zeit nur wenig in die Parteiarbeit eingebracht hat. Zuletzt konnte er seinen Sitz nur mit einem hauchdünnen Vorsprung von gerade einmal sieben Prozent verteidigen. Ob er erneut antritt oder Platz machen muss, bleibt unklar. Da weder Kompatscher noch Achammer in diesem Wahlkreis verankert sind, ist es unwahrscheinlich, dass sie Schullian den Platz streitig machen werden. Stattdessen könnte Dieter Steger in Bozen kandidieren, während der landesweite proportionale Sitz für einen anderen prominenten Landespolitiker reserviert wird.

Manfred Schullian, Renate Gebhard und Dieter Steger

Alternative Straßburg?

Für Parteien, die sprachliche Minderheiten vertreten, gilt die allgemeine Regel, dass eine Koalition staatsweit einheitlich sein muss, nicht. Stattdessen können sie für jeden Einzelwahlkreis separat entscheiden, ob sie einen eigenen Kandidaten ins Rennen schicken oder gemeinsam mit anderen Parteien antreten. „Für sprachliche Minderheiten gibt es eine Sonderregelung hinsichtlich der Sperrklausel für die Teilnahme an der Sitzverteilung im Mehrmandatswahlkreis der Kammer: Eine Partei kann teilnehmen, wenn sie entweder 20 Prozent der Stimmen in der Region erzielt oder zwei ihrer unterstützten Kandidaten in den Einerwahlkreisen gewinnt“, erklärt Renate Gebhard, die SVP-Fraktionsvorsitzende in der Abgeordnetenkammer.

Für die SVP stellt sich eine grundlegende strategische Entscheidung: Soll sie in den Einerwahlkreisen eigene Kandidaten aufstellen oder Koalitionen mit anderen Parteien eingehen? Diese Gratwanderung könnte entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg bei den kommenden Wahlen sein. 2022 entschied sich die SVP, „blockfrei“ anzutreten, und stellte im mehrheitlich italienischsprachigen Senatssitz Bozen/Unterland mit Manfred Mayr einen eigenen Kandidaten. Diese Entscheidung ging jedoch schief: Der Mitte-Links-Kandidat Luigi Spagnolli setzte sich knapp gegen Mayr und den „rechten“ Maurizio Bosatra durch. Die Lektion daraus: Strategische Bündnisse werden bei den Wahlen 2027 möglicherweise den Ausschlag geben.

Ob Arno Kompatscher oder Philipp Achammer in Rom eine politische Perspektive haben, hängt letztlich davon ab, ob die amtierenden Mandatare bereit sind, im Sinne der Parteiräson einen Schritt zurückzutreten. Derzeit deutet jedoch wenig darauf hin, dass dies der Fall ist – der Kampf um die römischen Sitze hat gerade erst begonnen. Sollte der Zugang zu Rom und dem Senat weiterhin versperrt bleiben, könnte das Europaparlament eine mögliche Option darstellen, dessen nächste Wahl jedoch erst 2029 ansteht – also nach den regulären Parlaments- und Landtagswahlen. Doch auch dieser Weg ist nicht einfach: Herbert Dorfmann könnte erneut kandidieren, da die Mandatsbeschränkung für ihn erst nach 25 Jahren greift. Der Feldthurnser hat zudem klar gemacht, dass er nicht die Nachfolge des Landeshauptmanns antreten möchte.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (19)

Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen

Du musst dich EINLOGGEN um die Kommentare zu lesen.

2025 ® © Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH/Srl Impressum | Privacy Policy | Netiquette & Nutzerbedingungen | AGB | Privacy-Einstellungen

Nach oben scrollen