Geld zurück?
Die Vita-Abgeordnete Renate Holzeisen fordert nach ihrem Etappensieg vor dem Landesgericht, dass Südtirol sämtliche Corona-Strafen an die BürgerInnen zurückzahlt.
von Matthias Kofler
Am Nachmittag des 15. Mai 2021 wurde Renate Holzeisen von einer Polizeistreife angehalten. Der Grund: Sie trug keine Maske, wie es die damaligen Corona-Verordnungen des Landeshauptmanns verlangten. Dafür erhielt sie eine Geldstrafe von 400 Euro – doch die Anwältin und heutige Landtagsabgeordnete legte Protest ein.
Nachdem das Friedensgericht ihren Einspruch zurückgewiesen hatte, zog Holzeisen vor das Bozner Landesgericht – mit Erfolg. Richterin Birgit Fischer entschied, den Fall an den Verfassungsgerichtshof in Rom weiterzuleiten. Der Beschluss wurde gestern im Amtsblatt der Region veröffentlicht, wodurch die Frage, ob das Unterlassen des Maskentragens im Freien ein Vergehen darstellt, nun offiziell beim Verfassungsgericht in Rom zur Entscheidung liegt.
Im Kern des Verfahrens stehen das Landesgesetz Nr. 4/2020 sowie die Verordnung des Landeshauptmanns Nr. 25/2021, die die Grundlage für zahlreiche Corona-Maßnahmen in Südtirol bildeten und Strafen zwischen 400 und 1.000 Euro für Verstöße gegen die Corona-Regeln vorsahen. Holzeisen argumentiert, dass das Land nicht die gesetzliche Kompetenz besitze, solche Maßnahmen zu erlassen. Der Verfassungsgerichtshof habe dies bereits in mehreren Urteilen klargestellt, etwa im Urteil Nr. 37/2021 zu vergleichbaren Regelungen der Region Aosta. Dort sei entschieden worden, dass regionale oder provinziale Gesetzgeber in der internationalen Prophylaxe nicht tätig werden dürfen, selbst wenn ihre Maßnahmen mit staatlichen Vorgaben übereinstimmen. Diese klare Position habe das Verfassungsgericht in seinem Urteil Nr. 164/2022 zum Kompetenzkonflikt zwischen Südtirol und dem Garanten für den Schutz personenbezogener Daten im Zusammenhang mit dem Green Pass bekräftigt, so die Vita-Abgeordnete. Zudem habe die Consulta mit Urteil Nr. 50/2024 auf die vom Bozener Landesgericht aufgeworfene Frage zur Verfassungsmäßigkeit des Südtiroler „Corona-Sonderwegs“ in Bezug auf die Geldstrafe für die unterlassene Prüfung des Green Pass festgestellt, dass der Landesgesetzgeber mit seiner Regelung in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Staates eingegriffen habe.
„Die Verfassungswidrigkeit des Landesgesetzes ist eindeutig“, ist Renate Holzeisen überzeugt. Die Befugnis zur Verhängung solcher Strafen, die darüber hinaus weder angemessen noch verhältnismäßig gewesen seien, habe ausschließlich beim Präfekten und nicht beim Generalsekretariat der Autonomen Provinz gelegen. Daher müsse das Land alle „ultra vires“ eingehobenen und bereits gezahlten Corona-Strafen rückwirkend zurückzahlen.
Trotz der klaren Rechtslage, so Holzeisen, habe die Landesregierung bislang jedoch keine Anstalten gemacht, die Strafen zu erstatten oder laufende Verfahren einzustellen. Stattdessen setze sie weiterhin auf eine gerichtliche Klärung.
Landeshauptmann Arno Kompatscher zeigte sich zuletzt zurückhaltend. Im Landtag erklärte er, dass nicht automatisch alle Corona-Maßnahmen des Landes verfassungswidrig seien. Man werde die Entscheidungen des Gerichts abwarten und transparent aufarbeiten. Eine generelle Rückerstattung lehnt er ab: „Wir müssen klären, welche Rechtsgrundlage wir dann noch hätten.“ Mögliche Fehler in der Handhabung räumte er jedoch ein.
Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs könnte weitreichende Folgen haben – politisch wie finanziell. Sollte Holzeisen Recht bekommen, stünden dem Land nicht nur hohe Rückzahlungen bevor, sondern es würde auch das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtmäßigkeit künftiger Maßnahmen aufs Spiel gesetzt.
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