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Importierter Terrorist?

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Einer der in Bozen zu neun Jahren Haft verurteilten Jihadisten kämpft gegen seine Auslieferung nach Italien. Mit kuriosen Argumenten.

von Thomas Vikoler

Die Anklageschrift wurde ihm in seiner Muttersprache Kurdisch zugestellt, er nahm per Videoschaltung aus einem englischen Gefängnis am Berufungsprozess am Oberlandesgericht Bozen teil. Er legte Kassationsbeschwerde gegen eine neunjährige Haftstrafe wegen internationalem Terrorismus ein, die seit 17. Mai 2022 rechtskräftig ist.

Allerdings befindet sich Hamsalih Wahab Awart, 46, weiterhin auf freiem Fuß.

Dabei gehörte der in England lebende Mann zum engsten Umfeld von Mullah Krekar, der von Norwegen aus ein internationales Terror-Netzwerk namens Rawthi Shax dirigierte, das auch Südtirol (Meran) eine Art Zweigstelle hatte. Mullah Krekar sitzt derzeit in einem Hochsicherheitsgefängnis auf Sardinien eine zwölfjährige Haftstrafe ab.

Und sein Adept Wahab Awart wehrt sich gegen die von Italien beantragte Auslieferung zwecks Ableistung der neunjährigen Haftstrafe.

In seinem Einspruch gegen den Auslieferungsantrag beklagt der rechtskräftig verurteilte Rawthi-Shax-Angehörige einen unfairen Prozess in der ersten Instanz vor dem Bozner Schwurgericht und auch im Berufungsverfahren am Oberlandesgericht. Dabei seien seine Verteidigungsrechte verletzt worden.

Kurios ist ein weiterer Einwand des gebürtigen Kurden: Sein Vertrauensanwalt habe ihn in den beiden Prozessen schlecht verteidigt.

Das Auslieferungsverfahren behängt derzeit vor dem High Court of Justice in London, die nächste Verhandlung findet im Februar statt.

Das für den Fall zuständige Gericht hat derweil dem Bozner Landesgericht und der hiesigen Außenstelle des OLG einen langen Fragenkatalog zukommen lassen, in dem die Einwände des Auslieferungskandidaten thematisiert werden. Wurden die Rechte des Angeklagten gewahrt? Wurde er vom Gericht angehört?

Die beiden Gerichte antworteten ausgiebig auf die Fragen aus London. Zu einem Punkt – die vermeintlich schlechte Verteidigung – lautete die Antwort: In Italien hat ein Gericht keinerlei Einfluss darauf, wie ein Angeklagter verteidigt wird, insbesondere wenn er, wie in diesem Fall, von einem Vertrauensanwalt vertreten wird.

Das zuständige Londoner Gericht zeigte sich mit den Antworten aus Bozen zufrieden und wird auf der nächsten Verhandlung voraussichtlich die Ausweisung von Hamsalih Wahab Awart nach Italien anordnen.

Es kommt also buchstäblich zu einem Terroristen-Import und dies angesichts der Tatsache, dass der rechtskräftig Verurteilte sich bisher nie in Italien aufgehalten hat. Bei ihm hatten die englischen Behörden im Rahmen der Anti-Terror-Ermittlung der Staatsanwaltschaft Trient terroristisches Propagandamaterial sichergestellt. Er wurde deshalb in England zu sechs Jahren Haft verurteilt, die er bereits abgesessen hat.

Nun ist Italien an der Reihe.

 

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