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„Ein bissl Würde behalten“

Julia Unterberger rechtfertigt ihr Fernbleiben bei der Haushaltsabstimmung im Senat – und kritisiert die „Unterwürfigkeit“ von SVP-Chef Dieter Steger.

Tageszeitung: Frau Unterberger, Ihr Fernbleiben beim Haushaltsvotum hat SVP-Obmann Dieter Steger zu Kritik veranlasst. War das ein Fehler?

Julia Unterberger: Ich kann mich über diese öffentliche Erregung des Obmannes nur wundern. Steger hat die Senatoren gebeten, sich wie die Abgeordneten zu enthalten, wobei er öffentlich auch noch von einer „wohlwollenden Enthaltung“ gesprochen hat. Das kam für mich nicht infrage. Für mich handelt es sich um einen total rückwärtsgewandten Haushalt, so wie die gesamte Politik dieser rechten Regierung. Da ich des Parteifriedens zuliebe nicht gegen den Haushalt stimmen wollte, bin ich der Abstimmung ferngeblieben. Das habe ich dem Obmann per SMS mitgeteilt. Seine Antwort war ein schlichtes „Danke für die Info“. Daher verstehe ich die plötzliche Aufregung nicht.

Warum konnten Sie angesichts der sensiblen Autonomie-Verhandlungen, bei denen der Landeshauptmann und die SVP auf ein gutes Verhältnis zu Rom angewiesen ist, nicht beide Augen zudrücken?

Glaubt wirklich jemand, dass es für die Regierung einen Unterschied macht, ob es eine oder zwei Enthaltungen gegeben hat? Das nehmen die nicht einmal wahr! Außerdem handelte es sich nicht nur um den Haushalt, sondern die Regierung hat die Vertrauensfrage gestellt. Bis auf das erste Mal habe ich hier stets dagegen gestimmt und werde das weiterhin tun. Ich stehe dieser Regierung von Postfaschisten nicht neutral gegenüber. Ich kann diese unterwürfige Haltung des Obmannes nicht teilen. Seit zwei Jahren zeigt sich die SVP überall entgegenkommend, doch die versprochene Gegenleistung ist immer noch in der Schwebe. Ein bisschen Würde sollten wir schon bewahren.

Welche Chancen und Risiken birgt der Haushalt 2025, insbesondere für Südtirol?

Das Positivste am Haushalt ist, dass versucht wurde, keine neue Schulden zu Lasten künftiger Generationen zu machen und sich an die europäischen Vorgaben zu halten. Die Mittel waren knapp und es konnten keine großen Sprünge gemacht werden. Trotzdem gibt es einen Spielraum bei der Verwendung der vorhandenen Ressourcen und der wurde absolut nicht so genutzt, wie es für eine moderne Politik notwendig wäre. Mein größter Kritikpunkt ist der nicht vorhandene Ansatz zur Bekämpfung des Klimawandels. Im Gegenteil: Die Ressourcen für das Umweltministerium wurden gekürzt und Beiträge für einen nachhaltigen Umgang mit der Umwelt gestrichen. Im Gegenzug wurden die Beiträge für umweltschädliche Produktionsweisen aufrechterhalten. Dies in einem Land, das den klimatischen Veränderungen extrem ausgesetzt ist. Ich finde diese Vorgansweise verantwortungslos und verstehe, dass die Umweltverbände auf den Barrikaden sind.

Teilen Sie die Kritik Ihrer SVP-Kollegen in der Abgeordnetenkammer an der fehlenden wirtschafts- und sozialpolitischen Vision des Haushalts?

Ich teile die Kritik der Kollegen und Kolleginnen in der Kammer und füge noch die nicht vorhandene umweltpolitische Vision hinzu. Bei dieser Analyse ist meine Konsequenz halt keine „wohlwollende“ Enthaltung, sondern eine Gegenstimme.

Dieter Steger, Julia Unterberger und Markus Söder

Hätten Sie nicht konsequenter mit Nein stimmen sollen, statt fernzubleiben? Oder sind Sie zu sehr Parteisoldatin?

Ich bin sicher keine Parteisoldatin, ich denke, das habe ich hinlänglich bewiesen. Natürlich wäre es konsequenter gewesen, dagegen zu stimmen, ich wollte halt den Weihnachtsfrieden des Obmannes nicht trüben. Wenn er sich aber wegen einer Abwesenheit, die keinerlei praktische Auswirkungen hat, dermaßen echauffiert, dann wird mir das für die Zukunft eine Lehre sein.

Wie haben Sie die Debatte im Senat und das Wortgefecht zwischen Präsident Ignazio La Russa und Ex-Premier Matteo Renzi erlebt?

Das Klima zwischen Opposition und Mehrheit ist bei Haushaltsdebatten traditionell angespannt, da es um das politische Programm geht. Noch dazu wird der Haushalt nicht erst seit dieser Regierung de facto nur in der Gesetzgebungskommission einer Kammer behandelt, was die Mitglieder der anderen Kammer, diesmal des Senats, regelmäßig anprangern. Seit Renzi beschlossen hat, wieder ins Mitte-Links-Lager zurückzukehren, werden seine Attacken gegenüber der Regierung immer heftiger. Und man muss ihm lassen, dass er das meisterhaft macht. Nicht sehr elegant war die Anspielung auf das Alter von La Russa.

Wie fest sitzt Giorgia Meloni mit Blick auf 2025 im Sattel?

Zurzeit sitzt Meloni fest im Sattel, auch wenn sie sich ständig mit ihren beiden Vizes herumschlagen muss: Matteo Salvini möchte, nach seinem Freispruch, wieder Innenminister werden. Er erhofft sich dadurch eine Schubumkehr bei den sinkenden Umfragewerten. Antonio Tajani und Forza Italia stehen in der Schuld der Berlusconi-Familie, und die verlangt eine größere Öffnung bei gesellschaftspolitischen Themen. Derweil holt der PD in den Umfragen ständig auf. Elly Schlein macht ihre Arbeit sehr gut. Leider liegt ein geschlossener Mitte-Links-Block noch in weiter Ferne. Aber bis zur nächsten Wahl vergeht noch viel Zeit. Dann könnte es für die derzeitige Regierungskoalition eng werden.

Interview: Matthias Kofler

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