Die große Verlegenheit
Ab Januar gönnen sich die Abgeordneten 1.000 Euro brutto mehr im Monat – dank eines Gesetzes, das ohne Gegenstimme verabschiedet wurde. Wie aus einer Sparmaßnahme ein teurer Bumerang wurde.
von Matthias Kofler
Die Opposition im Südtiroler Landtag ist dafür bekannt, kein Blatt vor den Mund zu nehmen – besonders, wenn es darum geht, der SVP einen Seitenhieb zu verpassen. Doch ausgerechnet bei einem Thema, das förmlich nach scharfer Kritik ruft, bleibt es auffällig ruhig: den Gehältern der Regionalratsabgeordneten. Wie die Tageszeitung berichtete, steigen zum Jahreswechsel die Entschädigungen der 70 Volksvertreter um 10,5 Prozent – mehr als 1.000 Euro brutto monatlich. Ihr Nettogehalt wächst von aktuell 5.896 auf etwa 6.400 Euro. Ein Plus, von dem „normalsterbliche“ Arbeitnehmer nur träumen können. Die jährlichen Politikkosten in der Region steigen durch diese Anpassung um stattliche 850.000 Euro.
Ein „wundersames“ Geschenk, das den Abgeordneten scheinbar ohne eigenes Zutun zuteilwurde? So könnte man meinen, wenn man das Schweigen aller Fraktionen betrachtet. Doch die saftige Erhöhung basiert auf einem Gesetz, das ursprünglich als Sparmaßnahme gedacht war. Das Argument: Hätte man die automatische Inflationsanpassung, die bis zur Reform im Sommer 2023 in Kraft war, beibehalten, wäre die Erhöhung statt 10,5 Prozent auf 17 Prozent gestiegen – also habe man „faktisch gespart“.
Dass es so weit kam, liegt ironischerweise auch an der Opposition. Das Team K hatte den ursprünglichen Vorschlag eingebracht, die Politikergehälter an jene der Beamten zu koppeln, um die Abgeordneten analog zu den öffentlichen Bediensteten zu behandeln. Ziel war es, Vorteile und Privilegien abzuschaffen. Man greife eine „heiße Kartoffel“ auf, weil es an der Zeit sei, eine glaubwürdige, vor der Öffentlichkeit vertretbare politische Lösung zu finden, sagte Team-K-Frontfrau Maria Elisabeth Rieder noch im Jahr 2021. Und sie präzisierte, dass ihr die Ankoppelung an das für die öffentlichen Arbeitnehmer vorgesehene System als logische Folgerung erscheine, da die Abgeordneten ein öffentliches Wahlamt bekleiden und somit in gewisser Hinsicht als öffentliche, von der Bevölkerung gewählte Bedienstete angesehen werden könnten.
Auch die Grünen unterstützten anfangs den Vorschlag. Riccardo Dello Sbarba war der Auffassung, dass es sich um eine „korrekte Lösung“ handle, die es ermögliche, einen Automatismus, der als Privileg wahrgenommen wird, zu vermeiden und das Thema endlich zu lösen, sodass die „heiße Kartoffel“ nicht an die zukünftigen Entscheidungsträger weitergereicht werde. Gegenwind kam von der SVP. Der vor einem Jahr verstorbene Rentenexperte Helmuth Renzler erklärte, dass es rein rechtlich nicht möglich sei, das Gehalt von der Aufwandsentschädigung zu trennen, denn das Gehalt sei die Entschädigung für ein abhängiges Arbeitsverhältnis. Die Aufwandsentschädigung dem Gehalt gleichzusetzen, würde die politische Unabhängigkeit der Abgeordneten infrage stellen. Renzler wies außerdem darauf hin, dass die ISTAT-Aufwertung in der Regel niedriger ist als die in den Tarifverträgen – womit er mit Blick auf die jetzt fälligen 10,5 Prozent mehr nicht ganz Unrecht hatte.
Doch während der Gesetzgebungsprozess voranschritt, verwandelte sich die Reform in ein undurchschaubares Flickwerk. Im Frühjahr 2023 zog die Opposition ihre Unterschrift unter ihrem Gesetzentwurf zurück und auch der parallel vorliegende Entwurf von Regionalratspräsident Sepp Noggler (SVP), der die Gehälter nur alle fünf Jahre um zwei Prozent erhöhen wollte, wurde versenkt. Stattdessen übernahm die Mehrheit kurzerhand die Kopplungs-Idee, die ohne Gegenstimme den Regionalrat passierte. Das Abstimmungsergebnis im Sommer 2023, kurz vor den Landtagswahlen, spricht Bände: 25 Ja-Stimmen, sieben Enthaltungen. Die Oppositionspolitiker zogen sich aus der Verantwortung, indem sie sich entweder enthielten oder aus dem Saal gingen, um nicht mitstimmen zu müssen. Rieder und Co. erachteten die Vorgehensweise der Regierungsmehrheit für undurchsichtig. Zudem würden die Anpassungen im öffentlichen Sektor nur bestimmte Lohnelemente betreffen, während jene der Mandatare die gesamte Entschädigung und sogar die Fahrtengelder einbeziehen.
Präsident Noggler (SVP) verteidigte das Gesetz mit einem Argument, das bei den Bürgern wenig Anklang finden dürfte: „Es bringt Einsparungen und gleicht die Behandlung der Abgeordneten an jene der Bürger an.“ Mittlerweile sagt er aber selbst, dass die Einsparungen nur auf dem Papier stehen, weshalb er den Aufschrei nachvollziehen kann. Dass gerade beim Thema Politikergehälter so wenig Widerspruch kommt, sorgt bei vielen Beobachtern für Kopfschütteln. Vielleicht ist es die Tatsache, dass auch die Opposition von der Erhöhung profitiert, oder die Angst vor öffentlicher Kritik. Das Ergebnis bleibt das gleiche: Die Abgeordneten gönnen sich eine Gehaltserhöhung – und niemand will es gewesen sein.
Kommentare (21)
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