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Der Glaubensstreit

Fotos: Südtirol Wein

Ein Dutzend Bio-Winzer scheitern mit einem Rekurs gegen den verpflichtenden Einsatz des Insektizids Pyrethrin gegen die Goldgelbe Vergilbung. Im Rechtsstreit zeigen sich Parallelen zur Corona-Pandemie. 

von Thomas Vikoler 

Der Fall weist gewisse Parallelen zur Corona-Pandemie und den dazu von den Gesundheitsbehörden angeordneten Maßnahmen wie Quarantäne und Impfpflicht auf. Es geht um die Goldgelbe Vergilbung, eine für den Weinbau gefährliche Pflanzenkrankheit, die von einem Bakterium ausgelöst wird. Die Pflanzen sterben ab, es kommt zu größeren Ernteausfällen im Weinbau. Der erste Fall in Südtirol wurde 2016 in Klausen festgesellt. 

Die Goldgelbe Vergilbung ist, ähnlich Covid-19, eine Quarantänekrankheit. 

Zur Frage, wie sie zu bekämpfen ist, darüber gibt es auch hierzulande keine Einigkeit. Und sie mündete in einen Rechtsstreit, in dem sich die Landesverwaltung und eine Organisation des bio-dynamischen Landbaus bzw. einzelne Winzer aus diesem Bereich gegenüberstehen. 

In Analogie zum Kampf um die Corona-Maßnahmen kann man Zweitere als die Impfgegner bezeichnen. Genauer: Als Spritzgegner. 

Am 25. Mai dieses Jahres erließ der Inspektor des Pflanzendienst des Landes eine Verordnung, betreffend „Maßnahmen zur Bekämpfung der Goldgelben Vergilbung der Rebe (Grapevine flavescence dorée phytoplasma) im Gebiet des Landes Südtirol – Obligatorische Bekämpfung Scaphoideus titanus“.

Es enthält nicht nur die Verpflichtung für alle Weinbauern, von der Goldgelben Vergilbung betroffene Rebstöcke samt Wurzelstock zu roden, sondern auch den obligatorischen Einsatz des Wirkstoffes Pyrethrin in allen Rebanlagen des Landes. 

Pyrethrin ist ein chemisch hergestellte Inzektizid, das auch gegen Blattläuse, die Weiße FliegeSpinnmilbenWoll- und SchmierläuseZikaden und KäferLarven eingesetzt wird. Es wirkt gegen Eier, Larven und erwachsene Tierchen. 

Doch Pyrethrine sind weder im biologischen und schon gar nicht im bio-dynamischen Landbau zugelassen. Das allein erklärt, dass die Pflanzenschutzverordnung zur Goldgelben Vergilbung in der hiesigen Szene für große Aufregung sorgte. 

Die Arbeitsgemeinschaft für die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise Trentino-Südtirol sowie über ein Dutzend Bio-Winzer und Bewirtschafter von PIWI-Kulturen fochten mit zwei Rekursen die Verordnung vor dem Bozner Verwaltungsgericht an. Sie bemängelten neben dem verpflichtenden Einsatz von Pyrethrin den Umstand, dass die Maßnahme für sämtliche Rebanlagen in Südtirol gilt. 

Wie nun aus zwei getrennten Urteilen hervorgeht, sind sie damit gescheitert. Die beiden Rekurse wurden abgewiesen, die Kläger zur Zahlung von jeweils 3.000 Euro Prozessspesen an die Landesverwaltung verurteilt. 

Das Verwaltungsgericht hatte das Dekret am 26. Juni mit einer Präsidalverfügung ausgesetzt, die Aussetzung am 9. Juli aber mit Senatsbeschluss wieder aufgehoben. Begründung:

In Erwägung, dass die Rekurse aufgrund einer summarischen Prüfung nicht den Anschein der Begründetheit haben, zum einen, weil die Frage über die wirksamste und gleichzeitig ökologisch vertretbarste Bekämpfung der Goldgelben Vergilbung der Rebe in das technische Ermessen der dafür zuständigen Verwaltung fällt und zum anderen, weil die Verwaltung den klaren Nachweis erbracht hat, dass die Verbreitung dieser gefährlichen Rebkrankheit, die epidemischen Charakter hat und deren Phytoplasma in der Liste der Unionsquarantäneschädlinge aufscheint, in den letzten Jahren im biologischen Weinanbau unverhältnismäßig stark zugenommen hat und daher in Abwägung der im Verfahren involvierten Interessen auf alle Fälle dem öffentlichen Interesse auf eine effektive Bekämpfung der Goldgelben Vergilbung der Rebe der Vorzug gegeben werden muss.“.

In der nun vorliegenden Begründung der beiden Urteile legt das Verwaltungsgericht ein Scheit nach. „Entgegen der Auffassung der Rekurssteller, ist die Anordnung zur obligatorischen Verwendung im biologischen Anbau des Wirkstoffes Pyrethrin angesichts des phytosanitären Notstandes notwendig und auch verhältnismäßig. Pyrethrin ist unbestritten das wirksamste Mittel zur Bekämpfung der Goldgelben Vergilbung“. 

Aus diesem Grund hatte da Gericht auch einen Antrag auf Beauftragung eines Amtsgutachters abgelehnt, der – neben der Wirksamkeit der Maßnahme – auch die schädlichen Auswirkungen von Pyrethrin für Pflanzen im biologischen und bio-dynamischen Anbau hätte untersuchen sollen. 

Stattdessen präsentiert das Gericht den Rekursstellern nun beeindruckende Zahlen eines Monitorings des Pflanzenschutzdienstes, die sie offensichtlich für glaubwürdig hält. Diesen zufolge ist in Südtirol die Zahl der festgestellten Fälle von Goldgelber Vergilbung stetig angestiegen, 2023 gab es in hiesigen Rebanlagen 107 neue Fälle. 

Und dies insbesondere in Flächen mit biologischen oder bio-dynamischen Anbau. Im Überetsch gab es 360 Prozent mehr sogenannter Fänge in biologischen Rebanlagen im Vergleich zu den integrierten Rebanlagen, in Salurn 320 Prozent mehr, in Auer und Neumarkt 690 Prozent mehr, in Bozen und am Ritten sogar 850 Prozent mehr Vorfälle in biologischen Rebanlagen als in jenem mit integriertem Anbau.

Daraus ergebe sich ganz klar, dass die Wirksamkeit, der bisher in den biologisch bewirtschafteten Rebanlagen eingesetzten und von den Rekursstellern bevorzugten Insektizide begrenzt sei, heißt es in der Urteilsbegründung. 

Gemeint sind hier die Wirkstoffe Beauveria bassina (Naturalis) und Orangenöl, die eine maximale Wirkung von 30 Prozent aufwiesen, während sie bei Pyrethrin bei 90 Prozent liege. 

Die zwangsweise Verordnung dieses Wirkstoffs durch den Inspektor für Pflanzenschutz sei deshalb begründet und gerechtfertigt. 

Ähnlich hatten italienweit Gerichte zu den Anfechtungen von Corona-Maßnahmen durch Impfgegner geurteilt. 

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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