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Neue Hoffnung bei Parkinson

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Die mit dem Südtiroler Wissenschaftspreis ausgezeichnete Molekularbiologin Irene Pichler erklärt, warum Früherkennung bei Parkinson so entscheidend ist.

Tageszeitung: Frau Pichler, herzlichen Glückwunsch zum Wissenschaftspreis des Landes Südtirol. Sie wurden für Ihre herausragende Leistung in der Parkinsonforschung ausgezeichnet. Gibt es bestimmte Risikofaktoren, dieses Krankheitsbild zu entwickeln?

Irene Pichler: Nicht vermeiden lassen sich die genetischen Faktoren, das heißt Mutationen in bestimmten Genen, die man vererbt bekommt. Inzwischen kennt man 20 Gene, die mit Parkinson in Verbindung stehen. Aber nur bei ungefähr zehn Prozent aller Patienten liegt eine Genmutation vor. Der überwiegende Teil der Betroffenen weist hingegen die idiopathische Form der Erkrankung auf. Hier sind die Ursachen noch unbekannt. Es könnten dabei genetische Risikovarianten zusammen mit verschiedenen Umweltfaktoren, beispielsweise bestimmte Pestizide oder auch andere toxische Substanzen, wie sie zum Beispiel in manchen synthetischen Rauschmitteln enthalten sind, mit Parkinson in Verbindung stehen.

Wie viele Menschen in Südtirol sind von Parkinson betroffen?

In Südtirol sind etwa 1.500 Personen an Parkinson erkrankt. Das stimmt mit der auch für andere Gebiete beschriebenen Prävalenz überein und entspricht rund 0,3 Prozent der Bevölkerung. Bei über 60-Jährigen steigt das Risiko einer Erkrankung auf ein bis zwei Prozent an.

Welche Behandlungsmethoden gibt es derzeit?

Bei der Parkinsonerkrankung sterben im Mittelhirn Neuronen, die den Neurotransmitter Dopamin produzieren, ab. Die derzeit gängigste Therapie ist die Behandlung mit Levodopa, einer Vorstufe von Dopamin, das in Medikamentenform verabreicht wird. Für einige Jahre funktioniert diese Therapie gut, hat dann aber leider häufig Nebenwirkungen in Form von unkontrollierten Bewegungen. Ursächliche Therapien gibt es allerdings keine.

Wo setzt Ihre Forschung an?

Generell geht die Forschung in Richtung Früherkennung, denn sobald die ersten motorischen Symptome bei der Erkrankung auftreten, sind schon ganz viele Neuronen im Gehirn abgestorben. An der Eurac in Bozen konzentrieren wir uns auf molekulare Forschung. Wir untersuchen genetisch bedingte Formen von Parkinson und analysieren, wie sich solche Genmutationen auf der Zellebene auswirken. Ein besonderes Augenmerk gilt der Funktion der Mitochondrien, also Zellorganellen, die für die Energieproduktion eine wichtige Rolle spielen, auch weil man weiß, dass die Neuronen besonders viel Energie benötigen. Wenn die Mitochondrien nicht mehr gut funktionieren, kann dies zum Zelltod führen. In einem bestimmten mitochondrialen Stoffwechselweg haben wir ein Protein identifiziert, das uns besonders interessant erscheint. Wir arbeiten an einer Strategie, diesen Stoffwechselweg zu stabilisieren oder zu aktivieren, um die Mitochondrien wieder funktionsfähig zu machen. Dabei verfolgen wir zwei Ansätze mit einem recht ähnlichen Effekt. Einerseits möchten wir die Expression dieses Proteins erhöhen, andererseits haben wir auch kurze Peptide entwickelt, die an dieses mitochondriale Protein binden. In unseren Zellmodellen haben wir gesehen, dass beide Ansätze die Mitochondrienfunktion verbessern können.

Ist dieses Wissen auf alle Patienten übertragbar?

Derzeit konzentrieren wir uns auf die genetischen Formen der Parkinson-Erkrankung, die nur einen kleinen Teil der Betroffenen ausmachen. Unser Ziel ist es jedoch, die Erkenntnisse, die wir hier gewinnen, auf die größere Gruppe der von der idiopathischen Form Betroffenen zu übertragen. Untersuchungen an genetischen Formen haben der Parkinsonforschung wertvolle Einblicke verschafft und viele Veränderungen in den molekularen Prozessen aufgezeigt. Es wird immer deutlicher, dass ähnliche Defizite auch bei der idiopathischen Form auftreten, die sich allerdings durch eine hohe Heterogenität auszeichnet. Die Forschung zielt darauf ab, diese größere Patientengruppe besser zu charakterisieren, um spezifische Therapien für Untergruppen mit spezifischen Merkmalen zu entwickeln.

Wie geht es mit Ihrer Forschung weiter?

Wir arbeiten an Zellmodellen, die von Parkinsonpatienten abgeleitet werden. Wir versuchen den Mechanismus, der unseren Ansätzen zugrunde liegt, besser zu verstehen. Es geht also immer viel um Grundlagenforschung. Gleichzeitig möchten wir unsere Forschung auf häufigere Formen ausweiten, um langfristig einem therapeutischen Nutzen näherzukommen. Dafür entwickeln wir auch 3D Zellmodelle, die die physiologischen Bedingungen im Gehirn besser nachbilden können.

Interview: Sandra Fresenius

 

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